Bild nicht mehr verfügbar.

Waren Sie nach Ihrer Karenz Diskriminierung ausgesetzt? Auf einen Aufruf des STANDARD haben sich viele Frauen, aber auch Männer gemeldet.
Foto: Getty Images

Der Schreibtisch ist weg. Von der Beförderung, die vor der Karenz in Aussicht gestellt wurde, ist keine Rede mehr. Oder man macht plötzlich nicht mehr den gleichen Job wie vorher, die wichtigsten Aufgaben bekommt man nicht mehr zurück. Der Chef ist sowieso der Meinung, als Mutter habe man nun einen anderen Job.

So lauten ein paar der Erfahrungen, die Leserinnen und Leser des STANDARD nach ihrer Karenz machen mussten. Bei einem Aufruf haben wir sie gefragt, ob sie es nach der Babykarenz mit Diskriminierung zu tun hatten. Es meldeten sich dutzende Betroffene– aus unterschiedlichen Berufen und Branchen. Fünf von ihnen haben wir kontaktiert und sie gebeten, uns ihre Geschichte im Detail zu erzählen. Wir haben die Gespräche anonymisiert, damit sie für die Betroffenen keine Folgen haben.

"Sie hatten eine Chatgruppe namens 'die Kinderlosen'"

"Ich war insgesamt fünf Jahre bei meinem ehemaligen Arbeitgeber. Die Firma schreibt sich auf die Fahnen, dass das Wohl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Vordergrund steht. Und ich muss sagen: Für mich hat das lange wirklich gestimmt. Die Arbeit hat Spaß gemacht, ich bin gerne ins Büro gegangen und war in einem tollen Team.

Als ich nach einer Babypause von eineinhalb Jahren zurückgekommen bin, gab es mein Team jedoch nicht mehr. In dieser Zeit hat sich vieles gewandelt, viele Kolleginnen und Kollegen haben das Unternehmen verlassen, auch die Teamleiterin. Dennoch war ich voll motiviert, wieder in den Beruf einzusteigen. Damit ich weiterhin Kunden betreuen kann, habe ich mit 25 Stunden angefangen, mehr als ich zunächst geplant hatte. Mein Gedanke: Mit dieser Stundenzahl kann ich jeden Tag ins Büro kommen und weiterhin Kunden betreuen. Leider kam es anders: Ich hatte nach meiner Rückkehr null Kundenkontakt mehr. Die großen Kunden, die ich zuvor betreut hatte, wurden an andere Kolleginnen und Kollegen übergeben. Die Begründung war, dass man in dem Job 24/7 verfügbar sein muss. Stattdessen habe ich ganz banale Assistenzaufgaben bekommen, die meiner Ausbildung absolut unwürdig waren und mich unterforderten.

Aber auch mit den neuen Kolleginnen und Kollegen war es nicht leicht. Sie haben mich nicht gefragt, wenn sie auf einen Kaffee oder mittagessen gegangen sind. Wenn für gemeinsame Geburtstagsgeschenke Geld eingesammelt wurde, war ich ebenfalls außen vor. Als ich sie darauf angesprochen habe, gaben sie sich aufgesetzt freundlich und hatten immer eine Ausrede parat. So isoliert zu sein war hart für mich. Vor allem da eine Kollegin, die neu eingestellt wurde, sehr nett in die Gruppe aufgenommen wurde. Irgendwann habe ich mich gewundert, warum in dem Chat, in dem sich unser Team austauscht, nichts geschrieben wurde – aber dennoch alle miteinander in Kontakt zu sein scheinen. So habe ich herausgefunden, dass die anderen eine eigene Chatgruppe haben. Sie nannte sich "die Kinderlosen". Auch meine Teamleiterin war in diesem Chat.

Ich habe nicht sofort gekündigt, zu groß war die Loyalität zu meinem Arbeitgeber. Schließlich habe ich mir aber doch einen neuen Job gesucht, weil ich so getroffen war von der Art und Weise, wie mit mir umgegangen wurde."

Die Interviewte hat einen Sohn, bei dem sie eineinhalb Jahre in Karenz war.

"Der Job war nur noch eine leere Hülle"

"In dem Unternehmen, in dem ich gearbeitet habe, kamen Männer, die in Karenz gehen, in der Unternehmenskultur überhaupt nicht vor. Es war zwar ein großer Betrieb, trotzdem ist dort vor mir überhaupt erst ein Mann in Karenz gegangen – und der kam danach auch nicht wieder zurück. Trotzdem habe ich alle zunächst als unterstützend empfunden und auch als der Idee gegenüber offen. Aber: Als meine Chefin gehört hat, was ich vorhabe, hat sie gesagt: Ich weiß nicht, was ich ohne dich machen soll! Da habe ich mir das erste Mal Sorgen gemacht. Ich hatte das Gefühl, dass sie sich von mir verlassen fühlt, anstatt ganz pragmatisch zu sagen: Wir besetzen die eine oder andere Tätigkeit einfach nach – und danach machen wir weiter wie bisher.

