Ferdinand Feldhofer gilt als akribischer Arbeiter. Sollte Rapid gegen Sturm verlieren, wird es für den Trainer eng.

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Sportchef Zoran Barisic hat viel aufzuarbeiten. Erfolge sind logischerweise der einzige Weg aus der Krise.

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Rapid hat den Durchbruch geschafft. In Liechtenstein. Die Hütteldorfer haben sich endgültig in die Herzen des auch auf der Fußballlandkarte winzigen Fürstentums der Briefkastenfirmen gespielt. Erstmals hat sich ein Klub aus dem sechstkleinsten Staat der Erde, konkret der FC Vaduz, für eine europäische Gruppenphase, jene der Conference League, qualifiziert. Rapid sei Dank, auf das 1:1 auswärts folgte ein 0:1 in Wien. "Manchmal", sagte der nahezu sprachlose Trainer Ferdinand Feldhofer, "gewinnt der Underdog." In diesem Fall der Vorletzte der zweiten Schweizer Liga. Die Freude des FC Vaduz rührte, Coach Alessandro Mangiarratti kündigte einen immensen Bierverbrauch an und sagte: "Man kann nicht von Glück reden, über zwei Spiele haben wir Rapid nichts gestohlen." Und genau das war strafverschärfend.

Zoran Barisic, der Geschäftsführer Sport, bestätigte das am Tag danach dem STANDARD. Ihm war die Fassungslosigkeit anzuhören. "Der Stachel sitzt tief. Das Schlimme ist, dass wir verdient gescheitert sind." Es rumort und kocht in Hütteldorf. Das Pfeifkonzert der 15.100 Fans war keine Sinfonie, einige der Erbosten vom Block West taten nach Schlusspfiff ihren Unmut kund, indem sie die VIP-Tribüne stürmten. Es blieb bei Schreiduellen. Am Freitagabend zogen Präsident Martin Bruckner und Wirtschaftsgeschäftsführer Christoph Peschek laut Berichten der "Krone" und "Österreich" Konsequenzen, sie werden demnach ihre Ämter niederlegen. Der Klub wollte das weder bestätigen noch dementieren.

Die Latte

Rapid, der Traditionsverein schlechthin, neigt zum Extremen. Die Erwartungen sind traditionell ausufernd, man legt sich die Latte selbst hoch, um diese dann mit bewundernswerter Konsequenz zu reißen. Die Vergangenheit dominiert die Gegenwart, seit dem Meistertitel 2008 harrt die Trophäensammlung ihrer Erweiterung. Neun Trainer wurden seitdem verbraucht, Feldhofer ist der zehnte. Barisic: "Es kann nur Ruhe einkehren, wenn es Erfolge gibt. Siege sind die einzige Lösung. Speziell bei Rapid."

Vor dieser Saison fand ein Umbruch statt, zehn neue Kicker wurden verpflichtet. Maximal drei davon, nämlich Nicolas Kühn und mit Abstrichen Guido Burgstaller und Patrick Greil, sind vorerst keine klaren Schwächungen. Der Kader wurde aufgebläht, um unfallfrei auf drei Hochzeiten – Meisterschaft, Cup und Europacup – zu tanzen. Jetzt sind es nur mehr die zwei nationalen. "Der Kader ist nun zu groß", stellt Barisic fest. Das Transferfenster schließ sich am 31. August, die Nachfrage nach Rapidlern ist begrenzt. Wer will Gescheiterte? Barisic schließt Abgänge trotzdem nicht aus. Herschenken ist kein Thema, diesen Reststolz wird und muss sich Rapid immer bewahren.

Die Mechanismen sind längst in Gang gesetzt. Natürlich ist der 42-jährige Feldhofer angezählt. Wobei Barisic, der sich keiner persönlichen Fehler bewusst ist ("Mir fällt nichts ein"), die Trainerdiskussion vermeidet. Wobei ihm klar ist, den Lauf der Dinge schwer stoppen zu können. Er kennt das Geschäft. Feldhofer geht es darum, "schnell wieder aufzustehen, Lösungen zu finden, an der Einstellung lag es nicht". Am Sonntag kommt Sturm Graz auf Besuch. Das klingt nicht nach Auferstehung, aber im Fußball kann ja der Underdog gewinnen.

Eine Gelse

Bei Rapid ist keine Spielentwicklung erkennbar. Feldhofer rotiert häufig, Kritiker meinen, beliebig. Die Effizienz ist ausbaufähig, Rapid versprüht die Gefahr einer halbseitig gelähmten Gelse. Der Liechtensteiner Keeper Benjamin Büchel musste nur unpräzise Flankenbälle fangen. Natürlich hat der Ausschluss von Kevin Wimmer in der 35. Minute die Sache erschwert, aber dafür konnte nur Wimmer etwas. Auf dem Feld ist keine Hierarchie erkennbar. Leute wie Yusuf Demir benötigen Hilfe, aber von wem soll sie kommen? Ein 4-4-2-System ist nicht das Gelbe vom Ei, ein 4-2-3-1 würde wohl besser passen. Aber darüber soll sich Feldhofer, ein akribischer Arbeiter, den Kopf zerbrechen.

Immerhin hat Rapid endlich ein schmuckes Trainingszentrum im Prater. Der Klub stellt die meisten Fußballer in diversen österreichischen Auswahlen (vom A-Team abgesehen), das reicht nicht, um Vaduz auszuschalten. Die besten zieht es ins Ausland, ehe sie in Hütteldorf durchgestartet sind. Siehe Emanuel Aiwu, Leo Greiml oder Robert Ljubicic. Transfererlöse sorgten dafür, dass der Verein wirtschaftlich gesundet ist. Sportlich klafft ein Loch.

Für Burgstaller ist klar, dass nun alles hinterfragt wird. "Es wird nicht leichter." Barisic wiederholt sich: "Die Zeit, die man braucht, bekommt man nicht. Und bei Rapid schon gar nicht. Ja, es kocht."

Am Sonntag nimmt sich übrigens Teamchef Ralf Rangnick Zeit. Er kommt zur Sturm-Partie ins Allianz-Stadion. Schon wieder ein Durchbruch für Rapid. (Christian Hackl, 26.8.2022)