Oberbank-Chef Gasselsberger erwartet für Österreich trotz Konjunkturabkühlung keine Rezession.

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Wien – Kein gutes Haar lässt Oberbank-Chef Franz Gasselsberger am Umgang der Regierung und der Europäischen Zentralbank (EZB) mit der hohen Inflation. "Es ist nicht richtig, das Thema mit der Gießkanne zu behandeln", sagt er mit Blick auf "wahllos verteilte Einmalzahlungen" der Regierung. Dies würde die Inflation sogar noch weiter befeuern. Vielmehr hält Gasselsberger eine fokussierte Unterstützung für das einkommensschwächste Drittel für angebracht. "Das Verteilen von Gutscheinen ist zu wenig", kritisiert der Bankchef, "die einzig gute Maßnahme der Regierung war die Abschaffung der kalten Progression."

Luft nach oben bei Zinsen

Nicht viel besser kommt die EZB weg, deren Geldpolitik und Kommunikation Gasselsberger als zögerlich, schwammig und missverständlich kritisiert. Die Notenbank müsse sich mehr ihrer eigentlichen Aufgabe, der Geldwertstabilität, widmen als den Bedürfnissen südeuropäischer Mitglieder. Bei den Zinsen sieht er noch Luft nach oben, im historischen Vergleich sei das Niveau noch sehr niedrig. Sollte die EZB den Leitzins von derzeit 0,5 auf 1,5 Prozent erhöhen, glaubt Gasselsberger, dass dieses Niveau für Kreditnehmer zu verkraften sei.

Auf der anderen Seite setze die Teuerung vielen Menschen bereits zu. "Sparen wird immer mehr zum Engpass bei privaten Haushalten", sagt Gasselsberger. Bei deren Kundeneinlagen verzeichnete die Oberbank im ersten Halbjahr nur noch ein Miniplus von 0,6 Prozent. Allerdings glaubt der Oberbank-Chef, dass die Inflation, die in Österreich im Juli 9,3 Prozent erreichte, ihren Höhepunkt bereits erreicht habe. Zur Begründung verweist er auf sinkende Rohstoffpreise außerhalb des Energiesektors sowie rückläufige Transportkosten.

Voest-Anteil weniger wert

Generell erwartet Gasselsberger, dass Österreich ohne Rezession durch die Konjunkturabkühlung kommt. Einen konkreten Ausblick auf das zweite Halbjahr will er wegen der Unsicherheiten aber nicht geben. Im ersten Halbjahr lief das operative Geschäft der Bank noch recht gut. Verluste brachten jedoch Beteiligungen – allein der Voest-Anteil wurde um 20 Millionen Euro wertberichtigt –, weshalb der Reingewinn in den ersten sechs Monaten des Jahres mit 86,4 Millionen Euro um 24 Prozent niedriger ausgefallen ist als 2021. (aha, 26.8.2022)