Tinder, Bumble und Co sind mittlerweile eine gängige Form, um kurz-und längerfristige Beziehungen zu starten.

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Hinter den sieben Bergen – Es war einmal vor gar nicht allzu langer Zeit, dass Tinderella sich auf die Suche nach ihrem Prince Charming machte. Abenteuerlust und die Sehnsucht nach der großen Liebe führten sie aber nicht durch den verwunschenen Wald, sondern in den Appstore, wo sie unerschrocken sämtliche Dating-Apps herunterlud. Sehr zu Tinderellas Freude, war sie nicht die einzige auf der Suche nach einer märchenhaften Beziehung: von "1001 Nacht" bis "Eine Nacht und dann nie wieder" war alles dabei. Man würde meinen, bei 75 Millionen aktiven Nutzerinnen und Nutzern auf Tinder könnte sich der Traumprinz nicht lange verstecken … oder?

Ozzy Osbourne und "Gullivers Reisen" reloaded

Bevor man einen Prinzen findet, muss man viele Frösche swipen — und nicht nur Frösche, auch andere Tiere und Fabelwesen tummeln sich in der märchenhaften Welt des digitalen Datings. Nicht umsonst gibt es Studien zur statistischen Wahrscheinlichkeit von Matches für Männer, die Hundebilder in ihrem Profil haben.

Leons Tindermatch hatte anfangs auch noch eine gewisse Golden-Retriever-Energie. Das Match war freundlich, attraktiv und die Konversation eigentlich gut. Die Heilige Dreifaltigkeit der Dating-App-Erfahrung. Das Gefühl der Euphorie ließ allerdings bald nach. Noch vor einer Verabredung zum ersten Kaffee war Leons schreibendes Gegenüber unerwartet offen und hat die eigenen sexuellen Vorlieben und Fantasien kommuniziert. "Er hatte einen Riesenfetisch. Also, er fand die Vorstellung, dass ich mich während des Geschlechtsverkehrs in einen Riesen verwandle, sexuell erregend." Verwirrung, denn selbst wenn der Wille da gewesen wäre, hätte sich Leon bei der praktischen Umsetzung schwer getan. Um seine Aussage zu unterstreichen, macht er eine Handbewegung an seinem 175 Zentimeter großen Körper entlang. "Ich frag mich, wie man solche Vorlieben entdeckt?" Antwort wird er wohl keine bekommen, zu einem Treffen kam es nämlich nie.

Aber nicht immer muss der Fetisch riesig sein, durchaus sind auch kleinere Dinge prägend. Matthias hat sein Erlebnis bereits öfter erzählt, an Skurrilität verliert es durch die Wiederholung kein bisschen. "Mir hat vor einigen Jahren ein älterer Herr auf Grindr geschrieben, dass er mir 7.000 Euro für ein etwas anderes Date zahlen würde." Die Summe stimmte Matthias primär misstrauisch, jedoch dicht gefolgt von neugierig. Im Rückblick wäre Matthias wahrscheinlich lieber neugierig geblieben. Der Mann auf Grindr erklärte, dass es ihn sexuell reize, wenn er Matthias dabei zusehen dürfte, wie dieser einem kleinen, lebendigen Säugetier, er nannte beispielhaft eine Maus, den Kopf abbeißen würde. In der Nacherzählung lacht Matthias an dieser Stelle, damals hat er schockiert abgelehnt. "Er meinte dann noch, ich soll mich nicht sorgen, er lässt das Tier vorher abchecken, ob es eh gesund ist." Dass das Tier gesund sei, so Matthias, war seine geringste Sorge. Statt Traumprinz auf weißem Pferd gab es Ozzy Osbourne auf Wish und eine Kontoblockierung.

Von Stiefmüttern und Schwiegermamas

Auch andere Mütter haben schöne Söhne — die Frage ist: Will man diese Mütter als Schwiegermama? Der zentrale Bösewicht im Märchen ist oft weiblich und in zweiter Ehe dazugestoßen: die ominöse Stiefmutter. In der realen Welt ist das mit der Schuldzuweisung und dem Übeltäter nicht ganz so einfach, aber Anstand und Umgangsformen werden oft im Elternhaus erlernt, verborgenes Königreich hin oder her.

Bei Ellas letztem Tindermatch kam der giftige Apfel aber nicht von der bösen Stiefmutter, toxisch war ihr Date von ganz allein. Dabei verlief das erste Treffen und die anschließende Nacht zusammen gut. Über eine unbeantwortete Whatsapp-Nachricht am Folgeabend war ihr Match dann aber wenig erfreut und fasste seinen Unmut in Worte:

Match: Heast, warum antwortest du mir nicht?
Ella: Heast?
Match: Hure?
Ella: Schade.

Das Match erzählte schon zu einem früheren Zeitpunkt, dass er "nie seine Meinung sagen kann, ohne gleich blockiert zu werden". Meinung, kommt jedoch auch ohne Beschimpfung aus. "Ich hab ihn dann schlussendlich auch gesperrt", so Ella.

Zwar keine Bettgeschichte, aber ganz im Sinne von Frau Holle ist auch Bernadette bei einem Tinderdate 2021 aus allen Wolken gefallen, als dieser begann, an ihr zu riechen. "Das Date lief jetzt nicht berauschend, und das habe ich auch angesprochen, woraufhin er meinte, wir könnten uns einfach nicht riechen. Ich weiß nicht, ob er mir das auch noch beweisen wollte, aber dieser relativ fremde Mann hat dann einfach meine Hand genommen und angefangen, an mir zu schnuppern", so Bernadette. Das Zwischenfazit: Dann doch lieber Single.

Sind sieben auf einen Streich schon eine Orgie?

Das tapfere Schneiderlein hat sieben auf einen Streich erledigt, der tapfere Markus hat in den letzten sieben Jahren 300 erledigt. An das erste von 300 Dates (nicht alle über Dating Apps ausgemacht) kann er sich noch ziemlich genau erinnern. Ziemlich, weil der Alkohol reichlich geflossen ist und es ja immerhin schon sieben Jahre her ist. Sein erstes Date über Tinder endete auch tatsächlich im Bett. Allerdings stand in dem Raum noch ein zweites Bett. Das störte damals anscheinend nicht. Die schlafenden Personen im zweiten Bett wahrscheinlich schon. Markus erzählt von seiner Erfahrung mit einem hörbaren Schmunzeln. Dornröschenschlaf gab es für die Zimmergenossen in dieser Nacht keinen.

Von der ein oder anderen Person zu viel berichtete auch nochmals Bernadette. Ihr Bumbledate lud sie zu sich nach Hause ein. "Er hatte eine offene Beziehung. Das hab ich konkret mitbekommen, als ich die ganzen gerahmten Bilder von ihm und seiner Freundin in der Wohnung gesehen habe." Eine Hackordnung in der eigenen Beziehung kam für Bernadette nicht infrage. Die wahre Liebe will sie nicht teilen, da wartet sie lieber – ja, und wenn sie nicht gestorben sind, dann tindern sie noch heute. (Sophie M. Werner, 27.8.2022)