Eine wichtige Ursache für das Fischsterben in der Oder dürfte gefunden sein.

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Hundert Tonnen tote Fische. Die Dimensionen des aktuellen Fischsterbens in der Oder an der Grenze zwischen Deutschland und Polen sind katastrophal. Lange rätselhaft war die Ursache der Öko-Katastrophe. Bald stand aber ein Gift einer sich möglicherweise stark vermehrenden Alge im Verdacht, das Sterben ausgelöst zu haben.

Die Alge hat den wissenschaftlichen Namen Prymnesium parvum und kommt in den vom Fischsterben betroffenen Abschnitten der Oder üblicherweise kaum vor. Sie ist eigentlich im Brackwasser zu Hause und benötigt zum Überleben salzhaltiges Wasser. Das dazu nötige Salz kann in diesen Mengen nur durch industrielle Abwässer in den Fluss gelangt sein.

Der Nachweis ihres für Fische, aber nicht für den Menschen tödlichen Gifts gelang bereits letzte Woche durch Forschende des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) sowie der Uni Wien, wie DER STANDARD berichtete. Unklar war bis jetzt allerdings, wann und in welchen Mengen die vermutlich verheerende Algenblüte auftrat.

Neue Aufschlüsse durch Satellitendaten

Das gelang nun mithilfe von Satellitendaten. Experten von Brockmann Consult, einem Unternehmen für Umweltdatenanalyse und -software aus Hamburg, haben in enger Abstimmung mit dem IGB und der AG Modellierungsverfahren in der Fernerkundung der Universität Leipzig die Rohsatellitendaten des europäischen Copernicus-Satelliten Sentinel 2 ausgewertet und daraus Chlorophyll-Konzentrationen berechnet, die als Anzeiger für die Algenblüte dienen.

Der Satellit Sentinel 2 trägt einen optischen Sensor, mit dem man die Wasserfarbe bestimmen und daraus ableiten kann, welche farbgebenden Substanzen sich im Wasser befinden. Farbgebende Pigmente – wie etwa das Chlorophyll in Algen – verändern das einfallende Sonnenlicht, der Sensor im Satelliten kann diese Veränderung im Licht erfassen. So können auch ungewöhnlich hohe Konzentrationen von Algen nachgewiesen werden. In dieser ersten Analyse wurden drei ausgewählte Zeiträume untersucht.

Drei Grafiken zum Vergleich

Die Grafik zeigt drei Profile der Chlorophyll-Konzentrationen in der Oder Ende Juli, Anfang August und Mitte August. Die gelbliche Färbung zeigt dabei die besonders hohen Chlorophyll-Konzentrationen an. Ende Juli ist die Konzentration im gesamten Flusslauf auf einem mittleren Niveau, mit leichter Erhöhung im südlichen Flussabschnitt um die polnische Stadt Opole.

Brockmann Consult GmbH

Anfang August erkennt man einen sprunghaften Anstieg der Chlorophyll-Konzentration auf der Höhe von Wrocław. Zehn bis zwölf Tage später hat sich die Algenblüte wie eine Welle weiter flussabwärts verlagert und auf einen größeren Bereich der Oder ausgedehnt.

Die Satellitendaten haben laut dem IGB großes Potenzial, zur weiteren Aufklärung der Oder-Katastrophe beizutragen. Die neuen Ergebnisse helfen in jedem Fall, die anhaltende toxische Prymnesium-Algenblüte besser zu verstehen und ihren Ursprung räumlich und zeitlich einzugrenzen. Dafür werden gewässerökologische Messdaten und Wasserproben mit den Satellitendaten, die auch aus der Zeit des Beginns der Umweltkatastrophe vorliegen, kombiniert. In den nächsten Tagen und Wochen sollen diese Analysen fortgesetzt werden. (red, tasch, 22.8.2022)