Umweltaktivist Kaluki Paul Mutuku und Ministerin Leonore Gewessler diskutierten auf der Bischofer Alm in Alpbach auf 1300 Meter Seehöhe.

Foto: Christian Huber

Der Kontinent, auf dem am wenigsten Treibhausgase ausgestoßen werden, leidet am meisten unter den Folgen der Erderwärmung. An diesem Faktum ließ der kenianische Umweltaktivist Kaluki Paul Mutuku im Gespräch mit Klimaschutzministerin Leonore Gewessler am Rande des Europäischen Forums Alpbach keinen Zweifel. Dennoch findet Mutuku lobende Worte für Österreichs Klimapolitik. Für ihn sei die Eindämmung von Emissionen in Europa ebenso wichtig wie finanzielle und technische Hilfe für afrikanische Staaten.

"Jedes Land muss die Prioritäten für seine eigene Bevölkerung setzen", sagte der 29-jährige Kenianer, der seit seiner Jugend für Umweltschutz und Klimagerechtigkeit kämpft, im STANDARD-Interview auf einer Alm auf rund 1300 Meter Seehöhe. "Aber damit trägt Österreich auch zu globalen Lösungen bei. Eine progressive Politik in Europa kann als Inspiration für den Rest der Welt dienen."

Auch Gewessler sieht die historische Verantwortung der europäischen und nordamerikanischen Industriestaaten für den Anstieg der globalen Temperaturen, unter denen die Welt nun leidet. Deshalb liege auch die Hauptlast bei ihnen. "Unsere größte Aufgabe ist nun zu zeigen, dass es tatsächlich möglich ist, einen klimaneutralen Kontinent zu schaffen, der florieren und den Menschen ein gutes Leben bieten kann."

"Die Welt hat sich geändert"

Allerdings seien heute andere Staaten mit geringerem Prokopfeinkommen die größten Verursacher, zwar nicht in Afrika, aber in Asien und hier vor allem China, die auch ihren Beitrag leisten müssten. "Die Welt hat sich zwischen der Ära der Industrialisierung und dem heutigen Zustand geändert." Dies werde bei der kommenden Klimakonferenz COP 27 im ägyptischen Scharm El-Scheich im Dezember ein zentrales Thema sein.

Dort wird auch über das Ausmaß der finanziellen Zuwendungen an den Globalen Süden verhandelt und möglicherweise wieder heftig gestritten werden. Gewessler sieht darin einen Schritt zu mehr Gerechtigkeit und einen entscheidenden Beitrag im Kampf gegen die Klimakrise. Deshalb habe sie Österreichs Beitrag zum Green Climate Fund verfünffacht, wenn auch von einem sehr niedrigen Niveau.

Europa müsse Afrika helfen, den künftigen Energiebedarf mit erneuerbarer Energie statt mit der oft reichlich vorhandenen Kohle oder Öl zu decken. "Wir haben unsere eigene Industrialisierung auf fossile Energieträger aufgebaut", sagt Gewessler. "Das hat uns zwar wohlhabend gemacht, aber war rückblickend ein Fehler. Jetzt müssen wir dazu beitragen, dass andere Staaten diese Phase überspringen können und ihre industrielle Entwicklung gleich auf Erneuerbare und eine Kreislaufwirtschaft aufbauen."

"Wir können uns nicht herauskaufen"

Aber solche Zahlungen dürften nicht auf die Anstrengungen im eigenen Land gehen, fügt Gewessler hinzu. "Wir können uns aus den eigenen Hausaufgaben nicht herauskaufen. Wir müssen unsere Industrieprozesse und unsere Gebäude erneuern und können das nicht anderswohin delegieren."

Auch Mutuku sieht die Verantwortung für Afrikas Klimapolitik bei den eigenen Regierungen. So groß die Versuchung auch sei, Kohle abzubauen und zu verbrennen, müsse der Kontinent einen anderen Weg gehen. "Wir können unsere Krise nicht lösen, wenn wir auf dem Pfad bleiben, der uns dorthin geführt hat." Doch für eine Energiewende brauche man finanzielle Unterstützung und die Lieferung erneuerbarer Technologien, vor allem von Europa. "Wir müssen dafür bezahlt werden, dass wir einen Anstieg der Emissionen vermeiden und dieses Geld in grüne Technologien investieren", sagt Mutuku.

Doch die Unterstützer und Lieferanten aus dem Norden müssten auch darauf achten, dass die regionalen Umstände ausreichend bedacht werden. Das geschehe oft nicht genug, klagt Mutulu. "Wenn eine Anlage nicht funktioniert und wir sie nicht reparieren können, können wir sie ja nicht nach Europa zurückschicken. Wir müssen die Technologien an unsere Stakeholder anpassen, und es darf auch nicht zu teuer sein."

Dem Gespräch ging eine Diskussion voran, an der auch Manfred Stanek, CEO von Greiner Packaging teilnahm. (Eric Frey, 26.8.2022)