Im Gastblog analysiert Anlageverwalter Bernhard Führer die Situation der momentanen Inflation und die daraus resultierenden Konsequenzen für potenzielle Investitionen.

Bei jedem Vermögenswert, in den investiert werden soll, müssen zwei Entscheidungen getroffen werden: Möchte ich in diesen Vermögenswert investieren? Will ich Währungsrisiken absichern oder nicht?

Meiner Erfahrung nach hören zu viele Anleger und Anlegerinnen bei der ersten Entscheidung auf und verbringen nicht genug Zeit damit, über die zweite Entscheidung nachzudenken. Es soll in diesem Artikel erstere Frage beantwortet werden, während in einem folgenden Teil die zweite Frage beantwortet werden wird.

Sparen: Immens hohe Wertverluste

In Österreich erreichte die Inflation zuletzt über neun Prozent gegenüber dem Vorjahr – die höchste Teuerungsrate seit 1975. Das bedeutet, dass die Verbraucherpreise erheblich schneller steigen als die Löhne, wodurch die meisten Menschen real schlechtergestellt werden. Dinge des täglichen Bedarfs waren noch stärker vom Preisanstieg betroffen (mit Preissteigerungen von an die 20 Prozent und mehr), und das Wifo rechnet mit einem noch höheren Inflationsdruck.

Momentan lässt sich anhand der steigenden Energiepreise eine Situation beobachten, die an die Inflation der 1970er-Jahre erinnert.
Foto: Imago/Christopher Neundorf/Kirchner-Media

Aber auch im internationalen Vergleich wurden so hohe Inflationsraten in den letzten 40 bis 50 Jahren nicht mehr beobachtet. Dies sind vermögensvernichtende Zahlen, da eine Inflation von "lediglich" 6,5 Prozent pro Jahr bereits innerhalb von zehn Jahren einen Vermögenswert halbiert. Die Inflation wird am besten als Vermögenssteuer betrachtet, die jedoch allen auferlegt wird, selbst den Ärmsten. Nur sehr wenige Ersparnisse, Vermögen und Anlageklassen gewöhnlicher Menschen können einer längeren Periode solch hoher Inflation standhalten – mit einem entsprechenden Schutz jedoch schon.

Zurück in die 1970er-Jahre?

Die steigenden Zinsen täuschen leicht über die Tatsache hinweg, dass nach Abzug der Inflation von diesen nicht viel übrigbleibt. Man muss demnach zwischen einem nominalen Anstieg und dem realen Anstieg der Zinsen unterscheiden. Bei einem Zins von drei Prozent und einer Inflation von einem Prozent ist kein Inflationsschutz vonnöten. Davon sind wir jedoch schon seit einigen Jahren weit entfernt. Daran ändern auch die zuletzt etwas gestiegen Zinsen nichts. Die Inflationsberichte zeigen eine immense Inflation, sodass Sparer und Anlegerinnen sehen, wie die Inflation Ihre Vermögenswerte aushöhlt. Das ist keine Überraschung, da Regierungen immens viel Geld druckten (Quantitative easing), die Leute dadurch an mehr Geld kamen (günstige Zinsen, steigender Wert von Vermögen) und dies zu mehr Käufen führte, was wiederum mehr Inflation erzeugt. Es ist ein Fehler, zu glauben, wohlhabender zu werden, nur weil man sieht, wie Vermögenswerte im Preis steigen, ohne zu beachten, wie im selben Moment die Kaufkraft erodiert. Am meisten leiden diejenigen, die ihre Gelder in Spareinlagen haben – so wie in den 1970er-Jahren.

Erleben wir also noch einmal die 1970er-Jahre? Ist die Staatsverschuldung außer Kontrolle geraten? Werden die Preise weiter steigen? Steuern wir in der Tat auf eine "Stagflation" zu – diese teuflische Kombination aus wirtschaftlicher Stagnation und explodierenden Lebenshaltungskosten? Und was bedeutet das alles für getätigte und geplante Investitionen?

