Immer mehr Konsumenten und Konsumentinnen sehen es nun schwarz auf weiß, um wie viel mehr sie ab dem Herbst für Strom und Gas zahlen müssen. Die versprochenen 500 Euro Entlastung gibt es früher.

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Zuletzt hatten Briefträger in der Ostregion schwer zu tragen. An die 1,6 Millionen Briefe haben Wien Energie und EVN an Adressen in Wien und Niederösterreich geschickt. Inhalt des Schreibens, das Wien Energie verfasst hat: "Seit mehr als einem Jahr steigen die Preise deutlich an – überall auf der Welt. Die aktuelle Energiepreiskrise wirkt sich leider auch auf uns enorm aus. Jetzt ist auch Ihr Strompreis (bzw. Ihr Erdgaspreis) davon betroffen." Die Regierung will gegensteuern und zieht nun den Klimabonus und den Antiteuerungsbonus vor.

Frage: Wann kommt die angekündigte Entlastung nun tatsächlich?

Antwort: Statt am 1. Oktober mit der Auszahlung der 500 Euro zu beginnen, soll es das Geld nun schon im September geben, hat die Regierung am Mittwoch angekündigt. Die umfangreichen Vorarbeiten seien rascher abgeschlossen worden, deshalb gebe es das Geld schneller.

Frage: Ist ein Antrag notwendig?

Antwort: Nein. Die 500 Euro erhalten alle Menschen mit Hauptwohnsitz in Österreich. Für Kinder unter 18 Jahre gibt es einmalig 250 Euro.

Frage: Ist die Verteuerung legitim?

Antwort: Die Preiserhöhungen, die einige Unternehmen wie Verbund schon durchgeführt haben oder wie EVN und Wien Energie mit 1. September durchziehen, ist für Betroffene ärgerlich, aber der internationalen Situation geschuldet. Im Großhandel haben sich die Strom- und Gaspreise seit 2021 vervielfacht, wobei es vor allem nach dem Einmarsch von Putins Truppen in der Ukraine steil nach oben gegangen ist. Von der Preisanpassung betroffen sind alle Haushalte, die einen klassischen ("Optima"-)Tarif haben.

Frage: Wien Energie verspricht 60 Tage Gratisstrom, wenn Kunden zum neuen Tarif "Optima entspannt" wechseln. Was ist davon zu halten?

Antwort: Wenn man den Tarifkalkulator der E-Control konsultiert, fällt auf, dass die lokalen Anbieter in der Regel die besseren Konditionen bieten. Das war vor einem Jahr anders; da sind kleinere Anbieter, die sich im Großhandel noch günstig eindecken konnten, teilweise mit Kampfpreisen und hohen Rabatten dazwischengefahren. Letztlich muss jeder und jede selbst abwägen, was für ihn oder sie passt. Schließlich bindet man sich ein Jahr.

Frage: Ist das nicht immer der Fall?

Antwort: Bei sogenannten Floatern nicht. Da partizipieren Kunden und Kundinnen je nach Ausgestaltung des Vertrags fast eins zu eins an der Entwicklung im Großhandel. Wer darauf setzt, dass die Preise demnächst sinken, ist mit einem Float-Tarif möglicherweise besser bedient, weil er oder sie viel rascher die Preissenkung auf der Strom- oder Gasrechnung spürt.

Das Kraftwerk Simmering in Wien: Wer nicht mit Wasser oder anderen regenerativen Quellen Strom erzeugt, hat wohl noch für längere Zeit hohe Kosten zu tragen.
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Frage: Ist mit Preissenkungen in naher Zukunft zu rechnen?

Antwort: Die Wahrscheinlichkeit ist nicht null, aber gering. Kaum ein Experte oder eine Expertin erwartet eine rasche Entspannung. Die Forward-Notierungen bei Strom beispielsweise, die künftige Preisentwicklungen widerspiegeln, zeigen erst von März auf April 2023 einen Bruch in der Preisentwicklung, allerdings auf sehr hohem Niveau.

Frage: Wien Energie bietet mit "Optima entspannt" zusätzlich 20 Gratisstromtage an, wenn man dem Angebot online und nicht mit Antwortkarte zustimmt. Gerecht?

Antwort: Beim Verein für Konsumenteninformation will man die Sachlage prüfen, zumal insbesondere ältere Menschen dadurch diskriminiert sein könnten, weil sie weniger onlineaffin als andere Bevölkerungsgruppen sind. Allerdings sei es schon bisher so, dass Energieversorger Kunden, die Online-Rechnungen akzeptieren, gewisse Vorteile gewähren. Auch das Faktum, dass Besitzer von Jahreskarten der Wiener Linien bei Onlinezustimmung zusätzlich 20 Gratisstromtage, in Summe also 100 Tage, bekommen, Besitzer von Klimatickets aber nicht, sei rechtlich wohl nicht anzufechten.

Frage: Gibt es Unmut auch in Westösterreich?

Antwort: Weniger, weil etwa der Tiroler Landesenergieversorger Tiwag und die Vorarlberger Illwerke mit Preiserhöhungen noch zuwarten. Politische Beobachter nennen als Grund die anstehenden Landtagswahlen in Tirol, wo sich die regierende ÖVP mit Preiserhöhungen keine zusätzliche Flanke aufmachen wolle. Über kurz oder lang würden wohl oder übel auch andere Versorger preislich nachziehen – auch das Burgenland, wo am 2. Oktober Gemeinderatswahlen stattfinden und Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) eine Erhöhungen im Rahmen der Energie-Allianz ab September untersagt hat. Es gibt aber einzelne Strominseln, wo es Unmut gibt.

Frage: Wo zum Beispiel?

Antwort: In Wörgl etwa. Die Stadtwerke besitzen dort auch das Stromnetz. Weil der Landesenergieversorger Tiwag die günstigen Tarife nur Kunden anbietet, die in seinem Netz sind, schauen Bewohner von Wörgl, die auch solche Tarife haben möchten, durch die Finger.

Frage: Die Regierung bereitet eine Energiepreisbremse vor und will einen bestimmten Grundbedarf subventionieren. Ermutigt dies die Energieversorger nicht erst recht, die Preise hinaufschnalzen?

Antwort: Nein, die Preise dürfen nicht nach Belieben und auch nicht beliebig stark angehoben werden. Maßgeblich für die Preisanhebung der tatsächlich verbrauchten Energie (Arbeitspreis) ist der Österreichische Strompreisindex ÖSPI, für den Grundpreis ist es der Verbraucherpreisindex VPI.

Die Preise an der Tankstelle sind hoch, wenn auch nicht mehr so hoch wie vor wenigen Wochen.
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Frage: Die Arbeiterkammer (AK) will wegen hoher Sprit- und Heizölpreise die Preiskommission einschalten und einen Deckel für sechs Monate einführen. Wie realistisch ist das?

Antwort: Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) hat am Mittwoch darauf hingewiesen, dass er nach einem entsprechenden Antrag der AK handeln werde. Zugleich wies er darauf hin, dass die Tankstellenpreise in Österreich unverhältnismäßig von den internationalen Preisen abweichen müssten, damit das Preisgesetz angewendet werden könne. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Deckel auf den Benzin- und Dieselpreis kommt, ist gering.

(Günther Strobl, 25.8.2022)