Der Termin des Konsistoriums, das Papst Franziskus Ende Mai für den 27. August ankündigte, löste bei Vatikan-Insidern Stirnrunzeln aus. Der letzte Papst, der seine Kardinäle ausgerechnet in den heißen Sommermonaten Juli oder August in die römische Gluthitze beorderte, war Leo XIII. im Juli 1885. Für ein Konsistorium im August muss man überhaupt mehr als 200 Jahre bis zu Pius VII. zurückblättern.

Vordergründig geht es bei dem Termin um die Kreierung neuer Kardinäle und die am 29. und 30. August folgende Präsentation der Reform der Kurie, deren Konstitution "Praedicate evangelium" im März veröffentlicht wurde. Doch im Hintergrund wird heftig darüber spekuliert, ob der Papst wichtige Neuigkeiten zu verkünden hat – vielleicht sogar seinen baldigen Rücktritt.

Alle Kardinäle nach Rom gerufen

Dem kanonischen Recht zufolge wird zwischen ordentlichen und außerordentlichen Konsistorien unterschieden. Während bei Ersteren üblicherweise die in Rom ansässigen Kardinäle einberufen werden, um dem Papst bei verschiedenen wichtigen Themen beratend zur Seite zu stehen, kommen bei außerordentlichen Konsistorien alle Kardinäle aus aller Welt nach Rom.

Der Papst leidet unter einer Kniearthrose.
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Franziskus' letztes außerordentliches Konsistorium liegt mehr als siebeneinhalb Jahre zurück. Damals wurden auch die Grundlagen der Kurienreform skizziert. Seither hat der Papst die Reform der vatikanischen Verwaltung nicht nur zügig gegen zahlreiche Widerstände vorangetrieben, auch die Zusammensetzung des Kardinalskollegiums hat sich massiv geändert: Bisher hat Franziskus in seiner Amtszeit 101 Kardinäle ernannt, nun kommen weitere 20 hinzu. Von diesen haben 16 die Altersgrenze von 80 Jahren noch nicht überschritten, sie sind daher bei der Wahl eines neuen Papstes stimmberechtigt.

Die neuen Kardinäle erhalten ihre Biretta und den Kardinalsring – hier liegen diese für die neu kreierten Kardinäle des Konsistoriums von November 2020 vorbereitet.
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Zahl der Papstwähler vorübergehend bei 132

Insgesamt steigt die Zahl der Kardinäle von 207 auf 227, von denen 132 am Konklave teilnehmen können – eine Zahl, die sich rasch wieder reduzieren wird: Schon eine Woche später wird der salvadorianische Kardinal Gregorio Rosa Chávez seinen 80. Geburtstag feiern. Bis Ende 2023 überschreiten noch 16 weitere Kardinäle die Achtzigergrenze, ab der sie nicht mehr am Konklave teilnehmen können und damit ihr Stimmrecht bei der Papstwahl verlieren. Hauptsächlich handelt es sich dabei um Kardinäle, die noch von Benedikt XVI. oder gar Johannes Paul II. ernannt wurden.

Schon jetzt haben die von Franziskus ernannten Kardinäle die Mehrheit im nächsten Konklave inne, mit den 16 neuen Mitgliedern liegt der Anteil mit 82 Kardinälen bei über 62 Prozent, während 38 Kardinäle aus der Ära Joseph Ratzingers stammen und elf aus der Ära Karol Wojtyłas – darunter auch Wiens Kardinal Christoph Schönborn. Das Konsistorium ist daher auch eine Gelegenheit des Kennenlernens für die alten und zahlreichen neuen Kirchenfürsten.

Verschobene Mehrheiten

Für die Wahl eines neuen Papstes ist eine Zweidrittelmehrheit im Konklave nötig. Die von Jorge Mario Bergoglio kreierten Kardinäle haben diese Mehrheit daher fast schon erreicht. Ebenso massiv verschoben hat sich die internationale Zusammensetzung des Kardinalskollegiums. Während früher die Mehrheitsverhältnisse über lange Jahrhunderte italienische oder zumindest europäische Päpste garantierten, ist dies längst gekippt. Bald haben die Europäer nicht einmal mehr gemeinsam mit den Nordamerikanern die Mehrheit.

