Foto: APA/dpa/Alexander Heinl

4K. HDR. Dolby Atmos. Streaming-Services werben gerne mit der von ihnen gelieferten Bild- und Tonqualität. Nur das Beste vom Besten sollen die eigenen Kundinnen und Kunden bekommen – so das Versprechen. Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit, kommt es doch auch massiv darauf an, auf welchem Weg man all das betrachtet.

Gut versteckte Infos

Worüber die Hersteller weniger gerne reden – oder es im besten Fall in irgendwelchen Supporteinträgen verstecken: Die versprochene Qualität gibt es nur mit der richtigen Kombination aus Hard- und Software. Gerade der zweite Faktor ist es, der dabei gerne übersehen wird. Denn selbst wer einen topaktuellen PC besitzt, bekommt von Streaming-Services nur in den seltensten Fällen die optimale Bildqualität beziehungsweise muss schon sehr genau wissen, welche Software verwendet werden muss.

Netflix auf dem PC ist oft wenig Vergnügen

Nehmen wir ein prominentes Beispiel, um zu verdeutlichen, worum es geht. Wer Netflix mit Chrome oder Firefox schaut, verschenkt damit auf jeden Fall Bildqualität. Wird dabei die Wiedergabe doch auf 720p beschränkt – weniger als jene 1080p, die bei den meisten Netflix-Zugängen versprochen werden und weit entfernt von jenen "4K Ultra HD", mit denen die teureren Abos beworben werden.

Netflix ist für das Problem nur ein Beispiel, bei anderen Streaminganbietern sieht es zum Teil noch schlimmer aus.
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Bei Disney+ und Prime Video ist es nicht anders, auch hier liegt die maximale Qualitätsstufe bei 720p, wer Linux verwendet, wird bei dem Amazon-Dienst gar auf 480p beschränkt. Nun mögen manche – zu Recht – anmerken, dass 720p durchaus gut aussehen kann, solange es mit einer ausreichend hohen Bitrate angeboten werden kann. Das ist richtig, aber natürlich wird in diesen Fällen auch die Bitrate massiv reduziert, was ein oft wenig ansehnliches Resultat ergibt.

Abhilfe

Wer dieser Realität entkommen will, der muss schon den "richtigen" Browser verwenden – also zumindest dort, wo das überhaupt geht. Netflix bietet in dieser Hinsicht noch die meisten Optionen. Unter Windows (ab Version 10) ist Microsofts Edge-Browser Voraussetzung, um 4K- und HDR-Support zu erhalten, auf dem Mac muss Apples eigener Safari verwendet werden. Zusätzlich gibt es unter Windows eine eigene Netflix-App, die ebenfalls die volle Qualität liefert.

Mit einem Trick gehen zumindest 1080p bei Netflix auch dort, wo das eigentlich nicht vorgesehen ist.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Linux-Nutzern steht keiner dieser Wege offen. Hier gibt es aber zumindest einen kleinen Trick: Über eine Browsererweiterung lässt sich Netflix auf dem freien Betriebssystem zumindest mit 1080p verwenden. Diese funktioniert natürlich auch unter Windows und MacOS. Eventuell ist das insofern auch eine Option für jene, die partout keinen Edge oder Safari verwenden wollen und ohnehin kein passend aufgelöstes Display für 4K-Support haben. Eine kleine Ausnahme sind übrigens auch Chromebooks, wo Netflix von Haus aus zumindest 1080p bietet.

Nachschauen

Am Rande: Wer überprüfen will, in welcher Qualität Netflix Videos an den eigenen Browser schickt, kann mit der Tastenkombination Strg + Alt + Shift + D die "Stats for Nerds" aufrufen, wo all diese Informationen laufend aktualisiert dargestellt werden.

Es wird schwieriger

Bei Disney+ wird es dann schon schwieriger. Hier ist der einzige Weg zur besten Bildqualität die Nutzung einer eigenen App für Windows 10 und 11. Mac-User müssen sich mit 1080p ohne HDR zufriedengeben, Linux-Nutzer wieder mit 720p. Für Prime Video gibt es bei Desktop-Betriebssystemen generell keine Möglichkeit, an die volle Auflösungen zu kommen.

Ursachenforschung

All das wirft natürlich die Frage auf: Was soll das Ganze eigentlich? Immerhin bezahlen die Nutzer nicht für 720p oder gar weniger. Wie so oft, wenn es um die Unterhaltungsindustrie geht, lautet die Antwort: Kopierschutz. Streaming-Anbieter halten Desktop-Betriebssysteme – beziehungsweise die meisten Browser – einfach nicht für sicher genug, um die volle Qualität ihres Angebots an diese liefern zu wollen.

