Daniel Ricciardo ...

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... und der MCL36, keine Liebesgeschichte.

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Ob im Schwimmbecken oder beim Grillen, ob in der Grünlandschaft Montanas oder vor dem berühmten Hollywood-Schriftzug in Kalifornien: Seinen Instagram-Bildern zufolge dürfte US-Fan Daniel Ricciardo die Sommerpause in der Formel 1 genossen haben. Vielleicht war es auch ein letztes Durchatmen. Denn kaum zurück, gab der Australier vor dem Grand Prix von Belgien (Sonntag, 15 Uhr, Servus TV) bekannt, dass er McLaren Ende der Saison verlassen werde. Der Abschied sei "ganz sicher bittersüß", sagte er in einem Video. Das Team habe sich aber "entschieden, eine Änderung für das nächste Jahr vorzunehmen".

Ricciardo verkündet seinen McLaren-Abschied.

Der Schritt kam nicht überraschend. Die Saison verlief wenig zufriedenstellend für den Sunnyboy. Druck und Kritik wurden wegen überschaubarer Ergebnisse größer, rissen nie ab. Das teaminterne Duell spricht Bände: Youngster Lando Norris führt im Qualifying-Duell mit 11:2 und hält bei 76 Weltmeisterschaftspunkten – Ricciardo hat gerade 19 Zähler. Zu wenig für einen – das hat er seinem Stallkollegen voraus – achtfachen Grand-Prix-Sieger, der das Traditionsteam nach vorn bringen sollte. Der sensationelle Triumph in Monza 2021 wurde nicht zur erhofften Initialzündung.

Mühsamer Untersatz

"Es ist sicherlich eines der am schwierigsten zu fahrenden Autos meiner Formel-1-Karriere", sagte Ricciardo zuletzt. Die Gründe dafür seien "kompliziert" und gar nicht so leicht zu identifizieren. Es könnte die Aerodynamik sein oder die Geometrie oder "etwas ganz anderes", beschrieb der Australier die schwierige Ursachensuche. In Spielberg monierte er fehlenden Grip. "Es kommt einfach einiges zusammen", sagte er dort dem STANDARD. Das wirke sich wiederum aufs Selbstvertrauen aus, das für seinen aggressiven Fahrstil aber unabdingbar ist.

Norris konnte sich an den MCL36, den er ebenfalls nicht als Traumboliden sieht, schneller anpassen. "Ich habe weniger Probleme mit der Instabilität des Autos, während Daniel ein stabileres Auto bevorzugt, das ein bisschen mehr zum Untersteuern neigt", erklärte der Engländer die unterschiedlichen Fahrstile. Teamchef Andreas Seidl bedauerte, dass er Ricciardo kein "besseres Auto" zur Verfügung stellen konnte. Erfahrung war hier eher nachteilig: "Vielleicht käme ich mit dem Auto besser zurecht, wenn es mein erstes in der Formel 1 gewesen wäre", sagte Ricciardo.

Grundspeed und die fehlende Konsequenz

Der Australier feierte sein Debüt in der Königsklasse 2012 für das spanische HRT-Team, ehe er sich Toro Rosso und 2014 Red Bull anschloss. "Der hat bei uns Vettel dominiert und hat mit Verstappen mitgehalten, aber ein Team kann er offenbar nicht anführen", sagt RB-Berater Helmut Marko über diese Zeit. "Sein Grundspeed ist vergleichbar mit dem von Max, aber es fehlt die allerletzte Konsequenz." 2019 wechselte Ricciardo zu Renault. Ob es ein Fehler war, Red Bull damals zu verlassen? "Nein", sagt der 33-Jährige. Natürlich sei das heutige Weltmeisterteam sportlich reizvoll, aber "es geht immer auch um andere Dinge. Es fühlte sich damals wie die richtige Entscheidung an."

Nun steht Ricciardo vor einer weiteren schweren Entscheidung. "Ich bin noch nicht sicher, was vor mir liegt. Das werden wir sehen." Das Personalkarussell in der Königsklasse ist in vollem Gang. Ausgelöst hat das Sebastian Vettel, der Ende der Saison bei Aston Martin Schluss macht. Ihm folgt Alpine-Fahrer Fernando Alonso nach. Alpine gab daraufhin Oscar Piastris Verpflichtung bekannt. Dieser wollte aber davon nichts wissen, distanzierte sich in einem kuriosen Tweet. Der Australier dürfte nun das zweite Cockpit bei McLaren bekommen. Und Ricciardo? Sky-Experte Ralf Schumacher sagte zuletzt: "Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, dass er nochmals eine Chance in der Formel 1 bekommt."

Die McLaren-Bilanz.

Offene Plätze gäbe es jedenfalls noch. Unter anderem eben bei Alpine. Für dieses Team, damals noch unter dem Namen Renault, fuhr Ricciardo bereits 2019 und 2020. Er heimste zwei Podiumsplätze ein. Der Kreis würde sich also schließen. "Ich glaube, dass ich immer noch in die Formel 1 gehöre und es schaffen kann", sagte der Routinier vor kurzem. Aber es gebe "noch ein paar Dinge" zu klären. Es bleibt zu hoffen, dass er im Urlaub genug Energie dafür getankt hat. (Andreas Gstaltmeyr, 26.8.2022)