Kleo und ihr Walkman: Jella Haase als Ex-DDR-Spionin.

Foto: Netflix/Julia Terjung

"Grüß dich, Genosse Lenin", sagt Kleo zu der kleinen Ratte und legt ihr einen Käsewürfel mit DDR-Fähnchen vor die Spitznase. Die Stasi-Agentin ist gerade aus ihrem Trabi ausgestiegen, den knallblauen Trainingsanzug tauscht sie in einem Tunnelgewölbe gegen ein weißes Partykleid. Eine Kurzhaarperücke versteckt den blonden Pony. Im Club Big Eden in Westberlin angekommen, bestellt sie dann auch noch einen Campari Orange. In wenigen Szenen wird die DDR in der deutschen Produktion "Kleo" bei Netflix wieder zum Leben erweckt.

Kleo tanzt und mordet sich in der gleichnamigen Serie durch Ost- und Westberlin. Ihr Brotberuf sind Auftragsmorde für den Staatssicherheitsdienst. Inoffiziell versteht sich. Im Moment läuft bei ihr scheinbar alles wie geschmiert: Sie ist von ihrem Freund Andi schwanger, der Mord im Big Eden soll erst einmal ihr letzter Auftrag gewesen sein. Als sie am nächsten Tag plötzlich verhaftet wird und weder ihr Großvater noch ihre Vorgesetzten für sie aussagen, kommt sie ins Gefängnis.

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Ossi und Wessi

Zwei Jahre später wird sie 1989 als Zeichen des guten politischen Willens freigelassen, doch daheim ist nichts mehr, wie es war. Die Mauer ist gefallen, ihr Freund Andi ist weg und in ihrer Wohnung sitzt stattdessen ein "Wessi" in Andis Morgenmantel. Kleos neuer Mitbewohner heißt Thilo, hört am liebsten knallharten Techno und nimmt alles an synthetischen Drogen, was er finden kann. Der Mann mit einer Frisur wie Maurice von Bilderbuch wird zu Kleos ungewünschtem Sidekick.

Musikalisch untermalt vom Red Army Choir, DDR-Schlagern und Techno-Tracks will Kleo herausfinden, wer sie damals ins Gefängnis gebracht hat. Sie kommt dabei einer Geheimdienst-Verschwörung auf die Spur, die weit über die Stasi hinausgeht. Sie selbst wiederum wird von dem Hawaiihemd-Liebhaber Sven verfolgt. Der Polizist aus dem Betrugsdezernat hat Kleo damals im Big Eden getroffen und den Mord als Einziger auch als solchen erkannt. Seine Fahndungszeichnung sah damals eher aus wie von einem Kleinkind, dementsprechend ernst wurde er genommen.

Skipiste auf Rügen

Dimitrij Schaad (Sven) und Jella Haase (Kleo) jagen sich in einem rasanten Katz-und-Maus-Spiel durch Berlin über Mallorca bis nach Chile. Mit Jella Haase hat das Autorentrio "HaRiBo" (Hanno Hackfort, Richard Kropf, Bob Konrad) seine persönliche Traumbesetzung gefunden. Die Berlinerin legt in "Kleo" ihre Rolle der Chantal aus "Fack ju Göhte" endgültig ab und bildet den Kern dieser Tour de Force. Haase spielt Kleos eingetrichterten Killerinstinkt genauso gut wie ihre verletzlichen Seiten. Kleo ist vor allem eine Frau, der schon von Kindesbeinen an ein Weltbild eingeflößt wurde, das nun langsam zu bröckeln beginnt. War die DDR wirklich so eine gute Idee? Immerhin sitzen mittlerweile sogar die damaligen Größen auf Mallorca und träumen von einer Skipiste auf Rügen.

In "Kleo" läuft das Sandmännchen im Fernsehen, statt Coca-Cola wird Club-Cola getrunken. DDR-Ostalgie findet ihren Platz, die Serie zeigt aber auch, wie vergeblich versucht wurde, ein Regime in seinen letzten Tagen am Leben zu erhalten. Die Amtswege müssen eingehalten werden, eigentlich ist aber auch schon alles egal. Im Vorspann wird eingeblendet: "Dies ist eine wahre Geschichte, nichts davon ist wirklich passiert." Man glaubt es fast. (Astrid Wenz, 21.8.2022)