Es war ein kurzes Vergnügen. Gerade mal eine Woche war der Hofwaldtrail in Innsbruck geöffnet – Kostenpunkt 120.000 Euro. Was der Rückbau kosten wird, ist offen.

Foto: Mathias Prägant - Trailbauers

Innsbruck/Schilda – Am Freitag trat der Gemeinderat der Stadt Innsbruck zu einer Sondersitzung zusammen, die vier Stunden dauern sollte und in der höchst emotional diskutiert wurde. Nicht über das Thema Teuerungen, nicht über Pandemiemaßnahmen oder Arbeitsmarktpolitik, sondern über einen drei Kilometer langen Mountainbiketrail. Die Stadt Innsbruck, unter Federführung des ressortzuständigen ÖVP-Vizebürgermeisters Johannes Anzengruber, hatte den Bau des gegenständlichen Trails im Jahr 2021 beschlossen und dafür 120.000 Euro ausgegeben. Hintergrund ist das seit Jahrzehnten fehlende legale Trailangebot in der "Hauptstadt der Alpen". In der Vorwoche wurde der Hofwaldtrail endlich eröffnet. Und nun wird er wieder geschlossen, er muss gemäß Gemeinderatsbeschluss sogar teils rückgebaut werden. Zum Preis von erneut 40.000 Euro wird irgendwann ein Teil neu errichtet – wann das passieren wird, steht allerdings in den Sternen, denn dazu muss die Streckenführung neu verhandelt und bewilligt werden. Was der Rückbau kosten wird, ist ebenfalls nicht bekannt.

Grund für die Aufregung und die Kosten: Der Mountainbiketrail quert an einer Stelle einen Wanderweg, der dem verstorbenen Bischof Reinhold Stecher gewidmet ist. Übrigens zeitlebens ein erklärter Freund der Jugend und des Bergsports, dessen gelebter Grundsatz "der Geist des Miteinanders" war. Doch Pilger auf diesem Weg würden sich nun dadurch gestört fühlen, wenn im nahen Wald Radfahrer zugegen sind, lautete die Argumentation des lokalen Pfarrgemeinderates, der sogar eine Unterschriftenaktion und Bürgerinitiative gegen den Trail startete. Politisch sekundierte den Trail-Kritikern Gerald Depaoli, ein Rechtspopulist mit eigener Ein-Mann-Liste im Innsbrucker Gemeinderat. Nach der Abstimmung zeigte er sich erfreut über diesen "Sieg der Vernünftigen". Zuletzt wurde von bislang unbekannten Gegnern des Trails übrigens versucht, Mountainbiker durch Sabotageakte zu verletzen, wenn sie die Strecke benutzen.

Geschickter Rechtspopulist treibt andere vor sich her

Depaoli agierte mit politischem Geschick. Erst machte er Ende Juli – dafür ist er in Innsbruck bekannt – Stimmung mit aufgeregten Facebook-Videos gegen "die Radfahrwilden" (sic!) und ihren Trail. Zu diesem Zeitpunkt war die Strecke, die sämtliche naturschutz- und forstrechtlichen Genehmigungen erhalten hatte, bereits fast fertig gebaut. Mit seinem derben Online-Protest trieb er ÖVP-Vize Anzengruber gekonnt vor sich her, bis dieser schließlich einknickte und einen Baustopp verhängte. Anzengruber begründete dies damit, dass die gebaute Strecke von der geplanten Route abweiche. Eine nachweislich unwahre Behauptung, denn es existiert sogar ein Foto des Vizebürgermeisters, auf dem er stolz den damals noch am Papier geplanten Trail präsentierte. Er selbst hatte ihn abgesegnet, und zwar in genau der Streckenführung, die er später als abweichend darstellte. Bürgermeister Willi griff ein, hob den Baustopp – stadtrechtskonform – wieder auf und ließ den Trail fertigstellen. Seitdem herrscht Eiszeit zwischen ihm und Anzengruber.

Am Freitag – Anzengruber war beim kurzfristig einberufenen Sondergemeinderat nicht anwesend – räumte sogar sein ÖVP-Klubobmann Christoph Appler ein, dass bei der Planung wohl ein Fehler passiert sei. Dass sich Pilger am Bischofsweg daran stören würden, wenn in der Nähe ein Mountainbiketrail im Wald verläuft und diesen Weg auch einmal quert, habe man nicht bedacht. "Man kann auch gescheiter werden", rechtfertigte Appler die wechselnden Positionen des Vizebürgermeisters. Dass dieser ÖVP-Lernprozess die Steuerzahler mehrere zehntausend Euro kosten wird, nehme er in Kauf: "Das sind uns die Höttinger wert."

FPÖ ist grundsätzlich gegen legale Strecken

Noch konsequenter zeigte sich die FPÖ mit ihrem Vizebürgermeister Markus Lassenberger. Der erklärte, dass seine Partei prinzipiell gegen die Schaffung legaler Strecken ist, und er habe auch im Stadtsenat als Einziger schon 2021 gegen den Hofwaldtrail gestimmt. Ihm seien die bestehenden zwei Strecken in der Landeshauptstadt schon zu viel. "Was kann Innsbruck an Trails aushalten?", stellte er fragend in den Plenarsaal. Lassenberger verwies auf die Nachbargemeinden, in denen es keinen einzigen legalen Trail gibt, als Best-Practice-Beispiele. Deren Weigerung rühre nämlich daher, so Lassenbergers Logik, dass diese Gemeinden sehen würden, dass in Innsbruck, wo es bereits zwei legale Strecken gibt, trotzdem ständig Konflikte ums Biken entstehen. Überhaupt, so der FPÖ-Politiker, sei es ein falsches Signal, die Schaffung legaler Strecken damit zu argumentieren, dass sonst illegal im Wald gefahren werde. Man würde ja auch keine Tempolimits verändern, nur weil Autofahrer auf einer Strecke ständig zu schnell fahren.

