Bei Radrennen gelten laut dem Obersten Gerichtshof andere Regeln.

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Wer bei einem Radrennen in die Pedale tritt, denkt an vieles, aber wohl kaum an die Straßenverkehrsordnung (StVO). Genau das machte ein Sportler seinem Konkurrenten nach einem Unfall bei der Salzkammergut Trophy 2019 jedoch zum Vorwurf: Der Radfahrer hatte ihn beim Rennen an einer engen Stelle rechts überholt und dabei einen Sturz verursacht. Aber haftet er deshalb auch für die Verletzungen? Mit dieser Frage hat sich kürzlich der Oberste Gerichtshof beschäftigt (OGH 30.5.2022, 2 Ob 78/22t).

Enge Stelle

Der Traunuferweg in Bad Goisern, an dem das Rennen stattfand, war im Bereich der Unfallstelle nur ein bis 1,2 Meter breit. Der schnellere der beiden Radfahrer entschied sich dennoch dazu, den anderen, der sich eher links hielt, rechts zu überholen. Genau in diesem Moment zog der Vordermann allerdings ebenfalls nach rechts. Die beiden Rennfahrer touchierten, stürzten und verletzten sich.

Der Überholte verlangte vor Gericht daraufhin knapp 11.000 Euro. Sein Argument: Der Weg war für den öffentlichen Verkehr zum Zeitpunkt des Rennens nicht gesperrt. Den Teilnehmern wurde deshalb die Info erteilt, sie sollen sich während des Rennens an die Bestimmungen der StVO halten. Dass der Mann an einer derart engen Stelle überholte, sei zudem ein "atypischer Regelverstoß" gewesen, der zu einer Haftung führen müsse – auch bei Wettkämpfen. Anders formuliert: Eine gewisses Risiko ist mit Rennen immer verbunden. Wer an einer derart schmalen Stelle überhole, vergrößere dieses Risiko aber unnötig.

Typisches Risiko

Erfolg hatte der Mann mit seinen Argumenten nicht: Das Bezirksgericht Bad Ischl wies die Klage ab, der OGH bestätigte nun diese Entscheidung. Wären Radrennfahrer auf öffentlichen Straßen an sämtliche Vorschriften der StVO gebunden, würde das dem Sinn von Sportveranstaltungen zuwiderlaufen, heißt es in dem Beschluss. Allein die Tatsache, dass der Mann rechts überholte, könne ihm daher nicht zum Vorwurf gemacht werden. Dasselbe gelte für den geringen Seitenabstand.

Aber ging der Unfallhergang dennoch über das "typische Risiko" bei Radrennen hinaus, wie vom Kläger behauptet? Bei Wettkämpfen sind Handlungen, die im normalen Leben nur als "leichter Verstoß" gelten, nicht rechtswidrig. Gemeint sind damit übliche oder im Wettstreit typische Regelverstöße – etwa Fouls bei einem Fußballmatch. Eine Haftung besteht nur dann, wenn das Risiko, das in der "Natur der betreffenden Sporart" liegt, unnötig erhöht wird. Aus Sicht der Richter war das im aktuellen Verfahren jedoch nicht der Fall. (Jakob Pflügl, 25.8.2022)