In den USA sollen Ausbildungsschulden zum Teil erlassen werden.

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Die Webseite für College-Kredite der US-Regierung brach zusammen, während es am Telefon kein Durchkommen bei der für die Rückzahlung staatlicher Ausbildungskredite zuständigen Organisation Nelnet gab. So groß war am Mittwoch das Interesse von Schuldnern, die sich erkundigen wollten, welche Konsequenzen die Ankündigung des Präsidenten für sie habe. Die Mitarbeiter des US-Bildungsministeriums konnten nicht viel mehr sagen, als was der vom Weißen Haus veröffentlichte Stufenplan des Präsidenten vorsieht.

Demnach sollen Schuldner je nach Einkommen 10.000 Dollar an staatlichen College-Hilfen erlassen bekommen, wenn sie weniger als 125.000 Dollar verdienen. Bei Verheirateten verdoppelt sich die Einkommensobergrenze. Ausbildungsschulden von Menschen, die zusätzliche Hilfen aus dem sogenannten Pell-Fördertopf für einkommensschwache Familien erhalten haben, dürfen 20.000 Dollar streichen.

Zudem soll die Rückzahlung der Studienhilfen auf fünf Prozent des Jahreseinkommens gedeckelt werden. Bisher mussten Schuldner bis zu 15 Prozent zurückzahlen. Gleichzeitig verlängerte US-Präsident Joe Biden das seit der Corona-Pandemie bestehende Moratorium und setzte fällige monatliche Ratenzahlungen bis Ende des Jahres zinsfrei aus.

Regelung per Dekret

Ob und wann die Entlastung greift, bleibt ungewiss. Statt den Schuldenerlass per Gesetz zu regeln, versucht der Präsident, dies per Dekret zu tun. Da die US-Regierung Gläubiger von 92 Prozent der 1,6 Billionen Dollar an ausstehenden College-Hilfen ist, sieht das Weiße Haus die Zuständigkeit in die Richtlinienkompetenz des Präsidenten fallen.

Biden sagte, seine Initiative ziele darauf ab, Chancen zu schaffen und die am stärksten betroffenen Familien zu entlasten. "Die Last ist besonders schwer für Schwarze und Latinos, die auf weniger Vermögen in ihren Familien zurückgreifen können."

Robert Kelchen von der University of Tennessee rechnet angesichts des massiven Widerstands der Republikaner gegen den Verzicht auf Rückzahlung von rund 300 Milliarden Dollar an Ausbildungsschulden wie viele andere mit Klagen, die bis vor den Supreme Court gehen können. "Ich gehe nicht davon aus, dass der Schuldenerlass in naher Zukunft Realität wird", erklärte Kelchen der Washington Post.

Kritik von beiden Seiten

"Bidens Ausbildungskreditsozialismus ist ein Schlag ins Gesicht jeder Familie, die Opfer gebracht hat, um für das College zu sparen", brachte der republikanische Minderheitsführer im Senat, Mitch McConnell, die Kritik der Republikaner auf den Punkt. Andere kritisieren, der Nachlass werde die Inflation zusätzlich anfeuern.

Progressiven Gruppen geht der Schuldenerlass nicht weit genug. Die Organisation Student Defense bemängelt etwa, dass die Maßnahme nichts tut, um die Wurzel der Ausbildungskrise anzugehen. Wer in seinem Bundesstaat ein staatliches College besucht, muss laut College Board im Jahr 9349 Dollar an Gebühren aufbringen. Privatunis kosten 38.070 im Jahr. Hinzu kommen in allen Fällen die Kosten für Unterkunft und Lebenshaltung.

In den USA schließen rund vier von zehn Amerikanern einen Bachelor ab. An öffentlichen Colleges liegt die Abbruchrate bei 50 Prozent. Etwa genauso hoch ist die Zahl der Studierenden, die angeben, sich das Studium nicht weiter leisten zu können. Letzteres erklärt, warum die Biden-Initiative fast 20 Millionen Menschen mit Ausbildungskrediten schuldenfrei macht. Sie lebten, wie der Präsident anmerkte, "in der schlechtesten aller Welten – Schulden und keinen Abschluss". (Thomas Spang aus Washington, 26.8.2022)