Der weiblichen Alleinzuständigkeit für Pflege- und Familienarbeit versucht die Frauenpolitik seit Jahrzehnten entgegenzuwirken – doch nur zwei Prozent der Väter in Partnerschaften unterbrechen ihre Erwerbsarbeit für drei bis sechs Monate.

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"Arbeitszeitzufriedenheit im Sinkflug", titelt die Arbeiterkammer Oberösterreich (AK OÖ). Viermal pro Jahr veröffentlicht sie den Arbeitsklima-Index, der auf 900 persönlichen Befragungen beruht und die Stimmungslage der arbeitenden Bevölkerung einfangen soll. Die niedrige Zufriedenheit liegt aktuell nicht nur am fehlenden Optimismus, was die wirtschaftliche Entwicklung des Landes betrifft. Die Österreicher:innen würden auch gerne weniger arbeiten.

Zwischen 1997 und 2019 hätten nur zwischen fünf und acht Prozent der Vollzeitbeschäftigten den Wunsch geäußert, lieber in Teilzeit zu arbeiten, meldet die AK OÖ. Die Pandemie hat das nun drastisch verändert. In den vergangenen beiden Jahren ist der Wert auf 20 Prozent gestiegen. Und auch ein Geschlechterunterschied zeigt sich: Während es bei Frauen 25 Prozent sind, würden immerhin 16 Prozent der Männer gerne auf Teilzeit umsatteln.

Teilzeit in Frauenhand

Am Arbeitsmarkt hingegen erweist sich die Teilzeitquote in den vergangenen fünf Jahren als relativ stabil. Zwar lässt sich 2021 ein Anstieg ausmachen, doch der sei wenig aussagekräftig, erklärt Ulrike Huemer vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Bei der Arbeitskräfteerhebung sei es nämlich zu einer methodischen Umstellung gekommen.

Insgesamt arbeitet fast jede zweite Frau in Österreich in Teilzeit, bei den erwerbstätigen Männern ist es nur rund jeder Zehnte. Teilzeitarbeit liegt schon seit Jahrzehnten fest in Frauenhand, bei Müttern mit Kindern unter 15 Jahren liegt der Anteil sogar bei über 70 Prozent. Mit den entsprechenden Kosten: Das niedrigere Einkommen schreibt sich im Gender-Pension-Gap fort. Durchschnittlich 1.239 Euro Pension pro Monat haben Frauen 2021 erhalten, das sind 41,1 Prozent weniger als bei Männern.

Wiedereinsteigerinnen nach einer Familiengründung treffe aber auch eine Dequalifizierung, heißt es auf STANDARD-Anfrage aus dem Arbeitsmarktservice (AMS). Mütter, die etwa als Führungskraft tätig waren oder ein Team leiteten, könnten nach der Karenz oft nicht in ihre Position zurückkehren. Sie würden dann nach Stellen suchen, die eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie bieten. Branchen gelinge es unterschiedlich gut, die Führungskulturen in den Unternehmen entsprechend zu verändern.

Wertvolle Zeit

Der weiblichen Alleinzuständigkeit für Pflege- und Familienarbeit versucht die Frauenpolitik seit Jahrzehnten entgegenzuwirken – bisher mit wenig Erfolg. Nur zwei Prozent der Väter in Partnerschaften unterbrechen ihre Erwerbsarbeit für drei bis sechs Monate, die Zahl der männlichen Kinderbetreuungsgeld-Bezieher war zuletzt sogar rückläufig, berichtet die AK.

Männer wie Martin Hoffer*, die in Karenz gehen und freiwillig ihre Arbeitszeit reduzieren, sind in Österreich immer noch die Ausnahme. Hoffer ist als Gestalter beim Fernsehen tätig, aktuell arbeitet er 28 Stunden pro Woche und hält sich den Mittwoch frei. "Das ist großartig, ich habe eine Auszeit, kann auftanken und zugleich mehr Zeit mit unserem Kind verbringen", erzählt er im STANDARD-Gespräch. Statt das Kind nur noch ins Bett zu bringen, holt Hoffer es vom Kindergarten ab – während seine Partnerin arbeitet. Und auch für ein Ehrenamt findet der Mittvierziger an seinem freien Mittwoch Zeit.

Schon vor rund zehn Jahren hat er der 40-Stunden-Woche den Rücken gekehrt, auch in der Karenz hat Hoffer dafür gekämpft, in Teilzeit wiedereinsteigen zu können. Finanziell gehe sich das für die Familie "gut aus", erzählt Hoffer, der zusätzliche freie Tag sei für ihn nicht in Geld aufzuwiegen. "Zeit ist einfach das Wichtigste."

Flexibilität und Freizeit hoch im Kurs

Einen Wertewandel weg von Statusobjekten hin zu sinnvoll genutzter Zeit belegen internationale Umfragen indes seit Jahren. Insbesondere junge Menschen wollen ihren Job flexibel gestalten können und ihre persönlichen Werte auch am Arbeitsplatz wiederfinden. In einer 2021 veröffentlichten Umfrage der Leitbetriebe Österreich und der Lehrlingsinitiative Zukunft, Lehre, Österreich sagen rund 70 Prozent der 14- bis 29-Jährigen: "Ein Job, der mich erfüllt, ist/wäre mir wichtiger als ein gutes Gehalt."

