Brüssel – Mit Fäkalien verschmutzte britische Strände sorgen für Unruhe in der EU: Die Europäische Kommission sagte am Donnerstag, dass sie bald auf eine Beschwerde von drei französischen Abgeordneten des Europaparlaments reagieren werde. Diese hatten die Brüsseler Behörde aufgefordert, sich des Problems anzunehmen. Strände in Großbritannien waren zuvor durch nicht geklärtes Abwasser verschmutzt worden.

"Wir befürchten negative Auswirkungen auf die Qualität des Meerwassers" zwischen der EU und Großbritannien sowie für die Umwelt und Fischer, schrieben die französischen Europaabgeordneten Nathalie Loiseau, Pierre Karleskind und Stéphanie Yon-Courtin von der Liberalen-Fraktion. Sie forderten die EU-Kommission auf, "alle politischen und rechtlichen Mittel" zu nutzen, die ihr zur Verfügung stehen, "um die Situation zu beenden".

Ein Aktivist bei einem Protest gegen die Verschmutzung durch Abwässer vor der Downing Street in London.
Foto: AP/Augstein

Die Kommission kündigte an, sie werde bald auf die Beschwerde reagieren. Noch habe die Brüsseler Behörde dazu aber "keine Kontakte" zu den britischen Behörden gehabt, sagte ein Sprecher. Die britische Regierung wies die Vorwürfe zurück und bezeichnete sie als "schlicht nicht wahr".

Dutzende Strände gesperrt

Das Problem der Abwassereinleitungen war in Großbritannien zuletzt wieder in den Fokus gerückt. Wie die BBC berichtete, mussten in England und Wales in der vergangenen Woche dutzende Strände gesperrt werden, nachdem ungeklärtes Abwasser abgelassen worden war. Badegäste berichteten, beim Schwimmen in dem teils stinkenden und dreckigen Wasser Exkremente entdeckt zu haben.

Derzeit gibt es für fast 50 Strände eine Verschmutzungswarnung. Fachleute warnen, dass Schwimmen im offenen Wasser zu Magen-Darm-Erkrankungen und anderen Infektionen führen könnte. Die Aktivistengruppe Surfers Against Sewage meldete 654 Warnungen vor Kanalüberläufen, bei denen Abwasser in diesem Sommer von 171 Orten in England und Wales in Badegewässer gelangte.

Starkregen nach Trockenheit

Nach starkem Regen, der auf wochenlange Trockenheit folgte, hatten britische Wasserversorgungsunternehmen zur Vermeidung von Überschwemmungen nicht geklärtes Abwasser ins Meer und in Flüsse geleitet.

Nicht funktionierende Überwachung

Britische Abwasserunternehmen geraten immer schärfer in die Kritik. Wie eine Auswertung von Daten der Umweltbehörde Environment Agency durch die oppositionellen Liberaldemokraten ergab, funktionieren zahlreiche Anlagen, die die Einleitung von Abwässern in Seen, Flüsse und das Meer überwachen, nicht oder sind nicht wie vorgesehen installiert. Rund ein Viertel aller Abwässer sei im vergangenen Jahr unüberwacht eingeleitet worden, hieß es.

Der Umweltaktivist Stanley Johnson, Vater von Premierminister Boris Johnson, kritisierte im Gespräch mit seiner Tochter Rachel Johnson im Radiosender LBC die Regierung scharf. Sie habe sich nicht ausreichend darum gekümmert, die Unternehmen zur Verantwortung zu ziehen. Der umweltpolitische Sprecher der Liberaldemokraten, Tim Farron, warf den Firmen schweres Versagen vor. "Dies ist ein nationaler Skandal, und diese neuen Zahlen stinken nach Vertuschung", sagte Farron. "Großbritanniens Badeorte werden von verschmutzten Abwässern überschwemmt, doch die Regierung lässt sich nicht blicken."

Zuvor hatte bereits die oppositionelle Labour-Partei unter Berufung auf Daten der Environment Agency mitgeteilt, dass die Menge ungeklärter Abwässer zwischen 2016 und 2021 beinahe um das Dreißigfache gestiegen ist. Der zuständige Staatssekretär Steve Double forderte die Unternehmen auf, die Menge der ungeklärten Abwässer radikal zu senken. Die Regierung habe bereits zahlreiche Maßnahmen getroffen, um das Problem zu lösen und die Wasserqualität zu verbessern. Ein Sprecher von Anglian Water sagte, das Unternehmen habe hunderte Millionen Pfund investiert – und fast alle Badestrände in der Region zeigten gute Werte. Von den anderen Unternehmen gab es zunächst keine Kommentare. (red, APA, 26.8.2022)