Dass es wissenschaftliche Untersuchungen gibt, die belegen, dass mit der Schaffung legaler Trails das von Lassenberger beklagte Problem illegaler Strecken beseitigt würde, beeindruckte ihn wenig. Der Innsbrucker Arzler-Alm-Trail ist mit mehr als 40.000 Fahrten pro Jahr der meistbefahrene Trail Österreichs und längst an seiner Belastungsgrenze angelangt. Daraus abzuleiten, dass es mehr Angebot brauche, hält Lassenberger für unzulässig. Man habe sich an geltende Regeln, sprich das allgemeine Radfahrverbot im Wald, zu halten. Auch und vor allem die Mountainbiker, betonte der Vertreter jener Fraktion, die in den vergangenen zwei Jahren gegen sämtliche Pandemieregeln mobil gemacht hat.

SPÖ schämte sich und stimmte dennoch mit

Auch die SPÖ in Person ihrer Gemeinderätin Irene Heisz meldete sich in der hitzigen Diskussion, in der es Ordnungsrufe setzte und mehrfach Anzeigendrohungen gebrüllt wurden, kurz zu Wort. Sie schäme sich, dass im Gemeinderat derart über einen Radweg gestritten werde. Nur um dann ebenfalls für die Sperre und den Rückbau des Trails zu stimmen. Mit einem "Kasperltheater" verglichen die Neos den Gemeinderat angesichts des mehrstündigen Schlagabtausches. Sie stimmten gegen die Sperre.

Die ehemalige Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer (FI), die als Hauptverantwortliche des Millionendebakels im Zuge des Patscherkofelbahn-Neubaus ihr politisches Waterloo erlebt hatte, schaltete sich ebenfalls mit einem eigenwilligen Beitrag in die Diskussion ein. Sie beklagte, dass in der Nachbargemeinde Mutters, wo der Bikepark Innsbruck betrieben wird, das Wandern in eben diesem Bikeparkgebiet "nicht mehr fein" sei. In logischer Konsequenz dieser ebenso logischen Feststellung vertrat Oppitz-Plörer die Position, dass doch die anderen Gemeinden Trails bauen sollen. Wie komme denn Innsbruck dazu, Strecken für ganz Tirol anzubieten? FI stimmte natürlich ebenfalls für Sperre und Rückbau.

Bürgermeister Willi im Kreuzfeuer der rechten Kritik

Bürgermeister Georg Willi (Grüne) hatte die meiste Zeit den Vorsitz im Sondergemeinderat. Die innere Verzweiflung ob des dargebotenen Schauspiels war ihm anzusehen. ÖVP, FI, SPÖ und FPÖ nutzten die oft entgleisende Sitzung immer wieder für Attacken gegen den ihnen unliebsamen Stadtchef, nur um ihm dann im selben Atemzug seine schlechte Vorsitzführung vorzuwerfen. Seit die Viererkoalition in der Stadt zerbrochen ist, herrscht das "freie Spiel der Kräfte", wie sich an diesem Freitag einmal mehr unschön gezeigt hat. Überhaupt wolle sich Willi mit diesem Trail nur die Stimmen der Studenten sichern, lautete einer der absurden Vorwürfe. Denn in Innsbruck hält sich in gewissen politischen Kreisen die Meinung, Willi sei nur deshalb Bürgermeister, weil ihn "die vielen deutschen Studenten" gewählt hätten.

Am Ende der fast vierstündigen Streiterei, die einem Niveaulimbo mit mehreren Ex-aequo-Siegern glich, unternahm Willi einen letzten Konsensversuch: den unteren Teil des Trails, der sich in der Nähe des Wanderweges befindet, neu bauen. Aber bis das passiert ist, den seit vergangener Woche eröffneten Trail offen lassen. Die überwiegende Mehrheit lehnte diesen Vorschlag ab. Nur die Grünen, die Neos und die Alternative Liste Innsbruck waren dafür.

"Sieg der Vernünftigen"

Gemeinderat Depaoli zeigte sich am Ende zufrieden mit diesem "Sieg der Vernünftigen", den er sich nun auf die Fahnen schreiben kann. So sehr man seine politischen Positionen und seinen Stil kritisieren mag, so sehr ist sein strategisches Geschick hervorzuheben. Als Ein-Mann-Show hat er es geschafft, die jahrelange und mühevolle Arbeit der Mountainbike-Community, die sich um den Dialog zur Schaffung legaler Strecken bemüht, mit ein paar Facebook-Videos und lautem Gebrüll binnen kurzer Zeit zu zerstören.

Für die Innsbrucker Bike-Community hat sich am Freitag gezeigt, wie sinnvoll und zielführend es ist, im politischen Biotop der Landeshauptstadt auf Dialog und Miteinander zu setzen. Das Vertrauen in die Politik und deren Zusagen wurde nachhaltig gestärkt. In der Zwischenzeit bleibt den Mountainbikerinnen und Mountainbikern Innsbrucks nur der Trost, sich an die große ÖVP-Politikerin und Ex-Ministerin Elisabeth Köstinger zu halten, die den Slogan "You like it? Bike it!" geprägt hat. (Steffen Arora, 26.8.2022)