Der Grenzfluss Oder gleicht derzeit einem Massengrab für Fische.
Foto: Reuters/Annegret Hilse

Tonnen an Fischen, die mit Baggern entsorgt werden müssen, versagende Warnsysteme – so gewaltig die Dimensionen des aktuellen Fischsterbens in der Oder sind, so rätselhaft war zunächst die Ursache der Öko-Katastrophe. Schon bald stand aber ein Gift einer sich explosionsartig vermehrenden Alge im Verdacht, das Sterben ausgelöst zu haben.

Nun haben Forschende der Universität Wien den Fund relevanter Mengen des Gifts einer Brackwasser-Algenart bestätigt. Die Alge wurde bereits zuvor identifiziert. Der Nachweis des zugehörigen Gifts gelang nun am Institut für Lebensmittelchemie und Toxikologie, teilte die Uni am Freitagnachmittag mit.

Die Alge hat den wissenschaftlichen Namen Prymnesium parvum und kommt in den vom Fischsterben betroffenen Abschnitten der Oder nicht in großen Mengen vor. Sie ist eigentlich im Brackwasser zu Hause und benötigt zum Überleben salzhaltiges Wasser. Das dazu nötige Salz kann in diesen Mengen nur durch industrielle Abwässer in den Fluss gelangt sein.

Die Mikroalge Prymnesium parvum wurde im Oder-Wasser nachgewiesen.
Foto: Katrin Preuß, IGB

Hohe Giftkonzentration

Die Alge hatte das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei bereits in den letzten Tagen in Proben aus der mittleren Oder nachgewiesen. Nun gelang an der Uni Wien auch der Nachweis des Gifts, wie die Forscherin Elisabeth Varga vom Institut für Lebensmittelchemie und Toxikologie bestätigt.

"Wir konnten eine Unterart des Algengiftes, der sogenannten 'Prymnesine', zweifelsfrei und in signifikanten Mengen nachweisen", sagt die Forscherin. "Wenn diese spezifische Algenart in sehr großen Mengen vorliegt, wie das in den Oder-Proben der Fall ist, muss auch von sehr hoher Giftkonzentration ausgegangen werden. Da alle Proben bereits im fortgeschrittenen Stadium der Algenblüte gezogen wurden, ist von einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Sterben von Fischen und Weichtieren auszugehen", sagt Varga.

Ausmaß unklar

Der Nachweis gelang mit Massenspektrometern, einer extrem sensiblen Messtechnik, die auch geringste Konzentrationen von wenigen Molekülen nachweisen kann. Die genaue Wirkung des Gifts ist hingegen nicht zur Gänze bekannt. Welche weiteren Lebewesen davon betroffen sind, lässt sich also noch nicht genau sagen.

"Prymnesine sind sehr spezifische organische Verbindungen", sagt Stephanie Spahr vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei. "Grundsätzlich sind diese mit modernen Massenspektrometern messbar, werden aber in der Praxis nur in wenigen Laboren in Europa analysiert, auch weil nicht danach gesucht wird", so die Forscherin. Man trete nun umgehend mit den zuständigen Behörden in Kontakt, damit die Forschungsergebnisse in neue Messkampagnen integriert werden können. (red, APA, 19.8.2022)