Debatten prägten die heurigen Festspiele, die auf einen Rekord beim Kartenverkauf zusteuern. Das freut Präsidentin Kristina Hammer.

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Kein einfacher Start für die neue Präsidentin: Seit Anfang Jänner ist die deutsche Marketingfrau Kristina Hammer Nachfolgerin von Langzeitpräsidentin Helga Rabl-Stadler. Die 53-Jährige war in internationalen Managementpositionen tätig (u. a. Mercedes), bevor sie 2010 eine Kommunikationsberatung in Zürich gründete. Bei den Salzburger Diskussionen der letzten Monate hielt sie sich zurück: Sie wolle sich erst einmal einen Überblick verschaffen. Zum Ende der Festspiele stellt sie sich jetzt den Fragen des STANDARD.

STANDARD: Die Salzburger Festspiele sind wie kaum ein anderer heimischer Kulturbetrieb von Sponsoren abhängig. Einige von ihnen gerieten in ein schiefes Licht. Was bedeutet das für ihr Geschäftsmodell?

Hammer: Es wäre fein, wenn die Festspiele frei von finanziellen Sorgen gestaltet werden könnten. In meinen früheren Tätigkeiten habe ich aber gelernt, dass wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu akzeptieren sind. Angesichts der politischen Lage halte ich es für unwahrscheinlich, dass mit signifikanten Erhöhungen der Zuschüsse der öffentlichen Hand zu rechnen ist.

STANDARD: Die Abhängigkeit von Sponsoren birgt viele Risiken, unethisches Handeln auf deren Seite bringt auch Sie in Schwierigkeiten. Wie wollen Sie das zukünftig vermeiden?

Hammer: Wir agieren mit größtmöglicher Transparenz. Wir hatten mit Solway ein Unternehmen, dem Anfang März Umwelt- und Menschenrechtsverstöße vorgeworfen wurden. Wir haben sofort mit Solway gesprochen, worauf man eine interne und externe Untersuchung in die Wege geleitet hat.

STANDARD: Mir ist nur eine interne Untersuchung bekannt. Nachdem diese bis Anfang Juli zu keinen Ergebnissen gekommen war, haben sich die Festspiele vom Sponsor getrennt.

Hammer: Das ist in dieser Form nicht richtig. Es gab auch ein externes Audit, durchgeführt durch internationale ESG-Experten. Anfang Juli lagen zwar nicht alle Ergebnisse vor, aber was wir zu sehen bekommen haben, bedeutete, dass unter anderem die Implementierung notwendiger Maßnahmen einen Zeitraum weit über die Vertragslaufzeit in Anspruch nimmt. Wir haben uns von diesem Unternehmen einvernehmlich getrennt.

STANDARD: Ist nicht gerade Solway ein gutes Beispiel dafür, wie schwierig es ist, hinter die Fassade von Sponsoren zu blicken? Die Firma mit Sitz im Schweizer Zug gehört einem estnischen Geschäftsmann, der Verbindungen zu Russland abstreitet und auch sonst bemüht ist, durch Offshore-Gesellschaften die eigenen Spuren zu verwischen.

Hammer: Solway war ein spezifischer Fall, auf den wir sofort reagiert haben. Als Festspiele nehmen wir die derzeit stattfindende gesellschaftspolitische Diskussion äußerst ernst und beteiligen uns auch aktiv an der Initiative, die die Kulturstaatssekretärin zum Thema Sponsoring angestoßen hat. Es muss in Zukunft klare Richtlinien für Sponsoring geben. Wir selbst als Festspiele können aber keine eigenen Untersuchungen anstellen, es wäre vermessen, das zu fordern.

STANDARD: Ihre Hauptsponsoren sind durchwegs große, internationale Konzerne. Diese zeichnen sich selten durch Transparenz aus. Liegt nicht gerade da das Problem?

Hammer: Da wir ein internationales Unternehmen sind, ist für uns auch die Internationalität der Sponsoren wichtig. Unsere Besucher kommen aus 74 Nationen. Sponsoren ermöglichen uns Dinge, die wir allein nicht auf die Beine stellen könnten.

STANDARD: Warum legen Sie nicht offen, wer wie viel Geld gibt? Auch bei den "Freunden der Festspiele" sind Sie alles andere als transparent.

Hammer: Wir haben 6600 "Freunde", diese finanzieren die Festspiele zu circa fünf Prozent. Deren Struktur und Förderbeitragsmöglichkeiten sind transparent. Aber wir müssen respektieren, dass nicht alle unserer "Freunde" ihren Namen in der Zeitung lesen möchten. Was nicht zu respektieren ist, ist, wenn das Geld aus dubiosen Quellen kommt.

STANDARD: Kam deswegen ein Deal mit dem Königreich Katar vor einigen Jahren nicht zustande?

Hammer: Ich kann nicht für die Vergangenheit sprechen, ich bin erst seit Jänner im Amt.

STANDARD: Sprechen wir über das heurige Jahr: Als nach dem Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine Diskussionen über russische Künstler und Geldflüsse aufkamen, lagen bei den Festspielen bald die Nerven blank.

