Herbert Kickl ist ein zweiter, kein erster Mann. Ibiza hat ihn zum Chef der FPÖ gemacht, aber das war nur, weil niemand anderer da war.

Im ORF-"Sommergespräch" sagte er bezeichnenderweise nicht "ich werde Kanzler sein", sondern "wir werden den Kanzler stellen". Er weiß instinktiv, dass er nicht das Kaliber dafür hat. Kickl ist gut als Erfinder von hetzerischen, antisemitischen Slogans für andere (Haider, Strache) und als genereller, begabter Troublemaker. Als ihn eine umnachtete ÖVP zum Innenminister (!) machte, musste er unbedingt eine krachende Razzia gegen den Verfassungsschutz durchziehen. Einerseits um das Rechtsextremismusbüro dort zu zerschlagen, aber vor allem, weil der Verfassungsschutz von der ÖVP besetzt war. Deswegen bestand Sebastian Kurz nach dem Ibiza-Clash darauf, dass die Koalition nur ohne Kickl weitergehen könne.

Als Troublemaker hat Herbert Kickl gewisse Erfolge.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Als Troublemaker hat Herbert Kickl gewisse Erfolge. Er hat die wirre Welt der Wütenden zusammengeführt. Die FPÖ war immer die Partei der Nationalpopulisten, der Ausländerhasser und der einfach Ressentimentgeladenen. Nun ist sie auch die Partei der Impfgegner, Corona-Leugner, Verschwörungstheoretiker, Chemtrail-Gläubigen, Sanktionsgegner, Orbán-Freunde und Putin-Versteher. Und der Gegner des "Systems". Darunter verstehen die Einschlägigen die liberale Demokratie.

Kickls Verständnis für Wladimir Putin und sein System, das man inzwischen faschistisch nennen kann, speist sich teils aus inneren Sympathien für autoritäre Herrscher (siehe die Gründungsgeschichte der FPÖ), mindestens ebenso sehr aber aus der Erkenntnis, dass nicht wenige Österreicher finden, es sei nicht alles schlecht unter Putin und man müsse sich auf jeden Fall mit ihm arrangieren.

Aggression und Konfrontation

Deswegen sagte er im ORF-"Sommergespräch", man müsse die "russischen Sicherheitsinteressen berücksichtigen". Welche Sicherheitsinteressen? Keine USA, keine Nato haben Russland bedroht, die Nato hat sich zwar nach Osteuropa erweitert (auf dringenden Wunsch der Osteuropäer), aber dort keine nennenswerten Truppen stationiert. Die "Sicherheitsinteressen" Russlands bestehen darin, dass Putin gerne die EU zerschlagen und Osteuropa inklusive der Ukraine rekolonisieren will. Wenn Kickl da "auf Russland zugehen" will, dann kann er gleich auch den Austritt Österreichs aus der EU und den Beitritt zu einer "großrussischen Prosperitätssphäre" verkünden.

Dass Kickl vor allem im Umgang mit Medien auf ständige Aggression und Konfrontation setzt, was beim "Sommergespräch" wieder deutlich wurde, entspricht seiner tiefen Verachtung für unabhängige Medien und ist aber auch Kalkül, weil viele Österreicher ebenso denken. Ein normales Gespräch ist mit ihm nicht möglich. Kickl wird wohl nie Kanzler (obwohl es schon historische Situationen gegeben hat, in der verblendete Bürgerliche glaubten, sie könnten die radikale Rechte durch "Einbindung zähmen", aber nur Steigbügelhalter waren und dann selbst abserviert wurden).

Aber er bleibt ein recht effektiver Sammler des systemverdrossenen, systemfeindlichen Potenzials, das in unserem Land ziemlich virulent ist. (Hans Rauscher, 23.8.2022)