Die Klinik Favoriten firmierte vor der Umbenennung unter Kaiser-Franz-Josef-Spital.

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Die Gefährdungsanzeige der Urologie-Abteilung der Klinik Favoriten hat Wellen geschlagen. In der bereits im Juli eingebrachten Anzeige sprechen die Ärzte von einer Lage, die mittlerweile nicht mehr zumutbar sei. Man könne Patienten oft nur notversorgen, auf die nötigen Operationen müssten diese oft mehrere Monate warten, es fehle an Fachkräften und Kapazitäten, DER STANDARD berichtete.

Der Wiener Gesundheitsverbund (Wigev) hatte dazu mitgeteilt, dass im aktuellen Fall bereits Maßnahmen gesetzt wurden. In der Klinik Favoriten gebe es pro Woche nun einen OP-Tag zusätzlich, die Koordination mit der Klinik Ottakring sei verbessert worden. In Ottakring hatten Bettensperren die Aufnahmekapazitäten zuletzt bereits drastisch limitiert.

Die Probleme der Spitäler sind teils aber vielschichtiger und tiefgreifender, wie dem STANDARD in Favoriten erklärt worden ist. Einerseits sei die Transformation, die die Kliniken zu Spezialabteilungen machen, (noch) nicht ordentlich umgesetzt. So hatte die Urologie in Favoriten zwar zusätzliche Fachärzte bekommen, aber nicht die nötigen Anästhesisten oder Pflegekräfte, die für den geplanten Ausbau der Kapazitäten ebenfalls nötig wären.

Das wiederum liege nicht nur an der Neuausrichtung der Spitäler. "Leute, die in Pension gingen, wurden nicht rechtzeitig nachbesetzt", sagt ein Arzt, der namentlich nicht genannt werden will. Jetzt fehle Personal überall: Anästhesisten, Fachärzte, Schwestern, Pfleger.

Fachkräftemangel wird eingeräumt

Liegen würde das auch daran, dass die Bezahlung bei der Gemeinde (der Wigev betreibt sieben Kliniken in Wien) "so schlecht ist, dass jene, die anderswo einen Job finden, eben wechseln", heißt es. Diese Kritik lässt man beim Wiener Gesundheitsverbund nur bedingt gelten. Es stimme, dass es auch im medizinischen Bereich einen Fachkräftemangel gebe. "Bei Anästhesisten kämpfen wir schon seit Jahren mit der Nachfolge", sagt ein Wigev-Sprecher. Betroffen vom Fachärztemangel seien aber auch andere Abteilungen, etwa die Psychiatrie, was sich vor allem in der Pandemie sehr deutlich gezeigt habe.

Dass die Gemeindespitäler so schlecht bezahlten, sei allerdings nicht zutreffend, sagt der Wigev-Sprecher. Bezüglich dieser Kritik fordert der Sprecher jene, die das behaupten, auf, einen Gehaltsvergleich zu anderen Spitälern und Einrichtungen darzulegen.

Kampf mit Personalnot

Unter dem Strich bleibt aber die Personalnot, mit der viele Abteilungen kämpfen. Dass Ärzte bis zu 24 Stunden arbeiten und an ihren normalen Tagdienst einen Nachtdienst anhängen müssen, sei keine Seltenheit, heißt es. Argumentiert wird das oft damit, dass der Nachtdienst quasi eh nur ein Bereitschaftsdienst sei, man könne im Normalfall ohnehin schlafen. Auf vielen Stationen komme es dazu aber schon kaum mehr, denn der Arbeitsaufwand ist in den vergangenen Jahren größer geworden. Neben Corona haben auch Einsparungen im Medizinbereich dafür gesorgt, dass das steigende Patientenaufkommen von immer weniger Ärztinnen und Ärzten bewältigt werden müsse.

Zum Problem in Wien werde auch, dass mitunter eine hohe Anzahl an Patientinnen und Patienten aus den Bundesländern behandelt werde. Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) sprach in diesem Zusammenhang zuletzt davon, dass rund 20 Prozent Nichtwiener in den Wigev-Einrichtungen betreut werden. Kommt es zu Engpässen, wie es aktuell in der Klinik Favoriten und im Klinikum Ottakring der Fall ist, gebe es laut dem städtischen Spitalsträger auch hier Vorgaben: Eine Akutversorgung finde in jedem Fall statt. Operationen, die nicht zwingend von den Gemeindespitälern erfolgen müssen, würden aber an die Landeskliniken zurücküberwiesen.

Die Probleme in den Spitälern wurzeln laut Ärzten mittlerweile weit in die Strukturen der Krankenhäuser hinein und gehen weit über jene Probleme hinaus, die im Zuge einer neuen Kompetenzverteilung entstehen können. Neue Primariate würden mitunter mit Oberärzten besetzt, nicht mehr zwingend mit habilitierten Ärzten – weil es eben überall an Fachkräften mangle. Hinzu komme, dass viele Schwestern und Pfleger in der Pandemie gekündigt hätten. Sie seien von Station zu Station verschoben worden. Dass auch sie sich Fachwissen für ihre Station angeeignet haben und entsprechend eingesetzt werden sollten, sei bei der Dienstplanerstellung völlig außer Acht gelassen worden. Der Frust sei dann entsprechend groß gewesen.

Ärztekammer fordert modernes Personalmanagement

Die Neos, sie sitzen mit der SPÖ in der Wiener Stadtregierung, wollen sich zur Gefährdungsanzeige der Klinik Favoriten nicht äußern. Man kenne noch nicht alle Details, heißt es auf Anfrage. Für Stefan Ferenci, Erster Vizepräsident der Ärztekammer für Wien und Obmann der angestellten Ärzte, kommt der Aufschrei aus der Klinik Favoriten nicht überraschend. "Es ist ein Fehler, das Krankenhauspersonal wie Schachfiguren zu behandeln." Die Ärztekammer fordert daher ein modernes Personalmanagement, das auf die Bedürfnisse des Personals eingeht und attraktive Rahmenbedingungen schafft.

"Die Beschwerden von betroffenen Urologie-Patienten halten sich in Grenzen", sagt Patientenanwalt Gerhard Jelinek. Betroffene sollen sich aber in jedem Fall an die Patientenanwaltschaft wenden. (Bettina Pfluger, 23.8.2022)