Ex-OMV-Chef Rainer Seele sei nicht allein für die Russland-Strategie verantwortlich, verteidigt ihn Ex-OMV-Aufsichtsratschef Wolfgang Berndt.

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Rainer Seele ist zwar nicht mehr da, in der OMV – aber irgendwie ist er es doch. Jedenfalls beschäftigt die Gebarung des früheren Vorstandsvorsitzenden des größten österreichischen Industriekonzerns das Unternehmen immer noch intensiv.

Am 7. September wird sein Aufsichtsrat zusammentreten – Thema werden die Ergebnisse jener Untersuchungen einer deutschen und einer Wiener Anwaltskanzlei sein, in der bestimmte Geschäftsfälle der Ära Seele unter die Lupe genommen wurden. In Auftrag gegeben hat die Prüfungen Mark Garrett, Aufsichtsratschef der teilstaatlichen börsennotierten Gesellschaft. Da geht es etwa um OMV-Sponsoringvertrag für den russischen Fußballklub Zenit St. Petersburg, Vladimir Putins "Lieblingsklub". Oder um die millionenschwere Nebenabsprache zum Vertrag des früheren Compliance-Chefs, die nicht durch Vorstand und Aufsichtsrat gegangen ist.

Enge Russland-Bande

Unklare Angelegenheiten, wegen derer Seele bei der Hauptversammlung am 3. Juni auf Empfehlung des Aufsichtsratschefs die Entlastung verweigert wurde. Viel schwerer in die Kritik geriet Seele aber wegen der engen Russland-Connections der OMV. So wurden die Gaslieferverträge mit Gazprom 2018 vorzeitig bis 2040 verlängert, die OMV kaufte sich in ein Gasfeld in Westsibirien ein und beteiligte sich an der umstrittenen Ostseepipeline Nord Stream 2. Deren Nichtinbetriebnahme trug der OMV heuer eine Wertberichtigung von zwei Milliarden Euro ein. Ex post betrachtet seien die Investitionen ein Fehler gewesen, sagte der Aufsichtsratschef anlässlich der Hauptversammlung.

Auch die Staatsholding Öbag (hält 31,5 Prozent) und ihr Syndikatspartner Mubadala aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (24,9 Prozent) stimmten gegen Seeles Entlastung. Der frühere OMV-Aufsichtsratschef Wolfgang Berndt kritisiert das, wie sich aus einem Brief erschließt, den er am 8. Juni an Öbag-Chefin Edith Hlawati und eine andere Öbag-Managerin mailte. Berndt war von 2010 bis Anfang 2021 im Kontrollgremium, ab August 2019 als dessen Vorsitzender. Er hat den Eindruck, die OMV-Spitze wolle Seele "desavouieren".

"Kein Alleingang Seeles"

Berndt betont, dass die Entscheidungen zu Nord-Stream 2 und zum Einkauf ins westsibirische Gasfeld ja kein Alleingang Seeles gewesen seien, sondern vom Gesamtvorstand beschlossen und im Aufsichtsrat "ausführlich diskutiert und formal abgesegnet" worden seien. Auch zur Verlängerung der Gaslieferverträge um zwölf Jahre gebe es einen einstimmigen Vorstandsbeschluss und auch der Aufsichtsrat sei davon informiert worden – wenngleich bei dieser Angelegenheit keine formelle Zustimmung des Kontrollgremiums notwendig gewesen sei. Zur Erinnerung: 2018 war Peter Löscher Aufsichtsratspräsident, seine Stellvertreterin war Gertrude Tumpel-Gugerell. Sie ist heute Stellevertreterin Mark Garretts.

Zudem kann man Berndts Schreiben ein paar Details aus jener Prüfung ableiten, die noch während Seeles Zeit als OMV-Chefs stattgefunden hat. Schon damals war der Manager mit besten Russland-Connections in die Kritik geraten. Damals ging es beispielsweise um seine Reisekostenabrechnungen und vor allem seine Privatjet-Flüge oder um den Vorwurf, er habe Mitarbeiter aus dem Betriebsrat bespitzeln und kritische Nichtregierungsorganisationen überwachen lassen.

Mehr Privatjet-Flüge unter Roiss

Glaubt man Berndt, sei aus dem Prüfbericht aber hervorgegangen, dass "unter Seele der Gebrauch von Privatjets durch den Vorstand im Vergleich zu seinem Vorgänger um 80 Prozent zurückgegangen" sei, wie er der Öbag-Chefin schrieb. Hlawati wurde im Juni in den OMV-Aufsichtsrat gewählt. Diese Information zu den Flügen sei in der Hauptversammlung nicht kommuniziert worden, bemängelt Berndt.

Seeles Vorgänger war Gerhard Roiss, er hat die OMV von 2011 bis 2015 geleitet. Und er kritisiert die Linie der OMV unter Seele scharf, im "Profil" sprach er im März davon, dass Österreich und die OMV von einer Gruppe von Leuten gezielt in die Abhängigkeit von Russland gelenkt worden seien. Die hätten "ihre eigenen finanziellen Interessen über jede Moral gestellt".

"Unglückliche Entscheidung"

Zum umstrittenen Zenit-Sponsoring ließ Berndt die Öbag-Chefin wissen, Seele habe ihn damals informiert, dass ein Vorstandsmitglied vom Vorstand beauftragt worden sei, den Vertrag mit dem Fußballklub auszuhandeln. Das sei auch geschehen. Nur beim Sideletter zum Vertrag des Compliance-Managers räumt Berndt ein, dass Seele dazu keinen Vorstandsbeschluss eingeholt habe. "Ohne Zustimmung irgendeiner Kontrollinstanz vorzugehen", sei aber "sicher eine unglückliche Entscheidung" gewesen.

Wie die nun mit diesen Angelegenheiten befassten Rechtsanwälte das alles einordnen, wird man wohl im September erfahren. Die Öbag gab zu Berndts Seele-Verteidigungsbrief keine Stellungnahme ab. (Renate Graber, 21.8.2022)