"Nachdem man gesehen hat, die Leute zahlen", seien Anwalt Marcus H. und seine Mandantin Eva Z. auf einen "vollautomatisierten" Prozess umgestiegen, glaubt Peter Harlander.

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Wien/Groß-Enzersdorf – Der Streit um offenbar tausende Mahnschreiben, die der niederösterreichische Rechtsanwalt Marcus Hohenecker wegen Datenschutzverletzungen an Website-Betreiber ausgesendet hat, weitet sich aus. Der Betroffenen-Anwalt Peter Harlander will mit seiner Kanzlei Strafanzeige wegen gewerbsmäßigen Betrugs einbringen. Er will hinreichend Beweise gesammelt haben, dass die Mehrzahl der betroffenen Websites nicht persönlich von der Mandantin Hoheneckers besucht, sondern vollautomatisiert ausgelesen worden sei. Zudem gebe es Hinweise darauf, dass eine EDV-Firma daran mitgewirkt habe. Der selbsternannte "Datenschutzanwalt" Marcus Hohenecker hatte als Rechtsvertreter seiner Mandantin Eva Z. bis zu 10.000 Schreiben ausgesendet, in denen er von Website-Betreibern 190 Euro für den nicht datenschutzkonformen Einsatz von Google-Schriftarten einforderte.

Softwarefehler legen die Fährte

Laut Peter Harlander deuten Dokumentationen von Betroffenen und IT-Firmen darauf hin, dass in einer ersten Phase Websites tatsächlich persönlich besucht worden sein. Erst danach – "nachdem man gesehen hat, die Leute zahlen" – habe man auf einen vollautomatisierten Prozess umgestellt, bis hin zum Verfassen der Anwaltsschreiben. Dabei seien unter anderem die Crawling-Software Scrapy und der Impressums-Crawler von Net Estate eingesetzt worden. Zu letzterem führe die Spur, da beim Auslesen der Impressumsangaben teilweise Fehler passierten, die sich beim testweisen Einsatz der Software reproduzieren ließen.

Automatisierung vom Screenshot bis zum Serienbrief

Auch Screenshots seien in großer Zahl automatisch erstellt und vor dem Versenden des Schreibens nicht mehr überprüft worden. So seien nämlich auch Screenshots von Websites im Wartungsmodus entstanden. "Wir kennen den Server, von dem aus das gemacht wurde, und unter Umständen eine EDV-Firma, die daran mitgewirkt hat", erklärt Harlander. Er vertritt mittlerweile über hundert Betroffene in der Causa. Neben der Strafanzeige will Harlander eine Disziplinaranzeige an die Rechtsanwaltskammer Niederösterreich richten. Diese hatte schon vor einigen Tagen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, um eine etwaige disziplinarrechtliche Verfehlung festzustellen.

"Eine Software hat kein Recht auf Datenschutz"

An die Mandantin des "Datenschutzanwalts", Eva. Z., soll die Aufforderung ergehen, das "Nichtbestehen der Ansprüche anzuerkennen und bereits bezahlte Beträge zurückzuüberweisen". Ursprünglich war Harlander der Auffassung gewesen, dass die Ansprüche der Mandantin Eva Z. zu Recht bestünden, da tatsächlich viele Websites nicht datenschutzkonform aufgebaut seien. Da sie aber Harlanders Auffassung zufolge die Websites nicht selbst besucht habe, sondern das eine Software erledigt habe, könnten auch keine Ansprüche bestehen: "Eine Software hat kein Recht auf Datenschutz."

Auch Websites, die sich zum Zeitpunkt des Besuches im Wartungsmodus befanden, waren von den Abmahnungen betroffen.
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"Datenschutzanwalt" hält an Position fest

Anwalt Marcus Hohenecker, gegen den die Vorwürfe ergehen, meinte im Gespräch mit dem STANDARD, ihm lägen keine Informationen vor, wonach die Websites ausschließlich in sehr kurzer Zeit besucht worden seien. Auch mache es keinen Unterschied, welcher Mittel sich seine Mandantin dabei bedient habe. Zudem würde das keinen Unterschied machen: "Man bedient sich wohl immer einer Software, um aufs Internet zuzugreifen, sonst könnte man das gar nicht." Zwar könne es sein, dass der Anspruch seiner Mandantin nicht bestehe, wenn die Software "auf eine bestimmte Art und Weise ausgestaltet" sei. "Aber warum sollte das dann Betrug sein?" Die Vorwürfe seien eine "sehr dünne Suppe, die nur dazu dient, meine Mandantin zu delegitimieren".

Auch die Grazer Rechtsanwälte Harald Christandl und Jochen Eberhardt haben mittlerweile bei der Staatsanwaltschaft Graz eine Sachverhaltsdarstellung eingebracht. (Michael Windisch, 26.8.2022)