Nur ein kleiner Teil des Weizens landet direkt auf den Tellern – für Martin Frick (World Food Programme) einer von vielen Fehlern im System.

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Die Weltbevölkerung wächst und wächst – noch dieses Jahr wird die magische Grenze von acht Milliarden Menschen überschritten werden, schätzt die Uno in ihrer aktuellsten, kürzlich veröffentlichten Prognose. Auch wenn die Bevölkerung so langsam wächst wie noch nie, müssen Ende dieses Jahrhunderts zehn Milliarden Menschen versorgt werden – und das noch dazu möglichst klimafreundlich und -resilient.

Wie das gelingen könnte, war Thema des vom STANDARD präsentierten "Brown Bag Lunch" beim Europäischen Forum Alpbach am Donnerstag, bei dem Experten mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern diskutierten. "Als Student war ich noch viel besorgter über die Zukunft der Menschheit als heute", sagte Charles Godfray von der Oxford University. Der Zoologe und Populationsbiologe leitet dort unter anderem das Future of Food Institute. Die Bevölkerung wachse vor allem noch, weil Menschen nun älter würden – und nicht weil sie mehr Kinder bekämen. Das sei wiederum ein Zeichen von Wohlstand. Die Zahl der Erdbewohner werde sich Ende des Jahrhunderts bei rund zehn Milliarden einpendeln. "Wenn wir mutig genug sind, können wir diese leicht ernähren", so Godfray.

Mutigere Politik

Mutig sein heißt für ihn vor allem: mutige Politik machen. Großes Potenzial sieht er vor allem in der Änderung der Ernährungsweise. Politikerinnen und Politiker müssten endlich auch den absurd hohen Fleischkonsum in den industrialisierten Ländern ansprechen – auch wenn nicht jeder gleich Veganer werden müsse, wie Godfray, seinerseits Flexitarier, sagt. Durch verringerten Fleischkonsum würden nicht nur wertvolle Ackerflächen frei werden, sondern auch die Treibhausgasemissionen sinken. Denn der Klimawandel verstärkt auch den globalen Hunger – vor allem bei den Ärmsten.

Derzeit seien Konflikte immer noch der größte Treiber von Hungersnöten, sagt Martin Frick, Leiter des Büros des World Food Programme (WFP) in Berlin. Doch der Klimawandel sei ein "Bedrohungsmultiplikator", der Konflikte weiter anheize – wenn die Klimakrise nicht direkt für Hungersnöte verantwortlich ist wie aktuell in Äthiopien, wo eine Dürre über vier Millionen Nutztiere dahinraffte.

Ineffizientes System

Die Art, wie die Welt derzeit Lebensmittel produziert, sei "dreifach ineffizient", sagt Frick. Einerseits würden, zumindest in Deutschland, 60 Prozent der Weizenernte an Tiere verfüttert und weitere 16 Prozent als Biokraftstoffe verbrannt. Zudem würde rund ein Drittel der Lebensmittel in Industrieländern im Müll landen und in etwa die gleiche Menge im globalen Süden nach der Ernte verlorengehen – etwa durch fehlende Infrastruktur.

Würde man diese Probleme in Angriff nehmen, könnte die Welt auch über die Runden kommen, ohne mehr zu produzieren. Denn das Argument, dass es nur mit mehr geht, wird vor allem von Agrarkonzernen gern vorgebracht – oft zusammen mit einem Plädoyer für Gentechnik. "Gentechnik ist keine Wunderwaffe", sagte Godfray, könnte aber richtig eingesetzt sehr nützlich sein. Doch diese Entscheidung müsse die Gesellschaft treffen.

Aber auch ohne Gentechnik könnte man die Lebensmittelsysteme an vielen Stellen effizienter und damit klimafreundlich machen. So hat Indien etwa pro Liter Milch oder Kilogramm Rindfleisch eine der schlechtesten Treibhausgasbilanzen. Warum das so ist? "Oft fressen die Kühe im Grunde Müll vom Straßenrand", merkt Frick an. Mit besserem Futter könnte die gleiche Menge klimafreundlicher produziert werden. Auch im Ackerbau wird vielerorts noch mit veralteten Methoden produziert, die in Summe nicht nachhaltig oder effizient sind. (pp, 26.8.2022)