In Charsadda in der Region Khyber Pakhtunkhwa im Norden des Landes begutachten Menschen die Schäden an der Straße, die die Fluten zurückgelassen haben.

Foto: AFP/ABDUL MAJEED

Er habe noch nie solche Zerstörung gesehen, sagte Pakistans Außenminister Bilawal Bhutto-Zardari am Wochenende. "Es ist einfach nur erdrückend", rang er um Worte. Die Videos, die dieser Tage aus dem Land in den sozialen Medien kursieren, verschlagen in der Tat die Sprache: Straßen, die zu reißenden Flüssen geworden sind. Häuserkomplexe, die vom Wasser weggespült werden. Ganze Stadtviertel – wie etwa in Karachi – knietief unter Wasser. Und das alles passiert nicht nur lokal an einem Ort, sondern in vielen Teilen des Landes in Südasien.

Besonders ist die Region Belutschistan im Südwesten Pakistans betroffen, aber auch im Norden, etwa im Swat-Tal, kommt es zu verheerenden Überschwemmungen. Die Fluten nehmen Ausmaße wie 2010 an, sagte Premierminister Shehbaz Sharif. Damals stand ein Fünftel des Landes unter Wasser.

Pakistan stellte daher ein dringendes Gesuch um finanzielle Hilfe. Das Land stand schon vor dem heurigen Monsun unter starkem wirtschaftlichen Druck. Nun kommt zu dem akuten Notfall der Überflutungen noch die Aussicht auf großräumige Ernteausfällen hinzu.

Mehr als 1.000 Menschen mussten in den vergangenen Wochen seit Juni ihr Leben in den Fluten lassen, darunter mehr als 300 Kinder. Allein am Wochenende sind binnen 24 Stunden hundert neue Todesfälle bekanntgeworden, so die Behörden. Und die Zahlen dürften noch steigen.

Erst langsam zeigt sich das Ausmaß der Zerstörung. Fast eine Million Gebäude wurden von den Fluten beschädigt, zehntausende Menschen haben ihre Häuser ganz verloren. 3.400 Kilometer Straßen sind laut offiziellen Angaben außerdem zerstört. Vielerorts müssen Menschen ohne Hilfe ausharren. Es kann noch Tage dauern, bis Rettungskräfte die Hilfesuchenden erreichen.

Etwa 33 Millionen Menschen seien laut nationalen Behörden von der Katastrophe betroffen – das ist jeder siebte Pakistani. Und die Situation verschlechtere sich zunehmend, da weitere starke Regenfälle Überschwemmungen und Erdrutsche verursachten, gab die Hilfsorganisation Care bekannt.

Vom Klimawandel am stärksten betroffen

Dieses Jahr war der Monsun in dem Land besonders stark ausgefallen. Er dauert in der Regel von Juni bis September, dieses Jahr kam es schon den ganzen Sommer zu ungewöhnlich starken Regenfällen. Schon die Vormonsunzeit war in der gesamten Region nasser als in früheren Jahren. Premierminister Sharif wies auf Twitter darauf hin, dass Ereignisse wie diese zeigten, dass die Folgen des Klimawandels im Alltag angekommen seien. Die Tage, in denen darüber einzig in Konferenzräumen diskutiert wurde, seien vorbei.

Pakistan gehört zu den durch den Klimawandel am schlimmsten gefährdeten Ländern der Welt. Das Land befindet sich auf Rang acht des Global Climate Risk Index 2021 der Forschungsgruppe Germanwatch.

Sorge vor wirtschaftlichem Zusammenbruch

Bereits Ende vergangener Woche hatte die pakistanische Regierung den Notstand ausgerufen. Das ohnehin wirtschaftlich schwache Land war im Zuge des Ukraine-Krieges und der damit einhergehenden Teuerung noch weiter in Turbulenzen geraten. Vor allem seitdem der Inselstaat Sri Lanka mit einem wirtschaftlichen Zusammenbruch zu kämpfen hat, sind die Sorgen, Pakistan könnte ein ähnliches Schicksal ereilen, groß. Es kam auch in Pakistan zu hoher Inflation, und die lokale Währung verlor an Wert.

Außenminister Bhutto-Zardari appellierte daher an den Internationalen Währungsfonds (IMF), die aktuelle Notsituation zu berücksichtigen. Diese Woche wird der IMF darüber entscheiden, ob das hochverschuldete Land das nächsten Milliarden-Dollar-Paket als Teil eines Rettungsprogramms erhalten soll. Auch bei der Uno werde das Land diese Woche Mitgliedsstaaten um finanzielle Hilfe bitten, ließ der Minister wissen.

Man müsse in Zukunft neue Methoden gegen Klimaextreme wie Fluten und Dürren finden, sagte er. Pakistan selbst würde vergleichsweise verschwindend geringe Mengen zum weltweiten CO2-Fußabdruck beisteuern. Doch die Konsequenzen der verheerenden Klimaveränderungen müssten vor Ort voll getragen werden. Ähnlich geht es mehreren Staaten im Himalaya beziehungsweise in dessen Ökosystem, etwa Bangladesch, Nepal oder Myanmar. Sie alle sind in den Top Ten des Global Climate Risk Index zu finden. (Anna Sawerthal, 29.8.2022)