Der ehemalige pakistanische Premierminister Imran Khan winkt seinen Anhängern während einer Kundgebung gegen die Regierung am Sonntag in Lahore, Pakistan, zu.

Foto: AP/K.M. Chaudary

Islamabad – Die Anklage erfolgte laut "New York Times" einen Tag, nachdem der ehemalige Premierminister Imran Khan, der im April durch ein Misstrauensvotum aus dem Amt gedrängt wurde, auf einer Kundgebung in der Hauptstadt Islamabad vor Hunderten von Anhängern eine Rede gehalten hatte. Darin verurteilte er die kürzliche Verhaftung eines seiner wichtigsten Mitarbeiter und bedrohte hochrangige Polizeibeamte sowie einen mit dem Fall befassten Richter. "Wir werden sie nicht verschonen", sagte Khan und versprach, rechtliche Schritte gegen sie einzuleiten.

In dem Polizeibericht, in dem die Anschuldigungen gegen Khan im Einzelnen aufgeführt sind, heißt es, dass seine Äußerungen einen vorsätzlichen und illegalen Versuch darstellten, die Justiz und die Polizei des Landes einzuschüchtern, wie lokale Nachrichtenagenturen berichteten.

Übertragungsverbot für Reden

Khan selbst scheint "The Guardian" zufolge noch auf freiem Fuß zu sein und hat sich nicht unmittelbar zu der gegen ihn erhobenen polizeilichen Anklage geäußert. Die pakistanische Oppositionspartei Tehreek-e-Insaf (PTI), der Khan angehört, veröffentlichte im Internet Videos, die zeigen, wie Anhänger sein Haus umringen, um die Polizei möglicherweise daran zu hindern, dorthin zu gelangen. Hunderte blieben am frühen Montag dort.

Auch Oppositionspolitiker in Pakistan haben vor Konsequenzen im Falle einer Anklage und Verhaftung des früheren Regierungschefs Imran Khan gewarnt. "Imran Khan ist unsere rote Linie", schrieb Ex-Informationsminister Fawad Chaudhry am Montag auf Twitter.

Khan wirft Regierung Zensur vor

Die pakistanische Medienaufsichtsbehörde verbot Fernsehsendern am späten Samstagabend nach der Kundgebung in Islamabad die Live-Übertragung von Khans Reden. Seine Reden seien "schädlich für die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung und geeignet, den öffentlichen Frieden und die Ruhe zu stören", erklärte die pakistanische Regulierungsbehörde für elektronische Medien (Pemra) am Samstag in einer Erklärung.

Kurz nach dem Übertragungsverbot vom Samstag versprach Khans Partei, auf "mehr als 500 Youtube- und Facebook-Kanälen" live zu gehen. Viele pakistanische Nutzer von sozialen Medien meldeten jedoch Probleme beim Zugriff auf Youtube am Sonntag, als Khan gerade eine Rede in der Garnisonsstadt Rawalpindi halten wollte. Daraufhin beschuldigte er die Regierung, Youtube vorübergehend zu sperren, um den Live-Zugang zu seiner Rede zu verhindern.

Khan will vorgezogene Parlamentswahl

Imran Khan hatte im April durch ein Misstrauensvotum die Macht verloren. Vor seiner Entmachtung hatte die Opposition Khan wirtschaftliches Missmanagement und eine verheerende Außenpolitik vorgeworfen, ein Koalitionspartner hatte seine Regierung verlassen. Khan bezeichnete seinen Sturz als Ergebnis einer "Verschwörung" unter ausländischer Beteiligung. Sein Hauptziel ist nun eine vorgezogene Parlamentswahl. Die aktuelle Regierung, die mit großen wirtschaftlichen Problemen im Land zu kämpfen hat, lehnt dies bisher ab.

Pakistan, ein atomar bewaffnetes Land mit der zweitgrößten muslimischen Bevölkerung der Welt, hat seit seiner Gründung vor 75 Jahren mit politischer Instabilität und Militärputschen zu kämpfen. Selbst unter zivilen Regierungen gilt das Militär als wichtigster Einflussfaktor im Land. (vol, APA, 22.8.2022)