Nicht nur in Felixstowe, auch in Liverpool drohen Warnstreiks aufgrund der explodierenden Preise.

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Felixstowe – Erst Brexit, dann Pandemie – und nun Arbeitskämpfe: Ein mehrtägiger Streik von Hafenarbeitern am größten Containerhafen Großbritanniens droht, nicht nur die britischen Lieferketten weiter zu belasten. "Fast die Hälfte des britischen Containerverkehrs geht durch den Hafen in Felixstowe hindurch und 65 Prozent der ankommenden Container", sagte die britische Handelsexpertin Rebecca Harding.

Ein achttägiger Streik, der am Sonntag begann, bedeute ein Risiko für Im- und Exporte im Wert von rund 800 Millionen Pfund (rund 950 Millionen Euro). Besonders betroffen sei die Kleidungs- und Elektronikbranche.

Doch der Streik ist längst nicht nur ein Thema für die Insel: Der globale Containerverkehr ist seit Ausbruch der Corona-Pandemie vor zweieinhalb Jahren zunehmend aus dem Tritt geraten. Jede Störung, etwa Lockdowns in einzelnen Häfen, eine Havarie wie die der "Ever Given" im Suezkanal oder eben Arbeitskämpfe, bringt zusätzlich Sand ins Getriebe.

Weitere Warnstreiks befürchtet

"Ein Grund für die strapazierte Logistik auf See und in den Häfen ist auch die niedrige Pünktlichkeitsrate von Schiffen", sagt etwa der Ökonom Vincent Stamer, der am Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) den weltweiten Containerverkehr analysiert. Zudem fürchten Logistiker auch in Deutschland neue Warnstreiks. Die wären möglich, wenn am Montag die nächste Tarifrunde im Streit um Löhne der Hafenarbeiter keinen Erfolg bringt. Zuletzt hatte die Gewerkschaft Verdi Mitte Juli für 48 Stunden den Umschlag an allen deutschen Nordseehäfen lahmgelegt.

In Felixstowe wollten 1900 Beschäftigte im Hafen an der englischen Ostküste ihre Arbeit niederlegen. "Nicht viele Menschen sind heute Morgen zur Arbeit aufgetaucht", sagte Miles Hubbard von der Gewerkschaft Unite. Diese hatte zu dem Streik aufgerufen, nachdem eine Einigung mit dem Arbeitgeber, der Felixstowe Dock and Railway Company, gescheitert war. Das Angebot von Lohnerhöhungen um sieben Prozent ist der Gewerkschaft angesichts explodierender Verbraucherpreise nicht hoch genug. Die Inflation kletterte in Großbritannien im Juli auf über zehn Prozent. Auch in Liverpool wollen die Hafenarbeiter ihre Arbeit in Kürze niederlegen.

Keine groben Engpässe

Der Hafenverband British Ports Association rechnet bisher nicht mit langfristigeren Auswirkungen auf die britischen Lieferketten. Es sei in den vergangenen Jahren stark in die Infrastruktur investiert worden, weshalb es – wenn nötig – auch möglich sei, zeitweise mehr Containerfracht abzuwickeln als üblich. Auch Ulrich Hoppe, Direktor der Deutsch-Britischen Industrie- und Handelskammer, hält kurzfristig spürbare Engpässe für unwahrscheinlich. "Ich glaube nicht, dass wir leere Regale in Supermärkten sehen werden."

Frische Produkte wie Obst und Gemüse würden eher über den Hafen in Dover abgewickelt. Vorstellbar sei aber, dass bei üblicherweise in Containern transportierten Gütern wie Spielzeugen aus China Verzögerungen entstünden – und weiterer Druck auf die ohnehin schon durch die Pandemie und andere Herausforderungen belasteten Lieferketten. (APA, 21.8.2022)