Der Schulstart ist teuer. Oft sogar noch teurer, als er sein müsste.

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Der Schulstart war seit jeher ein teurer Spaß. Angesichts der aktuellen Teuerung wird er heuer noch schlimmer und für viele Eltern ein finanzieller Balanceakt. Turnschuhe mit heller Sohle, die erste oder eine neue Schultasche, Stifte, Federpennale, Jausenboxen, Klassenbeiträge für anstehende Ausflüge und auch neue Kleidung werden zum Schulstart meist gebraucht. Aus der die Kinder dann im nächsten Schuljahr garantiert herausgewachsen sein werden.

In Elternforen, die allerdings nach wie vor fast immer zur Gänze Mütterforen sind, werden in diesen Tagen und Wochen vor Schulstart viele Tipps ausgetauscht: Was braucht man, wo bekommt man es, was ist gut, und wo bekommt man es? Und: Man jazzt sich gegenseitig dahingehend hoch, dass nur das Beste gut genug ist für das eigene Kind. Wer sich das nicht leisten kann, kommt dann – wenn die Kinder in der Klasse ankommen – schon mal so rüber, als würde man sich weniger scheren. Und das, obwohl es letztlich eben nicht nur um "das Beste" fürs Kind geht, sondern schlicht um soziale Distinktion. Also darum, zu zeigen, wer man ist.

Bildungspolitische Gräben

Aber noch einmal langsam: Für finanzielle Unterstützung beim Schulstart und während des Schuljahres für alle, die es brauchen – dafür wäre die Politik zuständig. Jedes Kind soll dieselben Mittel und Möglichkeiten bei den grundlegenden Dingen bekommen, die es braucht – wie Turnzeug, gutes Mittagsessen und qualitativ hochwertige Schulsachen. Wenn ein reiches Land wie Österreich das nicht hinbekommt, ist das ein Armutszeugnis – aber leider trotzdem eine Tatsache.

Die Unterschiede, wie schwer oder leicht es Eltern diesbezüglich haben, sind österreichweit groß: So gibt es hier Ganztagsschulen, die nach einem verhältnismäßig kleinen Beitrag viele der nötigen Materialen für die Kinder besorgen und so Eltern beim zeit- und kostenaufwendigen Schuleinkauf entlasten. Andere Schulen geben hingegen schier meterlange Listen aus, mit exaktem Bleistifthärtegrad und bestimmter Malstiftmarke. Dass den Schulen einerseits Handlungsspielräume eingeräumt werden und andererseits Eltern nicht auf das Glück angewiesen sein sollen, ob sie das eine oder andere Modell der Schulautonomie bekommen, das bleibt angesichts der riesigen bildungspolitischen Gräben – Stichwort gemeinsame Schule für Kinder ab zehn Jahren – zwischen den Regierungsparteien ÖVP und Grünen wohl noch lange eine Utopie.

Muss das denn sein?

Doch es gibt, abgesehen von dieser bildungspolitischen Ebene, noch andere Möglichkeiten, damit nicht schon Erstklässler:innen zu spüren bekommen, dass ihnen in ihrer Schulzeit wohl manches verwehrt bleibt. Und damit sind wir wieder bei besagten Elterngesprächen – online wie offline – über das großen Schulstartshopping. Zuvorderst: Wo sind eigentlich die Väter, die sich stundenlang mit der optimalen Schultasche oder schadstofffreien Lunchboxen auseinandersetzen? Und zweitens: Vor allem jene, die ihre Hirne zermartern, was das wirklich Allerbeste für ihren Nachwuchs ist, deren Kinder werden vermutlich nicht so leicht scheitern in der Schule. Auch wenn sie die billigsten Filzstifte hätten oder – Gott bewahre – eine Schultasche um 50 Euro. Haben sie aber natürlich eh nicht. Sie bekommen dazu noch selbstbewusstes Auftreten von Mamas und Papas beim Elternsprechtag und überhaupt Eltern, die implizit und durchaus auch explizit Aufmerksamkeit für ihr Kind einfordern.

Diese Kinder bekommen daheim auch leichter Hilfe beim Üben oder Hausaufgaben-Machen, weil die Eltern selbst Matura und sogar ein Studium absolviert haben. Sie bekommen Selbstsicherheit allein durch die Berufe ihrer Eltern vermittelt, sehen innerhalb ihres Milieus, wie viele Möglichkeiten auf sie warten. Ihre Eltern und auch ihr Umfeld sind sich sicher, dass diese Kinder die besten Möglichkeiten auch ergreifen können – und wenn nicht, dann wird das schon gerichtet. Notfalls mit teurem Nachhilfeunterricht. Unbewusst erleben Akademiker:innen-Kinder, was mit Fakten belegt ist: dass Bildung vererbt wird, dass ihre Chancen auf ein Studium, eine Matura höher sind, wie Studien über die höchst unterschiedlichen Bildungschancen von Arbeiter:innen- und Akademiker:innen-Kindern zeigen. Trotzdem ist am Ende der Volksschule die Erzählung eine andere: Das eine Kind fühlt sich dann angeblich in einer Hauptschule "sicher wohler", das andere hat einfach das "Zeug" fürs Gymnasium.

Schultaschen de luxe

Die immateriellen Dinge, die Kinder von Akademiker:innen mit auf ihren Schulweg bekommen, verschaffen ihnen ohnehin schon viele Vorteile. Daher könnte man sich zumindest auf Konsumebene etwas einbremsen. In Elternforen geht es allerdings eher in die gegenteilige Richtung. Da werden Schultaschen um über 200 Euro mittlerweile fast zur Selbstverständlichkeit. Diese sind ergonomisch vielleicht nützlich, wenn das Kind mehrere Kilometer Schulweg hat – aber mal ehrlich: Welches Kind in Österreich muss einen solchen Weg schon zu Fuß zurücklegen?

"Nur das Beste" für das eigene Kind geht halt oft auch auf Kosten weniger privilegierter Kinder. Und noch dafür wegen unnützen Zeugs, das vor allem dazu da ist, zu zeigen, wer man ist. Und anderen, wer sie nicht sind. Das muss doch nicht sein. (Beate Hausbichler, 24.8.2022)