"Kurz ist vielleicht an sich selber gescheitert, aber er ist nicht an der Partei gescheitert", analysierte Ex-ÖVP-Politiker Manfred Welan im STANDARD.

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Als Gespenst wird er noch lange durch die heimischen Medien geistern, denn um gnädigem Vergessen anheimzufallen, hat er doch ein wenig übertrieben. So konnte "Österreich" Anfang der Woche melden: Ex-Kanzler Sebastian Kurz wird jetzt zum Polit-Berater. Kurz wird in das Advisory Board der internationalen demokratischen Union einziehen, ein Zusammenschluss von über 70 konservativen und christlich-sozialen Parteien. In dieser Ablage wandelt er jetzt auf den Spuren von Chirac & Thatcher, er soll dort vor allem seine Expertise zum weltpolitischen Geschehen einbringen und sich auch in geopolitischen Strategien üben.

Besagte Union darf stolz auf ihre Neuerwerbung sein, konnten die Mitglieder des Advisory Board doch ein paar Tage später wieder in "Österreich" nachlesen, was Kurzens langjährige Büroleiterin nun bei ihrem Wechsel in die Privatwirtschaft einer ahnungslosen Menschheit verriet. In einer Danksagung an ihren Ex-Chef bezeichnete sie Kurz als "größten Politiker aller Zeiten", eine Einschätzung, die zeigt, dass der Gröpaz wenigstens bei seinem Personal jene Hörigkeit zu erzeugen verstand, die ihm eine verbohrte Mitwelt verweigerte.

"Sebastian Kurz war vielleicht eine Illusion"

Nicht gelesen dürfte man im Advisory Board jene Nummer des "Standard" haben, in der Manfried Welan, ein gefestigter Kenner der Volkspartei, in Kurz vor allem ein Phantom erkennen wollte. "Sebastian Kurz war vielleicht eine Illusion". Denn wenn man sich Kurz wegdenkt, dann ist die ÖVP ungefähr dort, wo sie vor zehn Jahren war. Auch Dolchstoßlegenden bog er zurecht. Kurz ist vielleicht an sich selber gescheitert, aber er ist nicht an der Partei gescheitert. Die hat ihn eigentlich bis zum letzten Augenblick gehalten, bis ihn die Landeshauptleute fallengelassen haben. Das hätte dem größten Politiker aller Zeiten nicht passieren dürfen.

Als Nachhall zu Mariä Himmelfahrt erschien "Der Standard" diese Woche zur Freude von weltweit etwa 5000 geweihten Jungfrauen, in Österreich rund 45, mit einem fast ganzseitigen Bericht über eine Sonderform der bürgerlichen Ehe, in der der Haushaltungsvorstand, dem die Frau bedingungslosen Gehorsam schuldet, durch eine höhere Instanz ersetzt wird: Gott ist der Bräutigam. Geschlossen wurde sie in Salzburg, wobei eine 31-jährige Frau dem Weihbischof – offenbar als Zwischenhändler – ewige Jungfräulichkeit versprach. In tiefer Demut legt sie sich dafür flach auf den Boden.

Die "Braut Jesu"

Um Durcheinander in der Dreifaltigkeit zu vermeiden, erklärte sich die gebürtige Oberösterreicherin und Theologin zur "Braut Jesu", sie will aber ein Zeichen für die Gegenwart Gottes sein. Dagegen ist ebenso wenig einzuwenden wie gegen die Belebung anderthalbtausend Jahre alter Rituale, die immerhin garantieren, dass bei Eheproblemen nicht die Polizei einschreiten muss. Religion ist Privatsache, die Entscheidung der Frau ist zu respektieren. Weniger Respekt verdient in diesem Zusammenhang die redaktionelle Entgleisung, die den Leserinnen und Lesern fast die gesamte Seite ad maiorem Dei gloriam und der ewigen Jungfräulichkeit widmete, aber die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zur rechtswidrigen Abschiebung im Falle Tina online groß, in der Zeitung aber mit einer einspaltigen Notiz abtat. Auch dass Innenminister Karner in Sachen Asyl wieder einmal das Einzige ankündigte, was er kann, nämlich "harte Kante", hätte, wenn schon nicht aus journalistischen Gründen, so wenigstens um christlicher Barmherzigkeit willen größere Beachtung verdient.

"Vom Herrenmenschen zum alten Weißen Mann"

Unliebsame Aufmerksamkeit hat der ORF mit dem Gender-Schnackerl erregt, das er seinen Sprecher//innen auferlegt hat. "Die ganze Woche" bot rund 200 Sprachwissenschaftler auf, die das Ende des Genderns bei den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern fordern. "Zur Zeit" präsentierte etwa 70 Sprachwissenschaftler mit demselben Anliegen. Die gesprochene Pause zwischen Stamm und Endung eines Wortes, also etwa bei "Zuseher-innen" stößt aber viele derart Angesprochene vor den Kopf, was Freiheitliche vom Sprachterror des Staatsfernsehens schreiben lässt. Das Gendern wird "von oben" verordnet, jammern sie, nämlich von der Firma Duden. Es ist gewissermaßen eine sprachliche Impfpflicht. Dass alle anderen Regeln, auf die sie gegen Neuerungen berufen, ebenso "von oben" kommen, ist egal.

Schuld an allem ist, wie Andreas Mölzer richtig feststellt, die Götterdämmerung. Vom Herrenmenschen zum alten Weißen Mann. Wer kriegt da nicht Schnackerln? (Günter Traxler, 20.8.2022)