Ein Jahr lang war ich dann bei meiner Tochter zu Hause. Bei einem Besuch mit dem Baby war noch alles okay. Als ich jedoch aus der Karenz zurückgekommen bin, gab es meinen Schreibtisch nicht mehr. Ein Umbau hatte stattgefunden. Woanders zu sitzen, wenn man zurückkommt, das war schon ein komisches Gefühl, denn wie viele Menschen hänge ich sehr an meinem Arbeitsplatz. In den nächsten Wochen und Monaten hat sich dann herausgestellt: Mein Job wurde nie mehr, wie er war. Ich hatte das Gefühl, meine Chefin vertraute mir nicht mehr voll. Und meine wichtigsten Aufgaben habe ich nie wieder zurückbekommen. Meine Chefin hat sie entweder an andere übertragen oder selbst übernommen. Alles, was ich noch gemacht habe, waren Routinearbeiten im Büro. Dadurch wurde mir irgendwann wahnsinnig fad. Ich war ja motiviert, wieder zu arbeiten.

Nachdem sich die Situation auch nach Monaten nicht änderte, habe ich eingesehen, dass ich mich wegbewerben muss. Der Job war nur noch eine leere Hülle, es war nicht mehr viel übrig davon. Ich hatte das Gefühl: Jetzt geht es mir so wie tausenden Frauen, die aus der Karenz kommen und merken: Alles ist anders. Denen vermittelt wird, dass sie völlig ersetzbar sind. Beim zweiten Kind war ich dann nicht mehr in Karenz."

Der Interviewte ist Vater von zwei Kindern und war ein Jahr lang in Karenz.

"Alle fragten, was ich nach meiner Rückkehr machen werde"

"Vor meiner Karenz hatte ich eine Führungsposition bei einer sozialen Organisation. Ich habe dort sehr bald nach meinem Studium zu arbeiten begonnen und zuletzt eng mit dem Geschäftsführer zusammengearbeitet. Es war eine loyale Arbeitsbeziehung, von Vertrauen geprägt. Als ich schwanger war, habe ich noch mit ihm gemeinsam meine Vertretung ausgesucht, die befristet angestellt wurde. Und wir haben viel darüber gesprochen, wie sich meine Rolle nach der Karenz weiterentwickeln kann. Er hatte ein paar Visionen.

Als mein Baby da war, war ich auf Besuch im Büro. Gedacht war der Besuch, um alle einmal wiederzusehen und nett mit ihnen zu plaudern. Aber der Geschäftsführer hat die Gelegenheit genutzt, um mir mitzuteilen, dass meine Karenzvertretung bleiben wird. Und ich eine ganz andere Stelle haben werde, wenn ich wieder zurückkomme – die nicht gleichwertig ist, wie es das Gesetz vorsieht. Ich war null auf diese Neuigkeiten vorbereitet, und weil mein Kind dabei war, war es schwer, darüber ausführlich zu sprechen. Also habe ich nicht viel dazu gesagt, außer dass ich noch mal in Ruhe bei einem gesonderten Termin reden möchte. Die Situation war auch deshalb unangenehm, weil mich meine Kolleginnen und Kollegen gefragt haben, was ich denn nun nach meiner Rückkehr machen werde. Ihnen war allen schon klar, dass ich nicht mehr in meinen alten Job zurückkann. Nur ich habe es noch nicht gewusst.

Ich hätte nie erwartet, dass so etwas im Sozialbereich passiert, musste es aber zur Kenntnis nehmen. Dann bin ich zu einem Coach gegangen und habe mich intensiv damit auseinandergesetzt, was meine Optionen sind. Mir war wichtig, das alles nicht so hinzunehmen und zu kämpfen, auch wenn ich es bis heute bedauernswert finde, dass das überhaupt nötig war. Ich habe dann eine andere, gleichwertige Position vorgeschlagen, auf die mein Chef und ich uns auch geeinigt haben. Es war ein intensives und kräftezehrendes Gespräch, bei dem ich sachlich und klar meine Rechte kommuniziert habe.

Etwa einen Monat vor Ende meiner Karenz habe ich dann noch einen Anruf von meiner Karenzvertretung bekommen. Sie sollte im Auftrag des Geschäftsführers mit mir darüber sprechen, ob man nicht meine Überstundenpauschale streichen könne. Ich hätte ja jetzt ein kleines Kind und würde bestimmt keine Überstunden mehr machen wollen. Es war auf Umwegen der Versuch, mein Gehalt zu kürzen. Auch dagegen habe ich mich gewehrt und die Gehaltskürzung nicht hingenommen. Trotzdem habe ich entschieden, dass ich mich in der Organisation nicht mehr wohlfühlen kann. Das habe ich bei meiner Kündigung meinem Chef auch deutlich gesagt. "

Die Interviewte arbeitet im Sozialbereich und hat ein Kind.

"Da geht jede schwanger raus"

"Ich habe ein Jahr als Juristin bei einem Fahrzeughändler gearbeitet, als ich schwanger wurde. Davor war ausgemacht, dass ich in eine andere, bessere Position aufsteige. Als ich allerdings bekanntgegeben habe, dass ich schwanger bin – relativ früh, aus Solidarität zu meiner zukünftigen Chefin –, wurde ich von dieser Position wieder abgezogen.

