Rund 260 Anlagen produzieren in Österreich Biogas.

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Auf Gas aus eigener Produktion zu setzen, bleibt für Österreich bisher ein weit entfernter Traum. Nur rund zehn Prozent des Erdgases kommen bisher aus der Alpenrepublik selbst. Hoffnung auf mehr Unabhängigkeit beim Erdgas liegt jedoch auf Äckern, in Ställen und Mülltonnen. Wo es stinkt und fault, verbirgt sich Energie. Vielerorts verarbeiten österreichische Landwirtinnen und Landwirte nämlich Biomasse, Bioabfall und landwirtschaftliche Abfälle zu Biogas.

Das erneuerbare Gas entsteht, wenn pflanzliche oder tierische Biomasse vergärt, also von Mikroorganismen ohne Sauerstoff zersetzt wird. Im Gärprozess entsteht neben wertvollem Dünger das Biogas, das zu 50 bis 60 Prozent aus brennbarem Methan, aber auch aus CO2, Stickstoff und Schwefelwasserstoff besteht. Reinigt man das Gas, entsteht Biomethan – ein Stoff, der mit Erdgas chemisch identisch ist und sich ins Gasnetz einspeisen lässt. Angesichts hoher Energiepreise spitzen Politik und Wirtschaft daher die Ohren und Nasen.

In den Fermentern, den luftdichten Kuppeln, vergärt Biomasse zu Biogas.
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Anteil bisher gering

Aktuell deckt Biogas nur rund zwei Prozent des österreichischen Gasverbrauchs ab. Rund 260 Biogasanlagen sind hierzulande in Betrieb. Zum Großteil wird Biogas bisher direkt in Blockheizkraftwerken für Strom und Wärme genutzt. Bisher speisen in Österreich nur rund 15 Anlagen das aufbereitete Biomethan ins Gasnetz ein. Künftig soll sich das ändern, denn: Das Potenzial für Biomethan ist groß.

Wie groß, da gehen Einschätzungen auseinander. Rund zehn Prozent der Russland-Importe könnten bis 2030 durch heimisches Biomethan ersetzt werden, schätzt etwa das Economica-Institut für Wirtschaftsforschung. Bis 2040 könnten es demnach schon 20 Prozent sein. Die Österreichische Energieagentur (AEA) rechnet für 2040 mit einem realisierbaren Potenzial von zehn Terawattstunden für Biomethan aus heimischer Produktion – knapp elf Prozent des aktuellen Gasverbrauchs in Österreich.

Wie man es aber auch dreht: In Zukunft wird Biomethan hierzulande weder das russische Erdgas noch den gesamten Gasbedarf decken. Doch bisher nutzt Österreich das Biogaspotenzial ohnehin kaum.

Rechtlicher Rahmen fehlt

Historisch galt diese Energieform lange als zu teuer. In den vergangenen Jahren drängte der niedrige Erdgaspreis viele Biogasanlagen aus dem Markt. Zudem wurde lange zwar Ökostrom aus Biogas, aber nicht Biomethan gefördert. Derzeit entstehen kaum neue Anlagen. Das liegt vor allem daran, dass ein rechtlicher Rahmen fehlt. Und ohne gesetzliche Rückendeckung und Förderungen ist es schwierig, Anlagen zu finanzieren.

"Jede Bank will eine Garantie haben, dass der Betrieb länger als zwei Jahre läuft", sagt Norbert Hummel vom Biogas- und Kompost-Verband zum STANDARD. Eine Anlage rechne sich erst ab 15 bis 20 Jahren. Innerhalb von drei Jahren könne eine Investition nicht wieder hereingebracht werden. Die Branche brauche eine Gewähr vom Gesetzgeber, dass Biomethan auch in zehn Jahren noch eingesetzt wird – und eine langfristige Preissicherheit. Entsprechende Gesetze befinden sich derzeit noch in Abstimmung, heißt es in der Branche.

Für Raumwärme wenig geeignet

Ob Biomethan künftig Haushalte wärmt, sehen Biogasexperten wie Bernhard Wlcek von der AEA jedoch kritisch. Mit Wärmepumpen, Fernwärme oder Pelletheizungen gibt es für die Raumwärme längst bessere Alternativen. Zudem fehlt künftig die Infrastruktur, wenn Gasheizungen vermehrt ausgetauscht werden, wie es der Gesetzgeber vorschreibt. "Energieträger wie Biomethan sollten da eingesetzt werden, wo sie wirklich benötigt werden" sagt Wlcek. Die hohe Energiedichte von Biogas bietet sich etwa für hohe Temperaturen in der Stahl- und Eisenproduktion an.

Biomethan hat einen hohen Energiegehalt und ließe sich etwa in der Stahlproduktion nutzen.
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Für die Energiewende gilt Biogas dennoch als wichtiger Baustein. Im Gegensatz zu Solar- oder Windkraft kann Biogas saison- und wetterunabhängig produziert und gelagert werden. Zudem lässt sich das Gas klimaneutral gewinnen, da bei der Herstellung nur das CO2 freigesetzt wird, das vorher in den eingesetzten Rohstoffen gespeichert war. Dadurch entsteht kein zusätzliches CO2 – sofern für die Gasherstellung Reststoffe verwendet werden.

Nur durch Abfälle nachhaltig

Bei allen Vorteilen muss laut Wlcek trotzdem gewährleistet sein, dass das Treibhausgas Methan, das bis zu 80-mal schädlicher ist als CO2, von den Anlagen nicht in die Atmosphäre gelangt. Hier kann der Experte aber entwarnen: "Wir haben in Europa gute Standards, die das regeln, und wir haben das Bewusstsein in der Branche. Bisher hat man die Methanemissionen sehr gut unter Kontrolle."

Energiepflanzen wie Mais nur für Biogasanlagen anzubauen, sehen Umweltverbände äußerst kritisch.
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Wie nachhaltig Biogas insgesamt ist, hängt von den Rohstoffen ab, die genutzt werden. Viele Landwirte bauen extra für ihre Biogasanlage Energiepflanzen wie Mais an, die mehr Energie als Kuhdung oder Pflanzenresten liefern. Umweltverbände kritisieren Biogas daher häufig, in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion zu stehen. Zudem schaden Monokulturen aus Maispflanzen auf den Feldern der Artenvielfalt und den Böden. "Energiepflanzen zu nutzen ist aus ökologischer und ethischer Sicht nicht sinnvoll", sagt Wlcek. "Wir haben das Potenzial, Abfälle einzusetzen und sollten das auch tun."

Laut dem Biogasverband geht der Anteil nachwachsender Rohstoffe in der Biogasproduktion stetig zurück. Neuen Anlagen würden nur Abfälle, Sekundärrohstoffe und Industrieabfälle nutzen. Vernünftig umgesetzt könnte Biogas so künftig nicht nur einen Beitrag zur Energieunabhängigkeit, sondern auch zur Kreislaufwirtschaft leisten, sind sich die Experten sicher. (Florian Koch, 27.8.22)