Das heftig kriselnde Rapid Wien kam an Vizemeister Sturm Graz nicht vorbei.

Foto: APA/EXPA/THOMAS HAUMER

Nicolas Kühn erzielte den Führungstreffer und damit sein erstes Bundesligator.

Foto: APA/EXPA/THOMAS HAUMER

Jubeltraube um den erfolgreichen Grazer Elferschützen Tomi Horvat.

Foto: APA/EXPA/THOMAS HAUMER

Präsident Martin Bruckner gibt auf, kandidiert nicht mehr.

Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Der scheidende Wirtschaftschef Christoph Peschek weinte.

Foto: APA/FLORIAN WIESER

Vielleicht sollte sich Rapid irgendwann wieder auf Fußball konzentrieren. Am Sonntagnachmittag bot sich eine Gelegenheit, Sturm Graz gab sich die Ehre. Die Steirer sind um Stürmer Rasmus Höjlund ärmer, dafür um 17 Millionen Euro reicher. Diese Summe hat Atalanta Bergamo für den 19-jährigen Dänen überwiesen. Die Konzentration passte, Rapids Leistung erinnerte vor 19.200 Zuschauern phasenweise an echten Fußball. Den Treffer zum 1:0 erzielte Nicolas Kühn nach perfektem Steilpass von Patrick Greil (15.). Wider den Spielverlauf glich Sturm aus, Gregory Wüthrich fälschte einen Schuss von Manprit Sakaria ab (24.). In der zweiten Halbzeit ist nichts Wesentliches passiert. Bis zur 84. Minute: Rapids Innenverteidiger Martin Moormann raubt Emanuel Emegha ein Tor, sieht Rot. Den Elfer verwandelt Tomi Horvat zum 1:2.

Das unsägliche Scheitern am Schweizer Zweitligisten FC Vaduz in der Conference League hat in Hütteldorf einen Scherbenhaufen hinterlassen. Mit Folgen konnte man durchaus rechnen, aber diese massive Form von Selbstzerstörung verblüfft dann doch. Am Donnerstagabend, nach dem fatalen 0:1 gegen die Liechtensteiner, waren Ultras auf die VIP-Tribüne gestürmt, es gab zwar keine Massenschlägereien, aber doch ausgesprochene Unhöflichkeiten, die Präsident Martin Bruckner und Wirtschaftsgeschäftsführer Christoph Peschek über sich ergehen lassen mussten.

Tränen

Rapid ist bekanntlich ein Mitgliederverein (rund 16.000), die Fans bestimmen mit, was passiert. Das ist demokratiepolitisch gesehen nicht schlimm, allerdings läuft das in Hütteldorf traditionell aus dem Ruder. Von wegen die Geister, die man rief. Noch am Freitagabend war durchgesickert, dass beide Herren ihr Jobs zur Verfügung stellen. Der ehrenamtliche Präsident Bruckner machte es am Samstag via Vereinaussendung offiziell, Peschek zog am Sonntag um 11.30 Uhr nach. Er gab im Allianz-Stadion eine Pressekonferenz. Unter Tränen.

Nach Anfeindungen gegen seine Person sei eine Fortsetzung der Arbeit "nicht zielführend", sagte er. "Warum ich für die Niederlage gegen Vaduz verantwortlich sein soll, weiß ich nicht." Er habe in der jüngeren Vergangenheit "sehr viel negative Energie" rund um den Klub gespürt, sagte er und malte kein grünes Bild von der Stimmungslage. "Ich hoffe, dass mit meinem Schritt mehr Konstruktivität einkehrt." Auch Bruckner hatte ähnlich argumentiert. Auf Fragen nach dem Einfluss der Fanbewegung Ultras wollte Peschek nicht eingehen. Pikanterweise wurde ihm stets ein gutes Verhältnis zum Block West nachgesagt.

Selbstverständlich stehe er, Peschek, für eine "geordneten Übergang zur Verfügung". Es solle keine Chaostage bei seinem Herzensverein geben, diese Aussage war fast schon komisch. "Wir reden hier nicht von Ewigkeiten", betonte der 38-Jährige. Die Hauptversammlung ist für Ende November geplant, Bruckner hätte gegen eine Vorverlegung nichts einzuwenden.

Peschek bekleidete den Posten seit Februar 2015, zuvor saß er für die SPÖ im Wiener Gemeinderat und war Lehrlingssprecher. Pläne für die Zukunft habe er keine. "Bis Donnerstag war es für mich kein Thema, von Rapid zu gehen. Ich hatte für mich nicht das Gefühl, dass das Buch fertiggeschrieben ist." Er heftete sich unter anderem die Professionalisierung der Geschäftsstelle an die Fahnen, ebenso wie eine Steigerung der Budgetmittel für den sportlichen Bereich und "das größte Eigenkapital der Vereinsgeschichte".

Menükarte

Seine größte Herausforderung sei aber die Corona-Krise gewesen. Peschek führte Rapid wirtschaftlich abgesichert durch die ersten zwei Jahre der Pandemie, ohne Mitarbeiter zu kündigen, wie er betonte. "Dafür habe ich leider für mich den allergrößten Preis gezahlt, nämlich meine Familie verloren", ließ er persönlich tief blicken. Sportliche Erfolge "können nicht von einer Menükarte bestellt werden".

Wie es jetzt weitergeht? Rapid wird einen Präsidenten und Geschäftsführer bekommen. Andy Marek, die ehemalige und von den Ultras geliebte Stimme, wird als Bruckner-Nachfolger gehandelt. Michael Tojner könnte als Präsidiumsmitglied ein Thema sein. Eine Rolle bei der Findung wird wohl Steffen Hofmann, Ex-Ikone und Ist-Sportkoordinator, einnehmen. Weiter festhalten will Rapid – zumindest vorerst – an Trainer Ferdinand Feldhofer. "Er bleibt", sagte Sportchef Zoran Barisic nach dem Sturm-Match bei Sky. In fünf Ligaspielen haben die Hütteldorfer zwei Siege, ein Remis und zwei Niederlagen verbucht. (Christian Hackl, 28.8.2022)

Bundesliga (6. Runde):

SK Rapid Wien – SK Sturm Graz 1:2 (1:1). Wien, Allianz-Stadion, 19.200 Zuschauer, SR Jäger.

Tore:
1:0 (15.) Kühn
1:1 (24.) Wüthrich
1:2 (86.) Horvat (Elfmeter)

Rapid: N. Hedl – Koscelnik, Querfeld (68. Wimmer), Moormann, Auer – Kerschbaum, Pejic – Kühn, Greil (80. Zimmermann), Grüll – Burgstaller (68. Druijf)

Sturm: Siebenhandl – Gazibegovic, Wüthrich, Borkovic, Dante (88. Schnegg) – Hierländer (61. Affengruber), Gorenc-Stankovic, T. Horvat, Prass (46. Ljubic) – Lang (46. Fuseini), Sarkaria (71. Emegha)

Rote Karte: Moormann (83./Foulspiel)

Gelbe Karten: Auer, Koscelnik, Wimmer, Zimmermann, Pejic bzw. Prass, Gazibegovic