Für den sonntäglichen Besuch der Kathedrale von L'Aquila setzte sich Franziskus sicherheitshalber einen Helm auf: Das Gotteshaus ist 13 Jahre nach dem schlimmen Erdbeben in der Abruzzen-Stadt im Jahr 2009 immer noch für das Publikum gesperrt. Symbolisch schützte sich der Papst mit dem Helm wohl auch vor den Rücktrittsgerüchten, die er mit seinem Abstecher in die nur gut hundert Kilometer östlich von Rom gelegene Stadt in den Medien ausgelöst hat.

Papst Franziskus am Sonntag in L'Aquila.
Foto: REUTERS/Remo Casilli

In L'Aquila liegt Papst Coelestin V. begraben, der Ende des 13. Jahrhunderts als erster Papst der Geschichte nur wenige Monate nach seiner Wahl freiwillig zurückgetreten war. Plant Franziskus womöglich, in die Fußstapfen Coelestins zu treten – wie Papst Benedikt XVI., der einige Jahre vor seinem Amtsverzicht ebenfalls nach L'Aquila gepilgert war?

Ablass-Wallfahrt

Die offizielle Begründung für den Besuch in den Abruzzen war jedenfalls eine andere: Franziskus nahm an der traditionsreichen Ablass-Wallfahrt der "Perdonanza Celestiniana" teil, die jedes Jahr am 28. und 29. August durchgeführt wird und die auf Coelestin zurückgeht. Sie fand am Sonntag bereits zum 728. Mal statt. Außerdem stand in L'Aquila eine Begegnung mit Angehörigen der 309 Todesopfer des Erdbebens auf dem Programm. Am frühen Sonntagnachmittag flog Franziskus mit dem Hubschrauber in den Vatikan zurück.

Unabhängig von möglichen Rücktrittsgedanken hat Franziskus am Tag zuvor bei der Ernennung von 20 neuen Kardinälen gezeigt, wohin die Reise der katholischen Kirche nach seinem Abtritt vom Papstthron seiner Meinung nach gehen soll: Er erwies sich bei seinen Ernennungen einmal mehr als "Papst der Peripherien", der Regionen fördert, die in der Kirche bisher am Rande standen.

Das Kardinalskollegium ist noch internationaler geworden: Unter den neuen Purpurträgern stammen zwei aus Brasilien, zwei aus Indien, je einer für Singapur, Nigeria, Ghana, Paraguay, Osttimor, Korea und auch einer für die Mongolei. 16 der neuen Kardinäle sind unter 80 Jahre alt – und somit wahlberechtigt beim nächsten Konklave, wenn der Nachfolger des heute 85-jährigen Franziskus gewählt wird.

Schönborn: Nächster Papst wohl kein Europäer

Insgesamt hat Papst Franziskus seit seiner Wahl im Jahr 2013 in acht Konsistorien 113 neue Kardinäle ernannt, wovon beim nächsten Konklave 83 wahlberechtigt sind. Weil die Zahl der stimmberechtigten Kardinäle in der Sixtinischen Kapelle nicht höher als 120 sein sollte, werden diejenigen Kardinäle, die von Franziskus ernannt wurden, also in der klaren Mehrheit sein.

Mit Blick auf die geografischen Verschiebungen innerhalb des Kardinalskollegiums wagte der Wiener Erzbischof und (wahlberechtigte) Kardinal Christoph Schönborn die Prognose, dass "der nächste Papst wahrscheinlich kein Europäer sein wird". Die Kardinäle aus dem alten Kontinent stellen derzeit nur noch 40 Prozent der Teilnehmer am Konklave.

Allerdings: Das Recht, die Kardinäle zu ernennen, ist zwar ein wichtiges Führungsinstrument des Papstes, mit welchem er seinen Kurs absichern kann – aber eine Garantie, dass der Nachfolger den eingeschlagenen Weg auch weitergehen wird, ist sie nicht.

Versuch eines Neubeginns

Ein Konklave folgt eigenen Gesetzen und Dynamiken, und Papst Franziskus ist selber das beste Beispiel dafür: Die Kardinäle, die sich nach dem Amtsverzicht von Benedikt XVI. in der Sixtinischen Kapelle versammelten, waren in ihrer Mehrheit noch von den beiden konservativen Päpsten Johannes Paul II. und Benedikt XVI. ernannt worden. Dennoch wählten sie den undogmatischen und vergleichsweise modernen Erzbischof von Buenos Aires, Jorge Maria Bergoglio, zum neuen Pontifex. Die Kardinäle im Konklave wollten ein Ende der Finanz- und Missbrauchsskandale – und dem Argentinier trauten sie Reformen eher zu als einem Kollegen aus Europa.

Auch bei der Wahl eines Nachfolgers für Franziskus könnte plötzlich ein Thema dominieren, das im Konklave zu neuen, heute unerwarteten Konstellationen und Allianzen führen wird. Aber noch ist dies nicht soweit.

Auf dem Rückflug von seiner Kanada-Reise Ende Juli erklärte Franziskus zwar bezüglich eines eventuellen Amtsverzichts, dass diese Tür offen sei: "Das ist eine normale Möglichkeit, aber bis heute habe ich nicht an diese Tür geklopft. Das heißt aber nicht, dass ich übermorgen nicht anfangen würde, darüber nachzudenken. Aber im Moment weiß ich es ehrlich gesagt nicht."

Übermorgen: das heißt wohl nicht vor Abschluss der Weltsynode, die Franziskus vor einigen Monaten eröffnet hat und die 2023 zu Ende gehen wird. Und wohl auch nicht vor dem Ableben seines Vorgängers Joseph Ratzinger: Zwei Päpste im Vatikan – ein amtierender und ein emeritierter – sind schon ungewöhnlich genug. Drei Päpste – das sagt sich bestimmt auch Franziskus – wären des Guten vermutlich zu viel. (Dominik Straub aus Rom, 28.8.2022)