Unter den 16 neuen papstwahlberechtigten Kardinälen finden sich auch nur vier Europäer und ein Nordamerikaner. Demgegenüber stehen sechs Kardinäle für Asien, drei für Lateinamerika und zwei für Afrika. Wobei man einschränken muss, dass einer der neuen asiatischen Kardinäle eigentlich Italiener ist: Giorgio Marengo ist Apostolischer Präfekt von Ulaanbaatar in der Mongolei, geboren ist er in Cuneo im Piemont. Mit nur 48 Jahren wird er der derzeit bei weitem jüngste Kardinal – und der erste, der in den Siebzigerjahren geboren wurde.

Papst im Rollstuhl

Was das Konsistorium für Überraschungen bereithält, wird sich zeigen. Der Papst leidet bekanntlich an einer Arthrose im rechten Kniegelenk, die Bilder Bergoglios im Rollstuhl sind mittlerweile ein gewohnter Anblick. Eine Operation will er jedoch aus Sorge vor der Narkose vermeiden. Bereits im Juli 2021 musste sich Franziskus einer Darmoperation unter Vollnarkose unterziehen. Gegenüber Bischöfen soll er erklärt haben, er wolle lieber zurücktreten, als sein Knie operieren zu lassen.

Möglicherweise wird der Papst seinen Kardinälen seine Pläne und Vorstellungen von seiner Zeit im Ruhestand skizzieren. Diese dürften jedenfalls davon abweichen, wie sein Vorgänger seine Pension gestaltete. Franziskus soll lediglich den Titel "emeritierter Bischof von Rom" führen wollen und nicht "emeritierter Papst", er werde auch nicht mehr das päpstliche Weiß tragen, wie Benedikt XVI. dies tut. Damit würde er zu verhindern versuchen, dass das Zwei-Päpste-Problem zu einem Drei-Päpste-Problem ausufert. Vielleicht wird Franziskus aber auch mit seinem Schritt auf das Ableben seines Vorgängers warten wollen.

Hinweis auf Rücktritt

Dass der Papst direkt nach dem Konsistorium nach L'Aquila reisen will, feuert Spekulationen zusätzlich an. Franziskus will in der Stadt in den Abruzzen an der Coelestinischen Vergebungsfeier teilnehmen. Diese wurde von Papst Coelestin V. im Jahr 1294 eingeführt. Coelestin regierte in dem Jahr nur von Juli bis Dezember – er ging als erster und bis zu Franziskus' Vorgänger Benedikt XVI. einziger Papst in die Geschichte ein, der das Amt freiwillig niederlegte. In L'Aquila wurde er beigesetzt, Benedikt XVI. legte an seinem Grab bei einem Besuch im Jahr 2009 das päpstliche Pallium ab. Dies wurde von Beobachter schon damals als Hinweis auf seinen bevorstehenden Rücktritt gedeutet, der schließlich im Jahr 2013 erfolgte.

Benedikt XVI. legt sein Pallium auf dem Glassarg Coelestins V. ab.
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Gegen einen baldigen Rücktritt Franziskus' sprechen jedoch die Pläne für verschiedene Auslandsreisen – einige, wie jene in den Libanon, die Demokratische Republik Kongo oder in den Südsudan, mussten zuletzt aufgrund der Gesundheitsprobleme jedoch abgesagt oder verschoben werden. Ein persönliches Vor-Ort-Engagement für Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland steht im Raum. Allerdings sind päpstliche Kondolenzworte für die bei einer Autobombenexplosion getötete Darya Dugina einer neutralen Vermittlerrolle eher abträglich. Franziskus bezeichnete Dugina, die einen Völkermord an Ukrainern offen unterstützte, als "arme Frau", die als "Unschuldige" für den Krieg bezahle. Zuletzt hat der Papst auch erklärt, Nordkorea besuchen zu wollen, wenn er aus Pjöngjang eine Einladung erhalte.

Rückkehr Beccius

Spannung verspricht auch die Frage, ob der abgesetzte Kurienkardinal Giovanni Angelo Becciu am Konsistorium teilnehmen wird. Der 74-Jährige hatte vor wenigen Tagen bekanntgegeben, dass der Papst persönlich ihn zur Teilnahme aufgefordert und ihm erklärt habe, dass er wieder seine Kardinalsfunktionen zurückerhalte. Becciu, zu dem Zeitpunkt eine der mächtigsten Personen im Vatikan, musste nach einem Finanzskandal im September 2020 seine Ämter abgeben. Er gilt als Vertrauter des Papstes. (Michael Vosatka, 26.8.2022)