Die Regierung will Werbesujets gegen Migration in Herkunftsländern schalten.

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Mehr als 42.000 Asylanträge wurden heuer in Österreich gestellt – und damit bereits jetzt mehr als im gesamten Vorjahr. Die hohe Zahl wird ein wenig dadurch relativiert, dass offenbar etliche Flüchtlinge nur auf Durchreise sind, aber durch verstärkte Polizeikontrollen aufgegriffen werden. Vorwürfe, dass man die Zahlen quasi künstlich hoch hält, weil man auch jene zu einem Antrag motiviert, die gar nicht in Österreich bleiben wollen, weist Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) "aufs Schärfste" zurück. Er sieht die Grenzeinsätze aufgrund von Schleppereibekämpfung und aus Rücksicht auf die Bevölkerung in den burgenländischen Grenzregionen als alternativlos an.

"Anti-Marketing"

Zusätzlich will er "Anti-Marketing" in Herkunftsländern betreiben. Das Innenministerium hielt sich am Montag dazu bedeckt, zuvor waren Sujets vorgestellt worden, die die Reise nach Europa als gefährlich und aussichtslos darstellen.

Der Großteil der Anträge stammt von Personen aus dem vor einem Jahr von den radikalislamistischen Taliban zurückeroberten Afghanistan (9.407) und dem Bürgerkriegsland Syrien (8.175). Die katastrophale Sicherheitslage vor Ort und die brutale Verfolgung Oppositioneller schlägt sich auch in der höheren Erfolgsquote der Asylanträge nieder. Darauf folgt mit 5.575 Anträgen Tunesien – von denen nur zwei erfolgreich waren. Das Land machte nach dem Arabischen Frühling zunächst einen Demokratisierungsprozess durch, kippte unter der Führung von Präsident Kais Saied zuletzt aber wieder in eine autoritärere Richtung. Das Land ist für viele kritische Stimmen vor Ort längst nicht mehr der sichere "Urlaubsort", als den Karner Länder wie Tunesien, Indien und Marokko bezeichnete.

Weiterreise nach Antrag

Rund 4.000 Asylanträge wurden von Personen aus Indien gestellt – von denen noch kein einziger erfolgreich war. Auch dort droht unter Premier Narendra Modi ein System mit zusehends illiberalen und teils autoritären Zügen zu entstehen. So schreibt Amnesty International von repressiven Gesetzen zur Eindämmung kritischer Stimmen, Einschüchterung von Journalistinnen und Anwälten, unrechtmäßiger Überwachung von NGOs und exzessiver Gewaltanwendung gegenüber ethnischen Minderheiten.

Vor allem junge Männer verlassen das Land aber auch auf Arbeitssuche. Ziele sind häufig englischsprachige Länder wie die USA, Australien oder Großbritannien, aber auch reiche arabische Staaten.

Über die visafreie Einreise in Serbien machten sich zuletzt viele Inder via Österreich auf den Weg in südeuropäische Länder, um als Erntehelfer zu arbeiten, sagt die Migrationsforscherin Judith Kohlenberger dem STANDARD. Von österreichischen Behörden aufgegriffen, bleibt ihnen oft nur der meist aussichtslose Umweg über einen Asylantrag, während sie zu ihrer Wunschdestination weiterreisen.

EU-Recht verletzt

Sie stammen dem Migrationsforscher Gerald Knaus zufolge oft aus Staaten, denen Österreich kaum Asyl gewährt. Die Zahl der Asylanträge hierzulande sei mitunter so hoch, weil Menschen an ein faires Verfahren in Österreich mit funktionierendem Rechtsstaat glauben würden. Viele EU-Länder würden die Rechte von Geflüchteten verletzen, weswegen Asylwerber sie meiden, kritisiert Knaus. (muz, faso, 22.8.2022)