Wie lassen sich Übergewinne der Energieriesen für die Allgemeinheit nutzen?

Foto: Imago

Herbert Houf, Präsident der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (KSW), hat Ratschläge für die Steuer- und Energiepolitik.

Vor zwei Jahren ist Herbert Houf dem langjährigen Präsidenten der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (KSW), Klaus Hübner, nachgefolgt. Am Rande des Europäischen Forums Alpbach nimmt er zu steuerlichen Aspekten der Energie- und Teuerungskrise und den jüngsten Schlagzeilen rund um Beraterhonorare Stellung.

STANDARD: Gibt es aus Ihrer Sicht einen intelligenten Weg, die Übergewinne der Energiekonzerne der Allgemeinheit zukommen zu lassen? Was halten Sie von den Rufen nach einer Sondersteuer für Verbund und Co?

Houf: Die Frage ist, was Unternehmen in der Krise für das Gemeinwohl leisten sollen. Die Forderung nach einem höheren Beitrag ist moralisch nachvollziehbar, aber man sollte bei der Wahl der Methode sorgsam vorgehen. Die Einführung neuer Steuern halte ich nicht für sinnvoll. Wenn wir für 2022 eine Übergewinnsteuer einführen, dann werden Gewinne rückwirkend versteuert, die schon entstanden sind, und das sollte man typischerweise nicht tun. Aber die angesprochenen Unternehmen sind großteils in öffentlicher Hand. Es liegt an der Entscheidung der Hauptversammlung, eine Sonderdividende auszuschütten. Und man sollte über die Preisbildungsmechanismen für Energie nachdenken, die dazu führen, dass auch Strom aus Wasserkraft massiv teurer wird.

STANDARD: Aber von einer Ausschüttung profitieren dann auch die privaten Aktionäre. Ist das besser?

Houf: Aktionäre gehen immer ein Risiko ein, das abgegolten werden muss. Es ersetzt ihnen ja auch niemand einen Kursverlust, wenn sie von einer Krise getroffen werden.

STANDARD: Und was halten Sie von einer Senkung der Mehrwertsteuer auf Energie, Sprit oder Grundnahrungsmittel, um die Inflationsrate zu senken? Andere Länder haben das getan.

Houf: Davon halte ich gar nichts. Es ist noch nicht klar, wie sich diese Inflation längerfristig auswirken wird. Im Moment muss es darum gehen, die sozial am meisten benachteiligten Gruppen bestmöglich vor Notsituationen zu bewahren. Das ist wichtiger als die Inflationsstatistik. Wenn ich die Mehrwertsteuer auf Brot senke, nützt das auch den Leuten, die es sich leisten können.

STANDARD: Angesichts der Teuerung gerät der Klimaschutz unter die Räder. Was sollte die Regierung aus steuerlicher Sicht tun?

Houf: Wir brauchen mehr steuerliche Anreize, etwa für jene, die ein Einfamilienhaus energieneutral machen wollen. Die existierenden Förderungen sind ein Tropfen auf dem heißen Stein. Wie man sagt: Die Dosis macht das Gift. Auch in den Unternehmen kann man mit mehr Anreizen Dinge schneller vorantreiben. Ich glaube daran, dass sich die Wirtschaft an die Rahmenbedingungen, die die Politik schafft, immer anpasst.

STANDARD: Und woher soll all das Geld kommen?

Houf: Es gibt in Österreich wahnsinnig viele Förderungen aus ganz verschiedenen Töpfen. Man muss sie so umlenken, dass sie den langfristigen Zielen dienen. Die industrielle Produktion ist viel zu sehr von globalen Transporten abhängig. Das ist ökologischer Wahnsinn, deshalb müssen wir wieder stärker in Regionalität denken und entsprechend lenken. Würde das Dieselprivileg für Frächter reduziert und Transportkosten dadurch steigen, wäre es betriebswirtschaftlich nicht mehr sinnvoll, Güter mehrmals quer durch Europa zu transportieren. (INTERVIEW: Eric Frey, 25.8.2022)