Mar-a-Lago galt seit geraumer Zeit als Einfallstor für ausländische Agenten. Dass Trump dort geheime Dokumente unsachgerecht lagerte, könnte für ihn zum Problem werden.

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Im August 2019 trug sich im Weißen Haus Ungewöhnliches zu: Donald Trump, damals noch mehr als ein Jahr lang amtierender US-Präsident, verlangte vom Büro des Direktors des Nationalen Geheimdiensts eine Liste mit den Namen aller Mitarbeiter in der Top-Verdienstgruppe. Seinerzeit erklärten sich die Medien, denen das Ansuchen bekannt wurde, die Anfrage mit der Suche nach einem Nachfolger für Geheimdienstdirektor Dan Coats. Mit diesem hatte sich Trump überworfen. Später aber beauftragte der Präsident den Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, einen feurigen Gefolgsmann, kommissarisch mit der Aufgabe. Grenell dürfte, nach allem, was man weiß, nicht auf der angeforderten Liste mit Amerikas Top-Spionen gestanden sein.

Das Dokument aber kam nun wieder in Erinnerung, als das Justizministerium am Freitag das Begleitschreiben zum richterlichen Durchsuchungsbefehl von Mar-a-Lago, dem Privatclub und Wohnsitz Trumps in Palm Beach im US-Bundesstaat Florida, veröffentlichte. Das Papier, mit dem das FBI um die Genehmigung für die Razzia angesucht hat, enthält viele Schwärzungen. Aus der vielleicht brisantesten Passage des sogenannten Affidavits geht aber hervor, dass sich die Ermittler größte Sorgen machten, dass Informationen über geheime Quellen im Ausland in falsche Hände fallen könnten. Solche Dokumente gehören zu den bestgehüteten US-Staatsgeheimnissen. Schon der Wegfall eines einzigen Top-Spions kann Geheimdienste Jahre zurückwerfen.

Informationen zu Spionen

Aus dem Ansuchen wird klar, dass zuvor ein langer Papierkrieg zwischen Behörden und Vertretern Trumps um Dokumente stattgefunden hatte, die der Ex-Präsident nach seinem Ausscheiden aus dem Amt bei sich behalten hatte. Bezug genommen wird etwa auf Akten, die Trump auf wiederholtes Drängen des Nationalarchivs im Jänner 2022 zurückgegeben und zuvor bei sich gelagert hatte.

Die Rede ist dabei von 15 Kisten mit 184 Sätze an Dokumenten, die als Staatsgeheimnisse gekennzeichnet waren. 92 trugen den Vermerk "geheim" , 25 galten als "top secret". Einige waren zudem als "HCS" gekennzeichnet. Das bedeutet "Human Intelligence Control System" und weist darauf hin, dass aus den Papieren Rückschlüsse auf die Identität von Informanten und Spionen möglich sind.

"Wenn solche Informationen bekannt werden, könnte das Leben der menschlichen Quelle in Gefahr geraten", erklärt das ehemalige Mitglied im nationalen Sicherheitsteam George W. Bushs, John B. Bellinger, das Risiko. Wie real die Sorge ist, zeigt ein in der New York Times im Zusammenhang zitiertes "streng geheimes" Memorandum an alle CIA-Dienststellen weltweit von 2021. Darin warnt die Zentrale vor einer beunruhigend hohen Zahl an Informanten, die zuletzt gefasst oder getötet wurden. Ob die Zeitung damit nur die Gefahr darstellen oder eine Verbindung herstellen wollte, ist unklar.

Ein solcher Konnex ist auch dem 38 Seiten starken Affidavit nicht zu entnehmen. Auszuschließen ist aber nicht, dass er dort ausgeführt wird – denn es ist unklar, welche Informationen sich unter den geschwärzten Zeilen verbergen. Gesichert ist allerdings, dass sich Staatsgeheimnisse dieser Art in Mar-a-Lago befanden und unsortiert zwischen Fotos, Zeitungsausschnitten und Notizen lagerten.

Die Archivare waren schon Anfang des Jahres so besorgt, dass sie das für die Spionageabwehr zuständige FBI einschalteten. Trump verzögerte durch seine Anwälte die Auswertung der Akten durch die Sicherheitsbehörden bis in den Mai. Später schickten die Ermittler sogar den Chef der Abteilung für Spionageabwehr und nationale Sicherheit im Justizministerium, Jay Bratt, mit einem Team nach Mar-a-Lago, um die Herausgabe weiteren Materials zu verlangen. Sie transportierten weitere Geheimdokumente ab und ließen sich von Trumps Anwälten schriftlich versichern, dass keine weiteren Staatsgeheimnisse mehr in der Villa lagerten. Aus der anschließenden Befragung von Zeugen aus dem Umfeld Trumps ging offenbar hervor, dass dies nicht stimmte. Die Washington Post berichtete von dem Verdacht, dass Trump in Mar-a-Lago weiterhin Atomgeheimnisse lagere.

Nicht zuletzt sorgt in der Debatte auch eine weitere Meldung vom Freitag für Unsicherheit. Laut der "Pittsburgh Post-Gazette" und weiteren Medien wird derzeit gegen eine russischsprachige ukrainischen Einwanderin, die sich unter falscher Identität Zugang zu Mar-a-Lago und zu Trump Freundeskreis verschafft haben soll. Sie soll angegeben haben, zur Familie Rothschild zu gehören. Die Frau eine von mehreren mittlerweile enttarnten Agentinnen und Agenten, die sich in den vergangenen Jahren Zugang zu Trumps Anwesen und Golfclubs verschafft hatten.

Zeugen aus Trumps Umfeld

Trump nannte die Teilveröffentlichung des Affidavits auf seiner eigenen Plattform im Internet eine "totale PR-Täuschung" des FBI und des Justizministeriums. "Nichts wird zum Thema ‚Nuklear‘ erwähnt." Tatsächlich aber dürfte sich dieser Verdacht hinter den unkenntlich gemachten Zeilen finden.

Richter Bruce Reinhart stimmte den vorgeschlagenen Schätzungen der Regierung zu, um die Namen der Zeugen, Methoden, Reichweite und Strategie der Ermittler zu schützen. Im Affidavit heißt es, "die Sicherheit und Privatsphäre einer signifikanten Zahl an zivilen Zeugen" und die "Integrität der Ermittlungen" müssten geschützt werden. Bemerkenswert erscheint, dass es um Personen aus Trumps Umfeld gehen dürfte.

Fachleute erkennen in den rudimentären Informationen, die aus dem Affidavit hervorgehen, Hinweise, die auf große Probleme Trumps bei dem Thema "Behinderung der Justiz" hindeuten. Der Ex-Präsident habe über lange Zeit gewusst, dass er die Dokumente zurückgeben müsse, dies aber nicht getan und Zeit geschunden. An einer Stelle sagte er zu einem Mitarbeiter: "Das sind meine!"

Am Wochenende erreichte Trump, der laut CNN "zunehmend nervös" über rechtliche Konsequenzen sein soll, zumindest einen Zwischensieg. Eine unabhängige Kontrollinstanz, ein sogenannter Special Master soll die Ermittlungen laut Beschluss einer Richterin in Florida überwachen. (28.8.2022)