Hammer: Diese Diagnose muss ich entschieden zurückweisen. Beim Thema Solway haben wir schnell und klar reagiert, die Diskussionen rund um den Dirigenten Teodor Currentzis, auf die Sie wahrscheinlich anspielen, sind ganz anders gelagert. Hier hat Intendant Markus Hinterhäuser von Anfang an eine differenzierte, abwägende Haltung eingenommen. Currentzis ist ein künstlerisches Thema.

STANDARD: Das sehen manche anders: Rund um die Eröffnung der Festspiele gab es Artikel in der "New York Times" und im "Guardian", wobei Letzterer sogar von einem "Schatten über Salzburg" sprach. Hat der Ruf der Festspiele international gelitten?

Hammer: Von einem Schatten kann keine Rede sein. Gerade im Eröffnungsakt wurden zentrale Punkte der Diskussion angesprochen, wir haben mit Ilija Trojanow jemanden gewonnen, der mit seiner Eröffnungsrede den richtigen, nachdenklichen Ton getroffen hat. Und dann gab es noch Currentzis’ Interpretation von Schostakowitschs 13. Symphonie in der Ouverture Spirituelle: Diese hat niemanden unberührt gelassen. Wir sind darauf bedacht, gegenüber russischen Künstlern eine differenzierte Position einzunehmen, aber unsere grundsätzliche Haltung war und ist klar: Bei den Festspielen tritt niemand auf, der diesen Krieg unterstützt.

STANDARD: Halten Sie auch deswegen so eisern an Currentzis fest, weil er das Aushängeschild der Salzburger Dramaturgie ist?

Hammer: Wir haben 174 Aufführungen mit den größten Künstlerinnen und Künstlern der Welt. Wollen Sie wirklich, um ein Beispiel zu nennen, Riccardo Muti sagen, dass Teodor Currentzis das Aushängeschild der Festspiele ist?

STANDARD: Ihr Intendant sagt, die Festspiele seien ein "Epizentrum des Besonderen". Currentzis hat ein Alleinstellungsmerkmal.

Hammer: Das Besondere der Festspiele besteht darin, dass sie nicht eine bloße Aneinanderreihung von Events sind. Es gibt einen thematischen Bogen, die Besucher können sich in Themen vertiefen, wie es nur hier möglich ist.

STANDARD: Eine Besonderheit der Festspiele besteht darin, wie hier Kunst auf Geld trifft. Zum dritten Mal fand heuer das Salzburg Summit mit Wirtschaftsbossen und Politikern statt. Ausgerichtet zwar nicht von den Festspielen, Sie haben das Summit aber mit eröffnet. Ist auch das Teil des Geschäftsmodells Festspiele?

Hammer: Es gibt sehr viele Veranstaltungen rund um die Festspiele, nicht nur die von Ihnen genannte. Wir haben eine Wertschöpfung von 215 Millionen Euro. Natürlich ist es in unserem Interesse, dass die Wirtschaft, die Hoteliers, die Restaurants an den Festspielen partizipieren. Entgegen der landläufigen Meinung liegen unsere Tickets aber zu 50 Prozent in Kategorien zwischen fünf und 115 Euro, man kann also nicht von einem Festival für Reiche sprechen. Wir legen jedes Jahr 6000 Jugendtickets mit bis zu 90 Prozent Ermäßigung auf, wir sorgen dafür, dass Kinder- und Jugendproduktionen auf Tournee durch Stadt und Land gehen. Es gibt eine gewisse Exklusivität der Festspiele, aber es gibt auch eine große Inklusivität.

STANDARD: Sie betonen immer wieder, dass Sie für eine Verbreiterung des Publikums und eine stärkere Digitalisierung der Festspiele sorgen möchten. Weitere Vorhaben?

Hammer: Wir müssen die Festspiele in die Zukunft führen, da gehört auch die Sanierung und Erweiterung der Festspielhäuser dazu. Besonders wichtig ist mir aber, dass wir das neue Publikum, das wir in den Pandemiejahren gewonnen haben, halten und wir Menschen, die wir in der Pandemie verloren haben, wieder zurückholen. Wir befinden uns, was den Kartenverkauf dieses Jahr anbelangt, in der Nähe des Rekordjahres 2019. Es kommen sogar mehr Amerikaner zu uns als vor der Pandemie. Das zeigt, wie groß die Strahlkraft der Festspiele ist.

STANDARD: Hinterhäuser sagt, dass er davon ausgehe, dass er der letzte Intendant sei, der über ein so großzügiges Budget verfüge. Rechnen auch Sie mit kleineren Budgets?

Hammer: In einer Zeit, in der wir nicht wissen, wie es mit den Energiepreisen und der Inflation weitergeht, kann ich diese Frage nicht seriös beantworten. Unsere Pläne für die nächsten Jahre gehen aber davon aus, dass wir weiter auf diesem Niveau spielen können. (Stephan Hilpold, 26.8.2022)