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Unter der Arbeitswoche bekommt etwa die Hälfte aller Menschen in Industrienationen nicht genug Schlaf. Das hat mitunter auch Folgen für ihre Hilfsbereitschaft.
Foto: Valentin Russanov/Getty

Forscherinnen und Ärzte werden nicht müde, auf die gesundheitliche Bedeutung von Schlaf hinzuweisen. Wenn es der Sandmann gut mit einem meint und man ausreichend lange und tiefe Nachtruhe genießt, ist das gut für die Regeneration des ganzen Körpers. Und es wirkt sich auch auf zwischenmenschlicher Ebene positiv aus, wie eine aktuelle Studie unterstreicht: Wer ausreichend schläft, ist großzügiger und hilfsbereiter als Personen, die unter Schlafmangel leiden.

Die Schlafforscherin Eti Ben Simon von der US-amerikanischen University of California in Berkeley und ihr Team befragten dazu Testpersonen und untersuchten das Spendenverhalten nach einer Zeitumstellung. Sind die Aussagen der mehr als einhundert Probandinnen und Probanden zutreffend, dann verspüren sie nach einer Nacht mit zu wenig Schlaf einen geringeren Drang, Mitmenschen zu helfen.

Spenden gehen zurück

Bei den Beispielen ging es etwa um das Aufhalten einer Fahrstuhltür oder auch um Hilfe für einen verletzten Fremden auf der Straße, berichtet das Forschungsteam im Fachjournal "Plos Biology". Daneben wurde analysiert, ob sich die Umstellung auf Sommerzeit – die Nacht ist eine Stunde kürzer – auf das Spendenverhalten der US-amerikanischen Bevölkerung auswirkt.

Tatsächlich spendeten Menschen in der Woche nach der Zeitumstellung im Schnitt zehn Prozent weniger. Dieser Rückgang zeige sich nur in Staaten, in denen tatsächlich die Uhren umgestellt werden, heißt es in der Studie: In Staaten ohne Zeitumstellung sei er nicht beobachtet worden.

Empathie dank Schlaf

"Wenn Sie nicht genug Schlaf bekommen, schadet das nicht nur Ihrem eigenen Wohlbefinden, sondern auch dem Wohlbefinden Ihres gesamten sozialen Umfelds", sagt Studienautorin Ben Simon. Für sie dürften die Ergebnisse keine große Überraschung sein, untersucht sie doch bereits seit Jahren die Auswirkungen von Schlafmangel. Zu wenig Schlaf geht etwa oft mit Angststörungen und anderen psychischen Erkrankungen einher und kann wiederum dafür sorgen, dass sich Menschen sozial zurückziehen und sich einsam fühlen.

Aber auch als Alltagsphänomen sind die Beobachtungen plausibel. Für die Studie untermauerten die Forschenden ihre Vermutung zusätzlich mit Daten aus Gehirnscans. Verglichen wurden die Bilder, die sich nach acht Stunden Schlaf zeigten – mit jenen nach einer schlaflosen Nacht. Dabei zeigte sich: Bestimmte Bereiche des Gehirns, die für Einfühlungsvermögen und Empathie wichtig sind, sind nach einer ruhelosen Nacht weniger aktiv.

Eti Ben Simon zufolge wurden diese Areale des Gehirns deutlich beeinträchtigt, wenn Personen Schlafentzug hatten. "Es ist, als würden diese Teile des Gehirns nicht reagieren, nachdem wir nicht genug Schlaf bekommen haben", sagt die Forscherin.

Freundlich zum eigenen Körper – und anderen

Dies könne ihr zufolge auch zu größeren gesellschaftlichen Problemen beitragen. "Wenn Schlaf in der Gesellschaft nicht wertgeschätzt wird, haben wir nicht nur Arztpersonal, Krankenschwestern und Studierende mit Schlafmangel, sondern wir leiden auch unter unfreundlichen und weniger empathischen Interaktionen im Alltag", sagt Ben Simon.

Die Ausmaße werden bewusst, wenn man bedenkt, wie viele Menschen über schlechten und zu kurzen Schlaf klagen. Im globalen Norden ist es etwa die Hälfte der Bevölkerung, die Umfragen zufolge während der Arbeitswoche nicht ausreichend schläft. "Es ist an der Zeit, dass wir als Gesellschaft eine bestimmte Vorstellung von Schlaf aufgeben, nämlich dass er unnötig oder eine Verschwendung ist", formuliert es die Schlafforscherin. Im Idealfall solle man sich nicht dafür schämen, so viel Schlaf zu beanspruchen, wie man braucht: "Das ist die beste Art der Freundlichkeit, die wir uns selbst und den Menschen um uns herum bieten können." (sic, APA, 24.8.2022)