Bei der Hand-Fuß-Mund-Krankheit kann sich vor allem an den Händen, Füßen und im Mundraum ein Ausschlag bilden.

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Über 100 Fälle wurden bisher in Indien gezählt. Die Infektionskrankheit, die von Fachleuten als Tomatengrippe oder auch Tomatenfieber bezeichnet wird, äußert sich durch einen starken Ausschlag mit roten Hautläsionen. Auch Fieber, Müdigkeit, Gelenksschmerzen oder Durchfall können auftreten. Schwere Verläufe wurden bisher nicht verzeichnet. Eine Beschreibung der ersten Erkenntnisse erschien vor kurzem im Fachjournal "The Lancet".

In dem Artikel berichten Ärzte, dass die Erkrankung Ähnlichkeiten zu bereits bekannten Virusinfektionen aufweise, wie dem Dengue- und Chikungunya-Fieber – Viruserkrankungen, die durch Stechmücken verbreitet werden. Ähnlichkeiten gebe es aber auch zu den Affenpocken und der Hand-Fuß-Mund-Krankheit. Volker Strenger dazu: "Aus der Ferne ist diese Krankheit natürlich schwer zu beurteilen. Aber mit dem Wissen, das wir bis jetzt darüber haben, ist es am wahrscheinlichsten, dass es sich hierbei um eine Form der Hand-Fuß-Mund-Krankheit handeln könnte."

Der Name Tomatengrippe oder auch Tomatenfieber kommt daher, dass die Hautläsionen sehr prominent und auffällig zu sein scheinen und ähnlich ausschauen können wie Tomaten. Hierbei ist der Experte jedoch skeptisch: "Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass diese Läsionen von der Größe her wirklich Tomaten ähneln."

Bub in Großbritannien liefert wichtige Hinweise

Um mehr über diese neue Krankheit herausfinden zu können, wurden in Indien bereits einige betroffene Kinder auf Dengue- und Chikungunya-Fieber und auch auf Affenpocken untersucht. Die Erreger dieser Krankheiten konnten bei ihnen jedoch nicht nachgewiesen werden. Hinweise auf eine Hand-Mund-Fuß-Krankheit lieferte die Untersuchung eines Buben, der aus Indien nach Großbritannien gereist war und ebenfalls die neuartigen Symptome zeigte. "In Großbritannien wurde der Patient auf verschiedene Viren getestet. Dabei wurde ein Enterovirus entdeckt, das nur geringe Unterschiede zu bekannten Enteroviren aufweist", erklärt Strenger. Das erhärtet die Vermutung, dass es sich um eine Art der Hand-Fuß-Mund-Erkrankung handeln könnte, denn Enteroviren verursachen diese.

Die Hand-Fuß-Mund-Krankheit tritt vor allem im Spätsommer und Herbst auf. Die Kinder, in erster Linie Kinder unter sechs Jahren, bekommen Läsionen, also kleine, rote, pustelartige Veränderungen auf der Haut und im Mund. "Im Mund sind sie oft besonders schmerzhaft für die Kinder. Viele verweigern dann das Essen und Trinken. Manchmal müssen die kleinen Patienten deshalb Infusionen bekommen, um den Flüssigkeitshaushalt wiederauszugleichen", weiß Strenger. Eine Infektion verläuft jedoch in den meisten Fällen mild und ist nach ein bis zwei Wochen überstanden.

Ein Medikament gegen die Tomatengrippe oder auch gegen die Hand-Fuß-Mund-Krankheit gibt es derzeit nicht. Wichtig sei laut dem Experten darauf zu achten, dass die Kinder genügend trinken. Kaltes Joghurt oder kalte Getränke werden oft besser vertragen als warme Speisen. Gegen Schmerzen und Fieber können den Kindern spezielle fiebersenkende Medikamente für Babys und Kleinkinder gegeben werden.

Viele mögliche Erklärungen

Auch wenn das Tomatenfieber erst vor kurzem beschrieben wurde, haben Fachleute bereits ein paar mögliche Erklärungen dafür: Vorstellbar sei, dass sich Enteroviren verändert haben und ein neuartiges Enterovirus die sogenannte Tomatengrippe auslöse. Strenger erklärt aber noch eine andere Theorie: "Möglich wäre auch, dass sich die Immunität der Kinder verändert hat." Durch Pandemiemaßnahmen der letzten Jahre haben Fachleute solche Veränderungen bereits feststellen können. Strenger weiß: "Letztes Jahr im Winter gab es auffällig viele Infektionen mit dem RS-Virus. Einige Kinder haben besonders stark darauf reagiert, da sie die zwei Jahre zuvor kaum mit dem Virus in Kontakt gekommen sind und das Immunsystem dieses Virus somit noch nicht kannte und stärker reagierte." Ähnlich könnte es auch in Indien gewesen sein, wo Kinder eventuell weniger Kontakt zu Enteroviren hatten und darum jetzt anders darauf reagierten.

Eine andere Theorie lautet, dass es nach einer durchgemachten Coronavirus-Infektion "zu einer vorübergehenden herabgesetzten oder veränderten Immunität kommt und das Immunsystem der Kinder dann anders auf bestimmte andere Erreger reagiert", erklärt der Infektiologe. Aber auch die Möglichkeit eines neuen Virus sei laut Strenger mit dem aktuellen Wissensstand nicht gänzlich auszuschließen. (Jasmin Altrock, 24.8.2022)