Allgemein vertreten immer mehr Notenbanker und Notenbankerinnen die Ansicht, dass es längst überfällig sei, dass die Zentralbanken den Liquiditätshahn, den sie über Anleihekäufe in die Märkte gepumpt hat, zurückdreht. Dabei ist eines der zentralen Signale einer Inflationsrenaissance die steigenden Energiepreise. Rohstoffe wie Kohle und Erdgas haben inmitten des doppelten Drucks einer wiederauflebenden Nachfrage und einer Angebotskrise Rekordhöhen erreicht. China hat begonnen, den Stromverbrauch zu begrenzen und Deutschland denkt daran nachzuziehen. In Europa haben einige Regierungen Subventionen für Verbraucher eingeführt, die von atemberaubenden Stromrechnungen betroffen sind. In Großbritannien warnt man indessen vor möglichen Stromausfällen in diesem Winter.

Aber das ist nur eine Seite des Echos der 1970er-Jahre, das wir hören. Die andere ist, dass steigende Preise mit einem schwächelnden Wirtschaftswachstum einhergehen, was das Schreckgespenst der "Stagflation" summiert. Erneute mögliche Schließungen in vielen Volkswirtschaften aufgrund des Coronavirus haben die Wachstumserwartungen erheblich gesenkt. Als Reaktion auf die jüngsten Ereignisse hat der Internationale Währungsfonds seine Prognosen für das globale Wirtschaftswachstum nach unten korrigiert und gewarnt, dass die Erholung weiterhin behindert werden kann. Angesichts erheblich dieses sich schnell entwickelnden Hintergrunds fragen sich Anlegerinnen und Anleger möglicherweise, was dies für sie bedeutet und, was noch wichtiger ist, was sie dagegen tun können.

Gold als Schutz vor Inflation

Um finanziell erfolgreich zu sein, muss man einen Betrag verdienen, der mindestens dem Betrag entspricht, den man ausgibt. Wer bescheiden ausgibt und einen Überschuss hat, ist nachhaltig erfolgreicher als derjenige, der viel mehr verdient und Defizite hat. Die Geschichte zeigt, dass ein Land, das mehr ausgibt, als es verdient, tendenziell sozial, politisch und wirtschaftlich auf lange Sicht instabiler ist. Die westlichen Staaten geben jetzt viel mehr Geld aus, als sie verdienen und bezahlen dafür, indem sie Geld drucken, das entwertet wird (zu sehen an den derzeitig hohen Inflationsraten). Der Anstieg der Kaufkraftverluste scheint aus diesem Grund nur eine Richtung zu kennen und wird von Haushaltsdefiziten, Maßnahmen der Nationalbanken und internationalen Krisen getrieben.

Eine Investition in Gold kann unter den richtigen Voraussetzungen dabei dienlich sein, das Vermögen vor einer Inflation zu schützen.
Foto: Imago/Westend61

Eigentlich ein gutes Umfeld für Gold. Dennoch stagniert der Preis des Edelmetalls. Und doch hat sich die Bedeutung von Gold als sicherer Vermögensspeicher erst kürzlich in der Türkei gezeigt. Das Land wird immer wieder von Inflations- und Abwertungswellen seiner Währung erfasst. Die offizielle Inflationsrate lag erst kürzlich bei über 70 Prozent. Der Wertverlust der türkischen Währung gegenüber anderen Währungen betrug über 40 Prozent und in den Jahren zuvor noch mehr. Anleger und Anlegerinnen solcher Staaten als auch hierzulande, sollten sich nicht von hohen Zinsen verführen lassen, sondern Gold als langfristiges Wertaufbewahrungsmittel betrachten.

Hinzu kommt, dass auch die Österreicherinnen und Österreicher eine Vorliebe für das Edelmetall zu haben scheinen, besitzen diese rund 650 Tonnen Gold und damit das Doppelte der von der Nationalbank gehaltenen Goldreserven. Der Wert des Golds stagniert seit einiger Zeit, da das Risiko einer ernsthaften zukünftigen Inflation seit Jahren immanent besteht. Wenn es zu solchen Wahrnehmungen an den Finanz- und Kapitalmärkten kommt, werden die Gold- und Rohstoffpreise in Erwartung der kommenden Inflation hoch bleiben – und das tat Gold auch über die vergangenen Jahre und nicht erst seit 2020. Es kam zu keinen immensen Kurssteigerungen bei Gold, da die hohen Erwartungen der Anlegerinnen und Anleger im Goldpreis bereits "eingepreist" waren.