Einen "klassischen Achtstundenjob" wünschen sich hingegen lediglich 42,5 Prozent. Im "Work Monitor" des Personaldienstleisters Randstad, der Daten aus 44 Staaten erfasst, messen wiederum 89 Prozent der österreichischen Befragten der Work-Life-Balance eine große Bedeutung zu. Diese Wünsche sind längst auch Thema in den Personalabteilungen.

Faktor Geld

Trotz alledem bleibt die freiwillige Reduktion der Arbeitszeit immer auch eine ökonomische Frage. "Selbst wenn der Betrieb mitspielt, brauche ich ein bestimmtes Einkommen, um überhaupt diese Wahlfreiheit zu haben", sagt Ökonomin Ulrike Huemer. Habe ich eine Partnerin oder einen Partner mit Erwerbseinkommen? Ist eine Kinderbetreuung vorhanden? Gibt es vielleicht vorhandenes Vermögen? All das spiele bei der individuellen Entscheidung eine Rolle.

Mögliche Flexibilität ist aber auch eine Frage der Branche und des Ausbildungsgrads. Während viele Angestellte die Arbeit im Homeoffice schätzen, das oft erst mit der Pandemie in Betriebe Einzug fand, mangelt es Arbeiter:innen viel eher an Spielraum. In der Randstad-Studie gaben 35 Prozent aller Befragten mit Kindern unter 18 an, dass sie in den vergangenen zwölf Monaten ihre Arbeit flexibler gestalten konnten, unter den sogenannten Blue-Collar-Workern waren es hingegen nur 23 Prozent.

Auch der Bildungsgrad spielte hier eine entscheidende Rolle: Menschen mit niedrigen Bildungsabschlüssen konnten ihren Arbeitsort am seltensten flexibel wählen, so das Ergebnis der Befragung.

Teilzeitbranchen

Teilzeit ist aber nicht immer eine Frage der gewünschten Arbeitszeit. In frauendominierten Branchen wie dem Handel oder auch in der Reinigung seien viele Jahre fast nur noch Teilzeitstellen geschaffen worden, berichtet das AMS. Mit dem akuten Arbeitskräftemangel im Dienstleistungsbereich könnte sich die Situation nun wieder ändern. Unter arbeitslosen Menschen, die das AMS regelmäßig befragt, zeigt sich ein deutlicher Geschlechterunterschied bei der gewünschten Arbeitszeit. So liegt der wenig ausgeprägte Wunsch nach Teilzeit unter arbeitslosen Männern bei 4,5 Prozent und ist zuletzt moderat gestiegen. Bei den Frauen hingegen ist der Teilzeittrend ungebrochen: 2022 suchen 40 Prozent bevorzugt einen Teilzeitjob.

Unternehmen, die beim AMS inserieren, würden allerdings wenige Teilzeitstellen ausschreiben. Als Reaktion auf den Fachkräftemangel ließen sich jene Jobanzeigen lesen, die Vollzeit und Teilzeit immerhin zur Wahl stellen – hier sei der Wert 2021 auf fast 30 Prozent gestiegen.

Der gegenwärtige Personalmangel, der so unterschiedliche Branchen wie die Gastronomie, Gesundheit und Metall massiv trifft, stärkt potenziell die Verhandlungsmacht von Arbeitnehmer:innen. Einzelne Unternehmen werben längst mit zusätzlichen Urlaubstagen oder auch mit einer freiwilligen Arbeitszeitverkürzung, so etwa die oberösterreichische Agentur E-Magnetix, die eine "30-Stunden-Woche bei Vollzeitgehalt" bietet. Doch sie bleiben Ausnahmen.

Statt einer Individualisierung fordern feministische Stimmen daher schon länger eine Arbeitszeitverkürzung für alle Erwerbstätigen. Das würde Frauen stärken und zu einer gerechteren Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit führen, so die Annahme.

2018 polarisierte das Frauenvolksbegehren 2.0 mit seiner Forderung nach einer "schrittweisen Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche bei variablem Lohn- und Personalausgleich". Eine Forderung, der die Wirtschaftskammer auch in Form der 35-Stunden-Woche eine klare Absage erteilt.

Die Gewerkschaft bringt indes verschiedene Modelle einer Arbeitszeitverkürzung immer wieder aufs Tapet – das könne auch zusätzlicher Urlaub sein. Heuer werde es aufgrund der rasanten Teuerung aber "wohl eher ums Geld" gehen, sagte ÖGB-Chef Wolfgang Katzian kürzlich im Interview mit Ö1. Für mehr Freizeit auf einen Teil des Gehalts verzichten – die Angst vor der nächsten Stromrechnung hat diese Frage vielfach verdrängt. (Brigitte Theißl, 26.8.2022)