Japons ist eine Marktgemeinde im nördlichen Waldviertel (Bezirk Horn) mit 710 Einwohnern. Es liegt auf einer Hochebene, das romantische Thayatal ist nicht weit. Unweit von Japons, genauer bei Sabatenreith, stehen seit fast 20 Jahren einige Windräder. Sie erreichen eine Höhe von knapp 140 Metern. Die Zahl der Windräder wird gerade von sieben auf drei verringert. Die verbleibenden drei haben es freilich in sich. Sie sollen im Endausbau auf eine Gesamthöhe von 244 Metern kommen. Im Energiejargon heißt ein solcher Vorgang "Repowerment".

Einige Bürgerinitiativen, etwa "Pro Thayatal", "Japons-Irnfritz für die Umwelt" oder "Windpark – Nein, danke", stemmen sich dagegen, zuletzt mit einem Wiederaufnahmeantrag gegen die naturschutzbehördliche Bewilligung für das Projekt Japons-Repowering durch die Bezirkshauptmannschaft Horn. Und mit intensiven Gesprächen, Begehungen und Infomaterial für den STANDARD.

Vogelschutz und mehr

Es geht um den Vogelschutz. Um die Wiesenweihe (einen Raubvogel) und um den Raubwürger und deren Brutstätten. Es geht um gewaltige Masten und noch gewaltigere Rotorblätter (aus Tropen-Balsaholz), die beide noch gewaltiger werden sollen, es geht um die von den Rotorblättern bestrichene "Todeszone" für Vögel, Fledermäuse und Insekten von 53.000 Quadratmetern; es geht um "Infraschall" (der Rotoren, für den Menschen unhörbar, aber trotzdem belastend), um Schattenwurf und wegfliegende Rieseneiszapfen im Winter.

Nach dem "Repowerment" hat die von sieben auf drei Masten gekappte Anlage eine Gesamthöhe von 244 Metern. Die alten Windräder bei Japons hatten eine Gesamthöhe ("Nabenhöhe" plus Rotorblatt) von 140 Metern.
Foto: Hans Rauscher

Es geht um viele Gutachten, pro und kontra. Es geht um angeblich fragwürdige Genehmigungsverfahren, politischen und finanziellen Einfluss. Und seit neuestem geht es darum, ob die Windräder (in Japons und anderswo) nun die Rettung vor Putins Energieerpressung sind.

Aber im Grunde geht es darum, ob das Waldviertel das Waldviertel bleibt.

Oder, brutal formuliert, ob das Waldviertel ein Ort für Windradplantagen wird wie das nördliche Burgenland und auch das nordöstliche Weinviertel.

Ästhetik des Waldviertels

In einer Stellungnahme der Projektgegner heißt es: "Die Zukunft des Waldviertels liegt in der Bewahrung seiner Identität und einer naturverträglichen Weiterentwicklung." Und nicht in großtechnischen Anlagen, kann man ergänzen. Speziell das Thayatal sei ein Europaschutzgebiet Natura 2000 ("Heide-, Teich- und Moorlandschaft").

Ein Vertreter der Windanlagenwirtschaft fasst geradezu einfühlsam zusammen: "Das sind Landschaftsschützer, weniger Umweltschützer. Sie wollen die Ästhetik des Waldviertels bewahren."

Aber auch das ist ein legitimes Ziel. Das Waldviertel ist, gerade weil es wenig großtechnisch erschlossen und landschaftlich so reizvoll ist, möglicherweise ein Ort für alternative, sanfte Entwicklung. Gestresste Großstädter, oft aus der Bildungsschicht, Künstler, Intellektuelle, auch Journalisten haben das schon entdeckt. Auch die Leute von den Bürgerinitiativen gehören überwiegend zur Bildungsschicht. Ärztinnen und Ärzte, Künstlerinnen, Finanzexperten, Ingenieure.

"Kein Wildwuchs"

Aber was ist mit den eingesessenen Waldviertlern? Haben die kein Recht auf technischen Fortschritt und auf die Zahlungen der Windparkbetreiber? Sollen die verzichten, nur weil ein paar Zugereiste ihre Ruhe haben wollen? Die Gemeinde Japons hat seinerzeit dem Windpark zugestimmt, und der aktuelle Bürgermeister freut sich im Lokalblatt über "mehr Ökostrom" aus der neuen Anlage.

Im nahegelegenen Raabs sprechen sich Bürgermeister Rudolf Mayer (ÖVP) und einige prominente Bürger im STANDARD-Gespräch für Windkraft aus – aber für "moderate, überschaubare Projekte, die nicht die Struktur der Landschaft verändern". Nachsatz: "… kein Wildwuchs."