Ich hatte eine Fehlgeburt und bin wieder in meinen Job zurückgekehrt. Ein Jahr später, nach einer zweiten Fehlgeburt, wollte man mich nach der Kündigungsschutzfrist kündigen. Sie sagten, es sei nicht nachvollziehbar, wieso ich nach dem Studium überhaupt zu arbeiten begonnen habe, wenn ich ohnehin vorhabe, schwanger zu werden. Ich habe daraufhin die Gleichbehandlungsanwaltschaft eingeschaltet. Schlussendlich habe ich einer Abfertigung zugestimmt – und mir etwas Neues gesucht.

In meinem aktuellen Job, im öffentlichen Bereich, lief es anfangs sehr gut, und mir wurde zugesichert, dass ich nach der Probezeit sicher übernommen werde. Nach einem Monat wurde ich jedoch wieder schwanger. Das kam für mich sehr überraschend. Nachdem ich meine Schwangerschaft bekanntgab, war die Übernahme auf einmal nicht mehr so sicher. Plötzlich hieß es, man müsse 'mal schauen'. Daraufhin habe ich anklingen lassen, dass das diskriminierend ist, wenn man mich aufgrund der Schwangerschaft nicht übernimmt. Die Bedingung war dann, dass ich nach der Geburt nicht in Karenz gehe. Da habe ich gesagt, dass das nicht geht, dass ich das nicht will – aber eingewilligt, schon nach einem halben Jahr wieder zurückzukommen.

Wie an meinem Arbeitsplatz über Schwangere gesprochen wird, ist für mich ebenfalls schockierend. Zum Beispiel lautete eine Kritik von oben, dass in unserer Abteilung zu viele Frauen im gebärfähigen Alter eingestellt wurden. Und der Personalchef sagte in einer Konferenz, die Frauen sollten sich nicht zu lange in meinem Büro aufhalten, denn da gehe jede schwanger raus. Langsam kommt mir vor, dass man sich dafür schämen muss, wenn man Mutter wird. "

Die Interviewte ist Juristin und hat einen einjährigen Sohn.

"Der Chef wollte mir die Mutterschaft erklären"

"Ich habe mich in einer sehr sicheren Lage gewähnt, als ich bekanntgegeben habe, dass ich schwanger bin. Ich habe in einem Softwareunternehmen gearbeitet und dort die Produktentwicklung geleitet. Das ist eine sehr verantwortungsvolle Position, auch mit Führungsverantwortung. Vor meiner Karenz haben mein Chef und ich ausgemacht, wie ich danach weiterarbeiten werde. Wir haben einen Plan aufgesetzt, wie ich mich in der Firma weiterentwickeln kann – das betraf Gehaltserhöhungen und Schulungen.

Er hat sich jedoch an nichts gehalten. Alles, was wir vereinbart haben, war obsolet, als ich zurückkehrte. Ich habe keine Gehaltserhöhung bekommen, keine Schulungen, egal wie oft ich das eingefordert habe und obwohl ich Vollzeit zurückgekommen bin. Am ersten Tag nach meiner Karenz sagte mein Chef zu mir: Du kannst den Job jetzt nicht mehr machen – du hast jetzt einen anderen Job, du bist Mama. Von da an habe ich nur mehr Hilfsarbeiten gemacht, die normalerweise andere erledigen, die nur wenig technischen Background haben. Der Chef des Unternehmens wollte mir auch die Mutterschaft erklären: wie ich stillen soll und dass ich das Kind verwöhnen würde, wenn ich länger als ein halbes Jahr stille.

Später ist mir dann aufgefallen, dass ich nicht die Einzige bin, der es so ergangen ist. Ich hatte eine langjährige Kollegin, die zwei Kinder bekommen hat und ebenfalls entsprechend degradiert worden ist. Sie hat während ihrer ohnehin sehr kurzen Karenz ein paar Stunden für die Firma weitergearbeitet – und als sie ganz wiederkam, wollten sie sie in eine andere Abteilung versetzen und ihr wie mir Assistenzarbeiten geben. Mütter von Kleinkindern passten offenbar einfach nicht ins Unternehmen. Wohl auch deshalb wurden kaum welche eingestellt.

Ungeplanterweise wurde ich ein zweites Mal schwanger und bin derzeit in Mutterschutz. Mein Deal mit meinem Arbeitgeber: Nach der Elternkarenz gehe ich in Bildungskarenz, dafür kehre ich anschließend nicht an meinen Arbeitsplatz zurück. Das hätte auch zu nichts geführt. Wenn der Chef nicht hinter einem steht, wenn man immer so ein bisschen vorgeführt wird, tut man sich schwer im Unternehmen. Ich wollte das Kapitel abschließen. Auch wenn ich es bitter finde, weil so viel Herzblut hineingeflossen ist, als wäre das mein eigenes Unternehmen gewesen."

Die Interviewte ist Informatikerin und gerade mit ihrem zweiten Kind schwanger.