Das Fahrzeug steht auf den Schienen.

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St. Johann – In St. Johann in Tirol im Bezirk Kitzbühel ist es Freitagfrüh im Bereich des Bahnhofs zu einem Polizeieinsatz gekommen. Ein verdächtiges Fahrzeug, das zuvor nach einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle in Wörgl im Bezirk Kufstein über die Loferer Straße (B 178) geflüchtet und verfolgt worden war, stand dort auf einem Gleis. Daraufhin kam es zu einer Schussabgabe durch Polizisten. Dabei wurde ein 14-jähriger Verdächtiger verletzt.

Bei einem Polizeieinsatz in Tirol wurde ein 14-Jähriger durch Schüsse verletzt.
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Zwei weitere Beschuldigte, ein ebenfalls 14-Jähriger und ein 13-Jähriger, flüchteten laut Polizei zunächst zu Fuß. Sie wurden aber schließlich unweit vom Tatort nahe eines Hotelkomplexes vom Einsatzkommando Cobra festgenommen. Der verletzte 14-Jährige befindet sich nicht in Lebensgefahr. Er erlitt zwei Verletzungen, wurde zunächst in das Krankenhaus St. Johann gebracht und dann in die Innsbrucker Klinik überstellt.

Neun Einschusslöcher im Auto

Das Fahrzeug sei bereits zwei Tage vor der Verfolgungsjagd entwendet und unbefugt in Gebrauch genommen worden, sagte Katja Tersch, Leiterin des Landeskriminalamts Tirol am Freitagnachmittag im Rahmen einer Pressekonferenz. Als die Polizei das Fahrzeug kontrollieren wollte, sei dieses losgefahren. Wolfgang Weniger von der LPD Tirol erklärte im Rahmen der Pressekonferenz, dass es dann zu einer Verfolgungsjagd mit stark überhöhter Geschwindigkeit und äußerst riskanter Fahrweise seitens der Verfolgten gekommen sei, dabei sei auch eine von der Polizei in Going errichtete Straßensperre umfahren worden.

In St. Johann fuhr das Fahrzeug am Bahnhof auf den Gleiskörper und blieb stehen. Die Polizisten hätten in der Folge ihr Fahrzeug verlassen und sich dem entwendeten Fahrzeug genähert. Dann hätten die Beamten laut ersten Aussagen einen sehr lauten Knall gehört, weshalb es zu einer Schussabgabe gekommen sei, so Weninger. Neun Einschusslöcher wurden in dem Auto gefunden. Nach den Schüssen verließen ein 13-Jähriger und ein 14-Jähriger das Auto und versuchten zu flüchten, wurden jedoch rasch festgenommen.

Keine Waffen bei Verdächtigen gefunden

Ein 14-Jähriger, der an der Schulter und an der linken Handfläche durch die Schüsse verletzt wurde, wurde von der Polizei im Auto aufgefunden. Er habe sich nie in Lebensgefahr befunden. Die Beamten hätten erste Hilfe geleistet und sofort die Rettungskette in Gang gesetzt, sagte LKA-Leiterin Tersch. Man habe bei den Verdächtigen und im Auto keine Waffe gefunden, sagte sie. Zwei Reifen des Autos waren gänzlich defekt, ob dies den von den Polizisten behaupteten Knall ausgelöst habe, sei unklar.

Die Frage, ob die Handlung der Beamten überschießend war, wollte Tersch unter Verweis auf weitere anstehende Ermittlungen und Befragungen nicht sagen. Wie in solchen Fällen üblich, übernehme nun ein anderes Landeskriminalamt die Untersuchungen, in diesem Fall jenes von Kärnten. Jedenfalls gelten für Beamte strenge Richtlinien nach dem Waffengebrauchsgesetz, betonte Martin Reisenzein, Bezirkspolizeikommandant von Kitzbühel. Bei den beiden Polizisten handle es sich um solche mit fünf beziehungsweise 36 Jahren Diensterfahrung.

Anwalt pocht auf unabhängige Untersuchungsbehörde

Der Fernsehsender Puls 24 interviewte zu dem Vorfall den auf Grund- und Menschenrechte spezialisierten Anwalt Clemens Lahner. Einzelne Aspekte, die man bisher kennt, sprechen dem Anwalt zufolge dafür, dass die Schussabgabe rechtswidrig gewesen sein könnte. Wenn das Auto schon nicht mehr fahren konnte, dann habe das Auto wohl in der Situation keine Gefahr für die Polizisten mehr dargestellt. In der Regel stelle außerdem ein 14-Jähriger keine solche Gefahr dar, dass nichts anderes helfe und man auf ihn schießen müsse. Die Polizei habe allerdings bekanntlich behauptet, sie habe nicht gewusst, wie alt die Menschen in dem Auto waren.

Lahner brachte im Zusammenhang mit den Ermittlungen auch erneut die Forderung nach einer unabhängigen Untersuchungsstelle ins Spiel, die derartige Fälle untersuchen kann, damit nicht die Polizei selbst, wenn auch aus einem anderen Bundesland, das Handeln der Polizei kontrolliert: "Allein schon vom Anschein macht es einen Unterschied, ob eine Polizeibehörde eine andere Polizeibehörde untersucht oder ob eine unabhängige Behörde das macht." (APA, red, 26.8.2022)