Mehrere hundert Tonnen Fische sind von dem großen Sterben in der Oder betroffen – Kleinstlebewesen nicht berücksichtigt.
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Das Ausmaß des ökologischen Kriminalfalls an der deutsch-polnischen Grenze weitet sich stetig aus: Wurden die Dimensionen des Flusssterbens in der Oder kürzlich noch auf etwa hundert Tonnen tote Fische geschätzt, so ist dieser Wert heute schon doppelt so hoch. Denn nun teilte die polnische Feuerwehr mit, bisher 202 Tonnen an totem Fisch aus dem Fluss geborgen zu haben. Das sei allerdings nur das Minimum des realen Umfangs, wie das Institut für Binnenfischerei am Dienstag im Umweltausschuss bekanntgab. Den Annahmen zufolge seien bereits 200 bis 400 Tonnen Fische getötet worden.

Das entspricht 25 bis 50 Prozent des Fischbestands der Oder, machte Uwe Brämick, wissenschaftlicher Direktor des Instituts, deutlich. Er erklärte dazu: "Beim Fischsterben findet man nicht jeden toten Fisch, wir müssen davon ausgehen, dass zwei- bis viermal so viel Fische gestorben sind, wie geborgen und entsorgt worden sind."

Freiwillige im Einsatz

Die Feuerwehr habe entlang des gesamten Flusslaufs 159 Ölsperren aufgestellt, um verendete Fische aufzufangen und zu bergen, sagte der Sprecher der Feuerwehr-Hauptverwaltung am Dienstag. Insgesamt seien 3.770 Beamte der Berufsfeuerwehr und freiwillige Feuerwehrleute im Einsatz.

In der Oder wurden auf polnischer und deutscher Seite in den vergangenen Wochen massenhaft tote Fische entdeckt und eingesammelt. Die genaue Ursache für das Fischsterben ist bisher unklar. Jedoch wurde in Wasserproben sowohl in Polen als auch in Deutschland eine giftige Alge festgestellt. Diese dürfte sich nach bisherigen Einschätzungen durch eingeleitete Industrieabwässer stark vermehrt haben, die den Salzgehalt nach oben trieben. Am Nachweis der Alge war die Universität Wien beteiligt.

Jahre bis zur Erholung

Brämick zufolge leben rund 50 Arten in der Oder, 14 seien nach Beprobungen gefunden worden und davon alle Größen, berichtete er. Die Verluste der Fischereibetriebe an der Oder bezeichnete er als drastisch. "Wir gehen davon aus, dass es zwei bis vier Jahre dauern wird, bis sich die Potenziale der Bestände wieder so entwickelt haben, wie es vor dieser Entwicklung der Fall war."

In der Oder werden ihm zufolge normalerweise etwa 50 bis 60 Tonnen Fisch durch die zwölf Fischereibetriebe gefangen, die damit 80 Prozent ihrer Erlöse einnehmen. Ebenso viele Tonnen holen Angler jährlich aus dem Fluss.

Brämick sprach sich für ein längerfristiges Monitoring bei der Nutzung der Fischbestände aus. So könnten nach solchen Ereignissen die Folgen besser eingeschätzt und bewertet werden. Bereits jetzt zeigt sich das wertvolle Zusammenspiel unterschiedlicher wissenschaftlicher Analysemethoden: Nicht nur die giftige Alge, die eine wichtige Rolle gespielt haben dürfte, wurde im Wasser nachgewiesen, auch Satellitendaten halfen dabei, den Verlauf der Algenblüte nachzuvollziehen. (APA, red, 23.8.2022)