Massiver Rückgang der Reallöhne, eine Inflation von mehr als zehn Prozent. Ein Eisenbahnerstreik legt tagelang das Land lahm, ein Streik der Dockarbeiter gefährdet fragile Lieferketten. Bis weit ins wohlhabende Bürgertum hinein herrscht Panik wegen massiv steigender Energiepreise im Vereinigten Königreich. Und vielerorts sind Englands Strände unbenutzbar, weil die privatisierten Wasserunternehmen Abwässer ungefiltert ins Meer leiten.

Ein Streik der Dockarbeiter gefährdet fragile Lieferketten.
Foto: REUTERS/TOBY MELVILLE

Großbritannien stolpert in diesem Sommer führungslos von einer Krise in die andere. Abruf-Premier Boris Johnson verweilt im Amt, hat aber nur auf Urlaubsreisen und Vergnügungen wie Mitfliegen in einem Typhoon-Kampfjet Lust. Achselzuckend verweisen die konservativen Minister auf den Nachfolgekampf in der Tory-Partei, der erst Anfang September zu Ende gehen soll: Man dürfe der zukünftigen Regierung nicht die Hände binden.

Unterdessen vertreiben sich die beiden Leute, die noch ums Spitzenamt in Partei und Regierung buhlen, die Zeit mit einem "Urlaub von der Realität", wie Polit-Veteran Michael Gove treffend sagt. Die haushohe Favoritin, Außenministerin Liz Truss, umschmeichelt die etwa 160.000 Mitglieder der Tories – 0,3 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung – mit dem Versprechen unleistbarer Steuersenkungen, Ex-Finanzminister Rishi Sunak wiederum will "bösartige" Kritik am Land unter Strafe stellen. Die Briten haben Besseres verdient.(Sebastian Borger, 22.8.2022)