Uber, das größte Taxiunternehmen der Welt, will keines sein. Das ist einerseits Marketing: Kapital fließt lieber in eine "globale Plattform für die Bewegung von Menschen".

Andererseits, und darum geht es vor allem: Uber will nicht den jeweiligen nationalen und lokalen Regeln des Taxigewerbes unterliegen. Eine "Plattform", die Fahrten vermittelt anstatt selbst Dienstleister zu sein, wälzt Kosten und Geschäftsrisiken auf andere ab, wie der steirische Oxford-Professor Jeremias Adams-Prassl schreibt: auf Fahrer, aber auch auf die Allgemeinheit, die zum Beispiel für die soziale Sicherung zahlt, wenn eine Fahrerin mit ihrer Arbeit nicht genug verdient.

Facebook will, um Gesetze zu umgehen, lieber Plattform als Dienstleister sein.
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Auch andere Unternehmen wollen, um Gesetze zu umgehen, lieber Plattformen als Dienstleister sein, allen voran Facebook.

Medien müssen bei den Fakten bleiben

Medien sind keine Branche wie jede andere. Wir brauchen Medien, damit wir als Gesellschaft verstehen, was Sache ist, und uns ausmachen, wie wir miteinander leben. Daher haben wir über Jahrhunderte besondere Regeln entwickelt. Der Staat darf Medien nicht zensurieren. Umgekehrt dürfen Medien Menschen nicht verleumden. Selbst im Land der Libertären, den USA, gibt es den Tatbestand der "actual malice", der tatsächlichen Schädigungsabsicht. Medien müssen bei den Fakten bleiben oder wenn sie spekulieren oder fabulieren ("Baby mit drei Köpfen geboren"), es so tun, dass sie nicht geklagt werden können. Jedes Medienunternehmen beschäftigt Medienrechtler, die darauf achten, dass sich Redaktionen daran halten.

Medienrecht verpflichtet. Ein Medium muss wissen, wer seine Autoren sind, und es haftet für sie. Das ist gut so. In anderen Branchen gibt es ähnliche Regeln, zum Beispiel im Online-Banking. Jeder, der ein Bankkonto aufmacht, muss sich identifizieren. Bei Facebook und Instagram dagegen kann jedermann tausende Konten eröffnen, was es Putin und Co leichtmacht, Trollfarmen zu betreiben.

Hass im Netz Gesetze werden ignoriert

Soziale Medien verstecken sich hinter dem Begriff "Plattform", um nicht für Inhalte verantwortlich zu sein. Die westlichen Gesellschaften haben sie bislang gewähren lassen. In Europa und den USA gärt die Diskussion, wie man vermeiden kann, dass jeder Hassprediger Menschen mit Mord und Vergewaltigung drohen oder im vollbesetzten virtuellen Theater "Feuer" schreien darf. Hass-im-Netz-Gesetze bleiben vorerst aber zahnlos. Dienste wie Telegram ignorieren sie. Facebook betreibt konzertiertes Lobbying, um Pflichten zu vermeiden. Zu schwierig und zu teuer, heißt es. Da blutet einem das Herz. Es ist auch für traditionelle Medien teuer, Kommentare online zu moderieren oder Experten schreiben zu lassen. Bei 100 Milliarden Euro Umsatz – fast so viel wie alle Zeitungsunternehmen weltweit – und 33 Milliarden Euro Gewinn könnte sich Facebook eine Menge redaktionelle Kapazität leisten.

Von selbst wird Facebook diese nicht aufbauen. Wir brauchen dafür ein neues Medienrecht, das alte und soziale Medien umfasst. Sonst riskieren wir, dass die Hexenjagden, die täglich mit Wissen und Duldung der "Plattformen" veranstaltet werden, die zivilisatorischen Errungenschaften gefährden, die wir uns angeeignet haben, seit die letzte vermeintliche Hexe auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. (Veit Dengler, 29.8.2022)