Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer (links) wirft SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner vor, verantwortungslos zu handeln.

Foto: APA / Roland Schlager

Zwischen SPÖ und Grünen – immerhin zwei potenzielle Koalitionspartner nach der kommenden Wahl – herrscht dicke Luft. Oder wie man in Österreich sagt: Es fliegen die Hackeln tief. Auf die ständige Oppositionskritik und polittaktische Spitzen der SPÖ reagiert die grüne Regierungspartei nun mit scharfen verbalen Attacken gegen SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Was ist da los?

Jüngster Anlass: Die SPÖ hat der sogenannten Gaslenkungsverordnung im Hauptausschuss des Parlaments nicht zugestimmt – anders als im Vorfeld besprochen, wie es von grüner Seite heißt. Die Regierung benötigt für den Beschluss eine Zweidrittelmehrheit – also entweder die Stimmen der FPÖ oder jene der SPÖ. Mit den Sozialdemokraten sei die Zustimmung auch bereits vereinbart gewesen, Anmerkungen der Roten seien eingearbeitet worden – doch dann erfolgte der plötzliche Meinungsschwenk der SPÖ-Spitze. So wird es zumindest von Regierungsseite erzählt.

Die Verordnung ist nun jedenfalls vorerst gestoppt – auch FPÖ und Neos wollten nicht zustimmen. Inhaltlich wäre damit vorgesehen gewesen, dass Energieversorger im Ernstfall von Gas auf Öl oder Kohle umrüsten. Dafür sollen die Unternehmen Entschädigungen der öffentlichen Hand bekommen. Das Argument der Opposition: Solange die Energiekonzerne Übergewinne einfahren, sollen Umrüstungen durch diese Konzerne nicht mit Steuergeld finanziert werden. Die Regierungsparteien kontern: Eine Übergewinnsteuer habe mit der konkreten Verordnung nichts zu tun. Jetzt gehe es darum, rasch zu handeln, damit etwa die Reaktivierung des Kohlebetriebs im steirischen Mellach in Angriff genommen werden könne.

Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer ließ am Dienstag einen wütenden Tweet ab: "Rendi-Wagner riskiert mit ihrem verantwortungslosen Verhalten die Versorgungssicherheit, wenn Putin den Gashahn zudreht", schrieb sie. "Die SPÖ legt sich quer. Sie ist verantwortlich, wenn dann Kinderzimmer kalt bleiben", wetterte die Grüne. Das Parlament sei "kein parteipolitischer Spielplatz".

Rendi-Wagners Stellvertreter an der Parlamentsklubspitze, Jörg Leichtfried, bezeichnet das "aggressive Verhalten" Maurers nun als "rätselhaft". "Ganz offenbar wirkt auf sie bereits der Geist Sachslehners ein", sagt er dem STANDARD.

Angriffe einen die SPÖ

In den Reihen der SPÖ gibt man sich überhaupt ratlos über die Attacken der Grünen. Immerhin rücke eine Ampelkoalition – zumindest in Umfragen – in greifbare Nähe. "Die Grünen haben aber offenbar überhaupt keine Lust, mit uns zu koalieren", sagt ein roter Parlamentarier. "Sie übersehen außerdem, dass uns diese Angriffe im Inneren enger zusammenstehen lassen." Soll heißen: Jetzt sei auch die sonst separatistische burgenländische SPÖ an Bord.

Spricht man mit Grünen, sieht die Sache anders aus: Die SPÖ halte schlichtweg nicht Wort – und das nicht zum ersten Mal. "Wir haben große Schwierigkeiten, überhaupt Ansprechpersonen in der SPÖ zu finden, mit denen man verbindlich reden kann", sagt jemand aus dem Klub. Die Roten würden laufend die Vertrauensbasis aufs Spiel setzen.

In der ÖVP beobachtet man den Beef zwischen Grünen und Roten zurückgelehnt. Dass sich eine neuerliche Koalitionsregierung allein mit den Grünen nach der kommenden Wahl nicht ausgehen wird, sei relativ klar. Außerdem seien die Grünen in der Regierung ohnehin "ziemlich mühsam", auch wenn es nach außen hin nicht so scheine, meint ein hoher ÖVP-Funktionär. Pragmatische Schwarze in der Führungsebene hätten längst ihre Fühler Richtung SPÖ ausgestreckt.

Fragt man bei den Grünen bezüglich einer möglichen Ampelkoalition nach, fällt die Antwort allerdings auch hier pragmatisch aus: Nach einer Wahl sei immer alles anders, man habe sich schließlich auch mit der ÖVP zusammengerauft. (Katharina Mittelstaedt, Walter Müller, 24.8.2022)