Enthusiasmus für einen massiven Ausbau hört sich anders an. Tatsächlich haben in den vergangenen Jahren einige Gemeinden, etwa Gmünd, gegen die Errichtung von Windrädern gestimmt. Und das, obwohl der Vorsitzende von Pro Thayatal, der pensionierte Professor der Med-Uni Wien, Manfred Maier, viel über Taktik und Strategien der Windparkbetreiber zu erzählen weiß: "Da gibt es Vorverträge mit Grundstückseigentümern, aber auch der Gemeinde, von denen vorab niemand etwas weiß. Im Waldviertel sind viele froh über die 15.000 bis 20.000 Euro Zubrot pro Jahr, die für eine Umwidmung pro Windrad gezahlt werden." Und: Die "strenge Prüfung", von der immer die Rede sei, stütze sich oft auf die immer selben Gutachter.

Die Gemeinde Japons hat seinerzeit dem Windpark zugestimmt.
Foto: Hans Rauscher

Derzeit gibt es nach Auskunft der Energiewirtschaft einige Projekte, die realistische Chancen auf Umsetzung haben: Irnfritz, Meiseldorf, Wild (Brunn, Göpfitz, Ludweis-Aigen) und Sigmundsherberg. Die Projektwerber sind neben der EVN die private WEB und Windkraft Simonsfeld.

Die Grundlage für den Ausbau der Windkraft in Niederösterreich ist das "sektorale Raumordnungsprogramm Windkraft", das unter dem damaligen Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) beschlossen wurde und nur 1,5 Prozent der Landesfläche als mögliche Standorte ausweist. Ein "Windatlas Österreich" zeigt, dass sich die hohe "Windausbeute" auf das Nordburgenland und das Weinviertel konzentriert. Die Windleistung des Waldviertels ist um 20 bis 25 Prozent geringer.

Windkraft als Rettung vor Putin?

Was spricht nun konkret gegen Projekte wie das in Japons? Die Leute der Bürgerinitiativen machen einerseits geltend, dass es sich um ein "faktisches Vogelschutzgebiet" handle. Die Wiesenweihen, von denen es nicht mehr allzu viele in Österreich gibt, sind dort anzutreffen.

Tatsächlich zieht bei einem Lokalaugenschein ein Exemplar elegant vorbei. Ziemlich nahe an den Rotorblättern. Die Bürgerinitiative verweist auf ein von ihr in Auftrag gegebenes, frisches Gutachten des Öko-Büros Kurt Nadler, laut dem erhebliche Schäden am Brutbestand zu befürchten sind und das Repoweringprojekt "zurückzuweisen" sei.

Grundsätzlich hat das niederösterreichische Umweltamt 2019 in einem Bericht an den Landtag empfohlen, von Windkraftanlagen im Wald aufgrund des "beträchtlich höheren Tötungsrisikos" Abstand zu nehmen. Im etwas südlicher gelegenen Grafenschlag geht es etwa derzeit darum, ob der dortige Windpark unter Umgehung des Naturschutzes für Schwarzstörche errichtet wurde.

Kein Problem, sagen die Windparkbetreiber: Wenn die Horste der seltenen Vögel zu nahe bei den Rotoren sind, errichten wir eben Ausweichquartiere für sie. Aber weiß das auch die Wiesenweihe, und nimmt sie das Ersatzlogis auch an? Erkennt man trotz Energiekrise die Wichtigkeit der Wiesenweihe?

Energiekrise als unschlagbares Argument

In den häufigen Diskussionen an geplanten oder umstrittenen Standorten ist allerdings die Fraktion "Was scheren uns ein paar Vögel" recht stark. Und mit der von Wladimir Putin ausgelösten Energiekrise haben die Windparkverfechter plötzlich ein scheinbar unschlagbares Argument. Die Leute von Pro Thayatal und Japons für Umwelt sagen dagegen: "Windkraft macht nicht weniger von russischem Gas abhängig, weil Gas die Grundversorgung stellt, die Windkraft aber vor allem volatile (schwankende) Stromversorgung bringt." Stimmt, sagt Stefan Zach, Sprecher der EVN, aber: "Jedes Windrad ist ein Schritt weg von der Abhängigkeit von fossilen Stoffen."

Zach rechnet allerdings nicht damit, dass zu den 60 Prozent, die nach dem sektoralen Plan in Niederösterreich bereits verbaut sind, viel mehr dazukommt: "Wo jetzt noch nichts steht, kommt nicht mehr viel." Die Zukunft der Windkraft in Niederösterreich liegt offenbar im Repowerment existierender Anlagen.

Die Zukunft des Waldviertels hingegen liegt nach Meinung mancher in sanftem, qualitativ hochwertigem Ausbau: Sanfter Tourismus, Energie aus Biomasse, Rückzugsgebiet für kreative Teleworker sind ein paar Schlagworte. "Ich bin nicht antiindustriell eingestellt", sagt Manfred Maier. "Ich sehe nur nicht ein, dass genau das ignoriert wird, was das Waldviertel zu bieten hat – die Natur." (Hans Rauscher, 21.8.2022)