Bei Disney+ sieht es im Browser nicht besser aus – ganz im Gegenteil.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Konkret geht es dabei darum, dass jemand Raubkopien des abgespielten Materials erstellen könnte. Tatsächlich wäre es bei dem von Chrome und Firefox am Desktop genutzten Digital-Rights-Management(DRM)-System namens Widevine theoretisch möglich, den Bildschirm aufzuzeichnen, da es sich hierbei um reine Softwarelösungen handelt.

DRM mit Hardware-Support

Hardwaregestützte DRM-Systeme wie das von Microsoft verwendete Play Ready oder Apples Fairplay werden von der Content-Industrie als sicherer angesehen. Also genehmigen sie diesen eine höhere Bildqualität – wenn auch, wie Disney+ auf dem Mac zeigt, selbst hier das Vertrauen nicht immer gleich hoch ist. Eine Ausnahme bildet übrigens Youtube, wo man auf solch extreme Formen von Kopierschutz verzichtet, 4K-Videos laufen entsprechend auch in den meisten Browsern.

Hardwareanforderungen

Am Rande sei erwähnt, dass es natürlich auch auf die passende Hardware ankommt. Wer etwa HDR auf dem eigenen Rechner sehen will, muss zusätzlich auch noch einen halbwegs aktuellen Rechner haben. Bei Netflix wäre das etwa ein Intel Core der siebten Generation oder ähnliche aktuelle Chips von AMD oder Nvidia.

Auf dem Mac benötigt es für den 4K-Support mindestens MacOS 11.0 sowie einen T2-Security-Chip – der eben für das DRM-System verwendet wird – oder einen aktuellen Rechner mit "Apple Silicon", wo so eine Komponente fix im SoC verbaut ist.

Kabel

Natürlich muss auch der Monitor, auf dem all das ausgeben wird, aktuell genug sein. Neben den entsprechenden Auflösungen muss er auch den entsprechenden HDMI-Kopierschutz – also in dem Fall High-Bandwidth Digital Content Protection (HDCP) in der Version 2.2. – unterstützen. Dasselbe gilt übrigens auch für die verwendeten Kabel, ein Punkt, der gerne einmal übersehen wird.

Fertige Streaminggeräte: Ja

Die Frage des Ausgabegeräts ist natürlich nicht auf Desktop-Rechner beschränkt, sie ist auch für die Verwendung von externen Streaming-Geräten relevant. Ansonsten sieht es bei diesen aber viel besser in Hinblick auf die Bildqualität aus. Das richtige 4K-Modell vorausgesetzt, gibt es bei aktuellen Chromecasts, Fire-TVs oder auch Apple-TVs keinerlei vergleichbare Einschränkungen.

Mit Streaminggeräten wie dem Chromecast gibt es solche Probleme nicht – zumindest, solange der TV die Anforderungen erfüllt.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Das wiederum liegt daran, dass diese Plattformen deutlich stärker abgesperrt sind als PCs, die Streaming-Anbieter diesen entsprechend also stärker vertrauen. Und natürlich spielt dann auch die Zertifizierung durch den Hersteller eine Rolle, wie etwa die Nutzer mancher Android-Smartphones bereits einmal bemerkt haben dürften.

Eigenbaulösungen: Nein

Von all dem haben jene, die lieber eine eigene Medienzentrale – etwa auf Basis eines Raspberry Pi – nutzen wollen, herzlich wenig. Wer hier populäre Streamingdienste über einen Browser einbinden will, ist in der Bildqualität massiv beschränkt. Zumal hierfür üblicherweise Linux als Betriebssystem verwendet wird, wo es mit dem Support durch Streamingdienste im Browser am schlechtesten aussieht. Die beste Qualität erhält man bei diesen Geräten eigentlich nur über lokal gespeicherte Inhalte.

Gelebte Kundenvertreibung

Genau da zeigt sich auch die Absurdität der aktuellen Situation. Wer etwa ein Linux-System verwendet, bekommt qualitativ ein erheblich besseres Bild, wenn er sich einen Netflix-Film irgendwo aus dem Netz herunterlädt, als wenn er ein Netflix-Abo nimmt – und dafür zahlt. Bei Windows- und Mac-Systemen ist das je nach Dienst auch nur graduell besser.

Alldem steht die Realität gegenüber, dass jeder einzelne Netflix-Film, jede einzelne Serie in Tauschbörsen mit schöner Regelmäßigkeit bereits wenige Stunden nach der Veröffentlichung in 4K und HDR zum Download bereitsteht. All die Kopierschutzmaßnahmen ändern an dieser Realität genau gar nichts. Insofern betreiben die Streamingplattformen mit solchen Beschränkungen indirekt fast schon Werbung für Piraterie. (Andreas Proschofsky, 27.8.2022)