Der Tiroler Musiker Mario Parizek, hier bei einer Performance in der Unterführung zu den Wiener U-Bahnen beim Westbahnhof.

Foto: Picturedesk/Stefan Fürtbauer

"100 Orte in Österreich (im Kaunertal, in Nordwestsibirien etc.), die Sie gesehen haben sollten, bevor Sie sterben": Wer kennt sie nicht, diese suggestiven Buchtitel, die darauf hinweisen, dass es vor dem Tod noch einiges zu erledigen gibt? Was Schweiz-Reisende angeht, so sollten sie jetzt rechtzeitig einen Zusatzposten auf die Liste der Sehenswürdigkeiten setzen, die dort abgearbeitet werden müssen.

Zentrum des woken Geschmacks

Die Rede ist natürlich vom Zürcher Lokal Gleis. Dieses Etablissement hat sich als neues Zentrum des guten, woken Geschmacks profiliert, als seine Betreiber einen schamlosen kulturellen Aneigner, den Dreadlock-geschmückten weißen (!) Sänger Mario Parizek, von der Bühne stamperten. Und das aus triftigem Grund! Etliche Zuseher hatten sich nämlich bei Parizeks Anblick "unwohl" gefühlt (Ziehen in der Magengrube? Leichter Drehschwindel? Brechreiz? Details leider unbekannt). Bedauerlich, dass es nicht Wolfgang Sobotka war, der im Gleis auftrat. Dann hätte man sich die mühsame Frisurendebatte erspart.

Feine Sitten

Die feinen Sitten im Gleis sind aber so oder so eine tolle Sache. Sie schließen nahtlos an die Frisurkämpfe der 1960er an ("Lange Haare, kurzer Verstand") und sollten über die Schweizer Grenzen hinaus gelehrt werden. Wie wäre es etwa, wenn Elmayers Benimmspezialisten Exkursionen nach Züri zum Thema "Dreadlock-Manieren" anböten? Wenn ja, bitte pronto, auf jeden Fall noch bevor wir gestorben sind. (Christoph Winder, 21.8.2022)