Juristin Patricia Hofmann beantwortet im Gastblog gemeinsam mit Miriam Jutz vom Gewaltschutzzentrum Niederösterreich Fragen rund um das Thema Opferrechte.

In meinem heutigen Beitrag erlaube ich mir ein etwas anderes Format. Anlass dafür ist, dass in meiner täglichen Arbeit als juristische Prozessbegleiterin beziehungsweise Rechtsanwältin für Opfer in Strafverfahren oft ganz grundlegende Fragen aufkommen. So geht es auch den psychosozialen Prozessbegleiterinnen der Opferschutzeinrichtungen. Fragen, auf die Opfer von häuslicher Gewalt oft schon Antworten möchten und unter Umständen auch brauchen, bevor sie eine Anzeige bei der Polizei erstatten oder Unterstützungsangebote in Anspruch nehmen möchten.

Was bedeutet "Prozessbegleitung"?

Es beginnt bereits damit, dass viele Personen nicht wissen, dass sie die Möglichkeit einer psychosozialen und juristischen Prozessbegleitung haben. Viele fragen sich wahrscheinlich: "Was ist das überhaupt?". Kurz und einfach gesagt: psychologische Unterstützung sowie eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt für das Opfer im Strafverfahren.

Zur psychosozialen Prozessbegleitung

Die psychosoziale Prozessbegleitung berät, begleitet und unterstützt Opfer durch das gesamte Strafverfahren hindurch und darüber hinaus. Zudem koordiniert und organisiert die psychosoziale Prozessbegleitung die Kommunikation mit der juristischen Prozessbegleitung und/oder dem Gericht – zur Entlastung der Opfer.

Die Prozessbegleitung ermöglicht es Opfern, vor und während eines Gerichtsprozesses juristische sowie psychosoziale Unterstützung zu erhalten.
Foto: FOTO: APA/HERBERT NEUBAUER

Gemeinsam mit der juristischen Prozessbegleitung stellt sie sicher, dass die Betroffenen über ihre Rechte im Verfahren Bescheid wissen, und bestärkt sie darin, selbstbestimmt Entscheidungen zu treffen, zum Beispiel ob und in welcher Höhe Ansprüche wie Schmerzensgeld geltend gemacht werden. Indem sich Betroffene auf den Verfahrensablauf, dessen mögliche Konsequenzen sowie ihre Rolle innerhalb des Verfahrens einstellen können, wird einer Re-Traumatisierung vorgebeugt.

Zur juristischen Prozessbegleitung

Juristische Prozessbegleitung bedeutet die rechtliche Beratung und Vertretung für das gesamte Verfahren durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt. Diese werden von den Opferschutzeinrichtungen ins Boot geholt und sind stets auf Opferschutz und die Geltendmachung der Rechte von Opfern im Strafverfahren spezialisiert. So unterstützt die juristische Prozessbegleitung bei der Durchsetzung der Ansprüche im Verfahren und nimmt die Rechte der Opfer wahr.

Wie genau läuft eine Prozessbegleitung ab?

Der Ablauf orientiert sich an den Bedürfnissen der Betroffenen. Grundsätzlich gibt es die Möglichkeit, noch vor der Anzeigenerstattung eine persönliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Kommt es zu einem Strafverfahren, gibt es eine Vorbesprechung zusammen mit der psychosozialen Begleitung und der Rechtsanwältin oder dem Rechtsanwalt, in der alle Fragen und Ansprüche geklärt werden können. So ist das Opfer auf den Verfahrensablauf gut vorbereitet. Während des Hauptverfahrens ist das Opfer in ständiger Begleitung der psychosozialen Beratung und im Gerichtssaal vertreten durch die Rechtsanwältin oder den Rechtsanwalt. Nach dem Verfahren gibt es eine Nachbesprechung zum Verfahrensausgang. Grundsätzlich gibt es laufend persönlichen und telefonischen Kontakt zwischen dem Opfer und der psychosozialen Prozessbegleitung über das gesamte Verfahren hinweg.

Wer hat Anspruch auf Prozessbegleitung?

Anspruch haben zum einen Personen, welche durch eine vorsätzlich begangene Straftat Gewalt, zum Beispiel einer Körperverletzung, oder gefährlicher Drohung ausgesetzt waren. Umfasst sind ebenso Personen, die in ihrer sexuellen Integrität und Selbstbestimmung beeinträchtigt wurden, dazu zählen beispielsweise Opfer von sexuellen Missbrauch oder Vergewaltigung. Opfer von Stalking, Cybermobbing, Verhetzung und auch Opfer von terroristischen Straftaten sowie Angehörige von Mordopfern haben auch das Recht, psychosoziale und juristische Prozessbegleitung in Anspruch zu nehmen.

Kostet mich die Prozessbegleitung etwas?

Die Prozessbegleitung ist für Opfer von Gewalt kostenlos und die Beraterinnen und Berater sind der Verschwiegenheit verpflichtet.

Muss ich allein zu Polizei oder Gericht?

Nein. Sowohl bei der Polizei als auch bei einer Aussage vor Gericht kann man eine Vertrauensperson mitnehmen. Jedenfalls begleitet die psychosoziale Prozessbegleitung – wie der Name schon sagt – auch zur Aussage und weicht der betroffenen Person dabei nicht von der Seite.

Ich habe Angst vor möglichen Konsequenzen, wenn ich eine Aussage gegen den Täter, die Täterin mache. Welche Möglichkeiten habe ich, um mich zu schützen?

Gerade für Betroffene von häuslicher Gewalt ist ein Strafverfahren besonders belastend, da es sich bei den Angeklagten oft um eine enge Bezugsperson wie zum Beispiel den Partner oder die Partnerin handelt. Dabei lässt sich unterscheiden zwischen der Aussage, die im Zuge der Anzeige getätigt wird und der Aussage beim Hauptverfahren. Wie bereits erwähnt kann man bereits vor einer Anzeige bei der Polizei Kontakt mit einer Opferschutzeinrichtung aufnehmen. Die Polizei hat die Möglichkeit, ein Betretungs- und Annäherungsverbot auszusprechen. Ebenso unterstützen die Opferschutzeinrichtung die Betroffenen dabei, zivilrechtliche Schutzmaßnahmen zu ergreifen.

Eine wichtige Information ist auch, dass Opfer unter bestimmten Voraussetzungen das Recht auf eine schonende Einvernahme haben, sodass sie nicht in Anwesenheit des Angeklagten vor Gericht aussagen müssen. Auch eine Aussagebefreiung kann mit der juristischen Prozessbegleitung erörtert werden.

Wo finde ich Informationen?

Grundsätzlich informiert die Polizei das Opfer bei der Anzeigenerstattung über die Möglichkeiten, sich an eine Opferschutzeinrichtung zur Beratung zu wenden. Auf der Website findet man Informationen und eine Auflistung der Einrichtungen für die jeweiligen Bundesländer. (Patricia Hofmann, Miriam Jutz, 25.8.2022)