In Zeiten der Erwartung einer zukünftigen hohen Inflation wird Gold große Kurssprünge erfahren. In den 1970er-Jahren, als sowohl die tatsächliche Inflation als auch die künftigen Inflationserwartungen die Wirtschaft erfassten, verzeichnete Gold einige Jahre lang starke Preisehöhungen. Nicht nur in dieser Periode verzeichnete Gold erhebliche Jahresgewinne, auch von 2000 bis 2019 flohen viele Anleger und Anlegerinnen sowie Investoren und Investorinnen zu Gold, da diese von großen (zukünftigen) Inflationsängsten geplagt wurden. Dies passierte unter anderem aufgrund von umstrittenen Maßnahmen wie die der Quantitativen Lockerung, womit eine unkonventionelle Form der Ausweitung der Geldbasis bezeichnet wird – es handelt sich dabei um expansive Geldpolitik. Die zu beobachtbaren explosiven Preisbewegungen von Rohstoffen beziehungsweise Gold sind während Krisen wichtig, da diese eine ausgewogene Balance für das gesamte Portfolio herstellen.

Investment-Lektionen

Die Finanzmärkte, die in den letzten zehn Jahren mehr Zeit damit verbracht haben, sich über eine zu geringe als über eine zu hohe Inflation Sorgen zu machen, sind plötzlich wachsam gegenüber der Aussicht auf einen allgemeineren und tiefgreifenderen Anstieg des Preisdrucks.

Allgemein wird erwartet, dass die Gesamtinflation bis Ende 2022 auf das Niveau vor der Pandemie zurückgehen wird. Diese Erwartungen bergen jedoch eindeutig Risiken in sich, gibt es doch erhebliche Unterschiede zu der Situation der hohen Inflation in den 1970er-Jahren, als der Öl-Schock die Inflationserwartungen entfesselte.

Während die Zentralbanken darauf bestehen, dass ein Großteil der Wiederbelebung der Inflation in den Industrieländern ein vorübergehendes Phänomen im Zusammenhang mit den durch die Pandemie erzwungenen Schließungen und der anschließenden Wiederaufnahme der Aktivitäten ist, gilt es zu berücksichtigen, dass die Gewerkschaften nicht mehr die Kraft sind, die sie in den 1970er-Jahren waren. Die Gewerkschaftsmitgliedschaft in der OECD beträgt lediglich etwas über 15 Prozent und somit weit weniger als an die 50 Prozent vor 50 Jahren. Obwohl in einigen Branchen Nachfrage mach entsprechenden Arbeitskräften herrscht, erscheint die Idee eines allgemeinen überdurchschnittlichen Lohnabschlusses, wie wir ihn Mitte der 70er-Jahre gesehen haben, fantasievoll.

Es gibt eindeutig kurzfristigen Druck auf die Weltwirtschaft durch die Energiekrise, die damit verbundenen Inflationsausbrüche und den heiklen Balanceakt, die Erholung nach der Pandemie durch politische Anreize zu fördern und gleichzeitig zu vermeiden, den Inflationserwartungen Nachdruck zu verleihen. Aber all diese Informationen spiegeln sich bereits in den Wertpapierpreisen wider. Eine angemessene Reaktion für die Anleger besteht darin, sich an die Grundprinzipien der Diversifizierung zu halten. Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass es der effektivste Schutz gegen Inflation ist, nur langfristig in Wachstumsanlagen investiert zu bleiben.

Die Inflation ist heute ein größeres Risiko als je zuvor – sowohl für Anlegerinnen und Anleger als auch für Sparende. Es gibt zwar keine Garantie dafür, dass die Inflation noch mehr außer Kontrolle gerät, als sie es ohnehin schon tut, aber Gold kann als Versicherung für das Portfolio betrachtet werden. Normalerweise würden inflationsgeschützte Anleihen auch als Inflationsabsicherung dienen. Deren Renditen sind aber nicht attraktiv genug, obwohl sie sicherlich – je nach Laufzeit – einen gewissen Schutz bieten würden, wenn die Inflation weiter steigen sollte. (Bernhard Führer, 24.8.2022)