Fast auf den Tag genau 145 Jahre ist es her, dass der US-amerikanische Astronom Asaph Hall die beiden Begleiter unseres Nachbarplaneten entdeckte: Phobos und Deimos, zwei kleine Monde mit unregelmäßigen Formen, die den Mars in zügigem Tempo umkreisen. Am 17. August 1877 erspähte Hall die Objekte mit einem Spiegelteleskop am United States Naval Observatory bei Washington, D. C.

Die kleinen Monde Phobos (im Vordergrund) und Deimos umkreisen unseren Nachbarplaneten in raschem Tempo.
Illustration: NASA/JPL/University of Arizona

Vor allem Phobos, der größere der beiden Trabanten, zog Astronominnen und Astronomen in seinen Bann. Er ist nur rund 6.000 Kilometer von seinem Planeten entfernt (ein Rekord im Sonnensystem) und braucht gerade einmal sieben Stunden und 39 Minuten für eine vollständige Runde um den Mars. Damit übertrifft der etwa 27 x 22 x 18 Kilometer große Brocken, der (wie der Erdmond) seinem Planeten stets dieselbe Seite zeigt, die Rotationsperiode des Mars bei weitem. Ein Marstag dauert 24 Stunden, 37 Minuten und 22 Sekunden. Das hat einen verblüffenden Effekt: Von der Planetenoberfläche aus gesehen geht Phobos im Westen auf und im Osten unter.

Rätselhafter Ursprung

Die Entstehungsgeschichte von Phobos und Deimos gibt viele Rätsel auf, mehrere geplante Landemissionen auf dem Mond scheiterten in den vergangenen Jahrzehnten. Raumsonden im Marsorbit oder auf der Durchreise liefern aber regelmäßig Aufnahmen des Trabanten. Ein beeindruckender Schnappschuss gelang kürzlich der chinesischen Marsmission Tianwen-1, die im Vorjahr in eine Umlaufbahn des Roten Planeten einschwenkte.

Die Aufnahme von Phobos durch Tianwen-1 zeigt prominent den Krater Öpik, benannt dem estnischen Astronom Ernst Öpik.
Foto: CNSA

Zum Ursprung der Marsmonde gibt es mehrere Theorien. Auch der kleinere und weiter entfernte Trabant Deimos, der gut 30 Stunden für eine Marsumrundung benötigt, ist ziemlich unförmig. Eine plausible Erklärung zur Entstehung dieser Brockens wäre, dass er aus Überresten von Asteroiden besteht, die vom Mars eingefangen wurden. Dagegen sprechen allerdings Messdaten zur Beschaffenheit von Phobos, die nicht so ganz zu Asteroidenmaterial passen.

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Gewaltige Kollision?

Ein anderer Erklärungsansatz ist, dass die beiden Trabanten durch einen größeren Asteroideneinschlag auf den Mars entstanden sind, bei dem Material fortgeschleudert wurde, aus dem schließlich die Monde entstanden. Oder, so eine dritte Hypothese, Phobos und Deimos sind die Überreste eines größeren Mondes, der zerbrochen ist – sei es durch eine Kollision oder durch Gezeitenkräfte.

Die Annahme eines älteren Urmondes als Ursprung der heutigen Trabanten dürfte nun aber selbst erhebliche Risse bekommen: Wie ein internationales Forschungsteam um Ryuki Hyodo vom japanischen Institute of Space and Astronautical Science berichtet, sprechen Modellrechnungen gegen dieses Szenario. Ihren Simulationen zufolge wären nach dem Zerbersten des Einzelmondes auch die aus den Überresten entstandenen beiden kleineren Brocken schon sehr bald miteinander kollidiert.

In diesem Fall hätten wir es heute nicht mit zwei unregelmäßig geformten Monden zu tun, sondern mit einem Ringsystem aus kleineren Teilen, schreiben die Forschenden in ihrer noch nicht fachbegutachteten Studie, die kürzlich auf dem Preprint-Server Arxiv veröffentlicht wurde.

Phobos auf einer Aufnahme des Mars Reconnaissance Orbiter der Nasa aus dem Jahr 2008.
Foto: NASA/JPL/University of Arizona

Phobos' Fluch

Stand also doch ein Asteroideneinschlag am Beginn der Entstehungsgeschichte der Marsmonde? Gewissheit könnte am ehesten eine Mission bringen, die auf einem der Monde landen und Material sammeln würde. Landungen auf Phobos waren in der Vergangenheit auch schon mehrfach geplant, Erfolge blieben aber aus: Die beiden sowjetischen Sonden Fobos 1 und Fobos 2 gingen Ende der 1980er-Jahre verloren, ehe sie ihr Ziel erreichten. Fobos 2 schickte immerhin noch Hinweise auf mehrere Gasausbrüche auf Phobos, ehe der Kontakt abriss. Worum es sich dabei genau handelte, ist nicht geklärt – es könnte sich um Wasserdampf oder Methan handeln.

Noch glückloser war die 2011 gestartete russische Mission Phobos-Grunt, die Mondmaterial sammeln und zurück zur Erde hätte bringen sollen. Die Sonde kam aufgrund eines Softwarefehlers nicht einmal über den Erdorbit hinaus und verglühte schon bald in unserer Atmosphäre.

Nächster Versuch in Planung

Es gibt aber Hoffnung: 2024 will die japanische Raumfahrtagentur Jaxa den nächsten Versuch wagen. Dann soll die Mission MMX (Martian Moons Exploration) in Richtung Phobos aufbrechen, auf dem Mond landen und fünf Jahre später Materialproben auf der Erde abliefern. Japan verfügt über große Expertise in Sachen Probenrückführung von kleinen Objekten: Die Missionen Hayabusa 1 und 2 brachten in den vergangenen Jahren erfolgreich Asteroidenmaterial zur Erde. Vielleicht gibt Phobos also noch bis Ende des Jahrzehnts einige seiner Geheimnisse preis. (David Rennert, 25.8.2022)