Seit den Höchstständen im Juni haben die Spritpreise wieder etwas nachgegeben – wie lang die Erholung anhält, bleibt abzuwarten.

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Wien – Den rauchenden Colt in Sachen Kartellierung oder Marktmachtmissbrauch fand die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) im österreichischen Treibstoffmarkt nicht. Einige gravierende Auffälligkeiten finden sich im heute vorgelegten Abschlussbericht der BWB allerdings schon: Die Gewinnmargen der Mineralölkonzerne und -raffinerien haben sich von den Rohölpreisen entkoppelt.

Im ersten Quartal 2022 stiegen beispielsweise die Großhandelspreise für Gas und Strom gegenüber dem Vorjahresquartal um circa 600 Prozent beziehungsweise 160 Prozent. Die Betriebskosten der Raffinerien allerdings, in denen Strom- und Gaskosten natürlich enthalten sind und die die Bruttomargen der Mineralölhersteller mindern, verteuerten sich im Durchschnitt lediglich um weniger als einen Cent pro Liter. Das Basisprodukt Rohöl wiederum verteuerte sich um 25 Cent pro Liter. Das hatte sich bereits im vorläufigen Bericht der BWB im Juli herauskristallisiert.

Bruttomargen verdreifacht

Heißt auf gut Deutsch: Der Strompreis und der Gaspreis fallen bei der Herstellung von Benzin und Diesel de facto nicht ins Gewicht, die Bruttomargen verdreifachten sich quasi automatisch (um 14 Cent pro Liter Diesel und um rund 20 Cent pro Liter Benzin). Dieser stärkere Anstieg der Preise an den Tankstellen sei nicht erklärbar, er führte an den Tankstellen im Überprüfungszeitraum seit Beginn des Kriegs in der Ukraine bis Ende Juni zu einer Verdreifachung der Bruttomargen.

Für die Endkunden an der Zapfsäule bedeutet dies etwa, dass Konsumenten für eine 50-Liter-Tankfüllung allein aufgrund des Anstiegs der Rohölpreise um 13,20 Euro (inklusive Mehrwertsteuer) mehr zahlten (sowohl bei Diesel als auch Benzin). Darüber hinaus zahlten die Konsumenten aufgrund der Steigerung der Bruttomargen um 11,40 Euro (inklusive Mehrwertsteuer) mehr für dieselbe Menge Diesel und um 12,60 Euro mehr für Benzin.

Internationale Preise

Grundsätzlich hält die BWB in ihrem Endbericht fest, dass der überwiegende Teil des Preisanstiegs an den Tankstellen auf gestiegene internationale Preisnotierungen für Diesel und Benzin zurückzuführen ist. Diese Notierungen (maßgeblich sind die Produktpreise in Rotterdam) dienten in Lieferverträgen als Referenzpreise für die Bestimmung von Großhandels- oder Raffinerieabgabepreisen.

Furcht vor Knappheit

Von der BWB befragte Mineralölkonzerne begründeten die Anstiege in den Notierungen mit Unsicherheiten auf Energiemärkten und der angespannten Versorgungslage mit Energieprodukten bereits vor Beginn des Kriegs in der Ukraine. Durch den Krieg seien die Energiemärkte dann so stark beeinflusst worden, dass etablierte Versorgungsströme von Gas, Erdöl und Fertigprodukten aus Russland für Europa abrupt infrage gestellt wurden. Weitere enorme Preisanstiege waren damit quasi programmiert, denn es wurde mit Produktknappheit gerechnet. Den Rest erledigte der starke US-Dollar, der die in US-Dollar gehandelten Mineralölprodukte im Euroraum zusätzlich verteuerte.

Hinweise auf Marktmissbrauch fand die BWB nach eigenen Angaben nicht, aber stark gestiegene Bruttogewinnmargen der Raffinerien in den Monaten nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine. Welche Schlüsse die Politik aus diesen Erkenntnissen ziehen wird, bleibt abzuwarten.

Preiskommission

Die von SPÖ, Arbeiterkammer und Gewerkschaft mehrfach geforderte Einsetzung einer Preiskommission nach Vorbild jener bei der Euro-Einführung, dürfte im Kampf gegen Preistreiberei keine Wunder bringen. Denn laut Preisgesetz kann der Wirtschaftsminister Preise wohl prüfen. Eingriffe oder gar Preisfestsetzungen sind demnach nur möglich, wenn die Preise in Österreich internationale Preisentwicklungen wesentlich übersteigen oder eine unmittelbare Störung der Versorgung droht.

Der Wettbewerbsexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo, Michael Böheim, dämpfte im Ö1-"Mittagsjournal" diesbezügliche Erwartungen. Wenig sinnvoll sei auch der alternativ geforderte Höchstpreis für Kraftstoff. Die Anbieter würden im Fall der Einführung eines Preisdeckels ihr Angebot zurückfahren. Das habe das Beispiel Ungarn gezeigt, wo es Warteschlangen gab. (Luise Ungerboeck, 22.8.2022)