Der 45 Jahre alte Vater und der heute 18-jährige Sohn sagen bei der Verhandlung zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft nicht viel.

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Wien – Dass der Mensch dem Menschen ein Wolf ist, schrieb schon vor rund 2.200 Jahren ein antiker römischer Komödiendichter. Weit weniger lustig ist es, wenn man die praktischen Auswirkungen dieser Erkenntnis im Rahmen eines Strafprozesses erlebt – wie im Fall der Familie N., einem Sohn und seinem Vater. Die beiden müssen sich vor einem Schöffensenat unter Vorsitz von Philipp Krasa wegen sexuellen Missbrauchs einer Wehrlosen sowie absichtlicher schwerer Körperverletzung mit einer Eisenstange an einem 33-Jährigen verantworten.

Die von der Staatsanwältin vorgetragene Anklage klingt beinahe unglaublich. Der damals 17-jährige Erstangeklagte sei am 25. März mit einer Gruppe Jugendlicher im Stadtpark beim Feiern gewesen. Alkohol und weniger legale Rauschmittel wurden konsumiert, die Stimmung war gut. Er habe "sturmfreie Bude", sagte der Teenager den anderen, man fuhr also in die Wohnung in Wien-Floridsdorf.

Missbrauch aufgenommen und versendet

So weit, so alltäglich. Dass der später heimkommende 45 Jahre alte Vater mit den Jugendlichen becherte, ist schon ungewöhnlicher. Dass die beiden dann, als fast alle einschliefen, eine quasi bewusstlos schlafende 15-Jährige mehrmals penetrierten und von dem Verbrechen wechselseitig Fotos und Videos machten, die später an Bekannte verschickt wurden, verschlägt einem dann fast die Sprache.

Das Mädchen merkte von dem Missbrauch zunächst nichts, erst andere Partygäste erzählten ihr später davon. Sie erstattete Anzeige, konnte es aber selbst kaum glauben – bis sie im Rahmen der kontradiktorischen Einvernahme die sichergestellten Aufnahmen zu sehen bekam und zusammenbrach.

Bei der Polizei und der Verhängung der Untersuchungshaft hatten die beiden noch standhaft geleugnet oder geschwiegen. Verteidiger Constantin-Adrian Nițu dürfte dem Duo klargemacht haben, dass die Beweislage wenig Spielraum lässt: Erstmals bekennen sich die beiden Rumänen nun schuldig. "Sie wollen aber jede weitere Aussage verweigern", kündigt der Verteidiger an. "Ja, es tut mir leid", lässt der Vater übersetzen. "Mir auch", der Sohn. Ein Motiv, warum die beiden Unbescholtenen das Mädchen missbraucht haben, ist im öffentlichen Teil der Verhandlung nicht zu erkennen. Vor allem nicht, wenn man bedenkt, dass auch eine in Rumänien lebende 14-Jährige Teil der Familie ist.

Jugendlicher randalierte am nächsten Tag

Der zweite Anklagepunkt betrifft einen Vorfall, der sich am Nachmittag des nächsten Tages abspielte. Nach dem Zechgelage waren Vater und Sohn am Samstag dann im Bezirk Rudolfsheim-Fünfhaus aufgetaucht, wo der 17-Jährige aus nicht näher bekannten Gründen auf der Straße zu randalieren begann. Ein 33-Jähriger wurde darauf aufmerksam, ging einer Gruppe Jugendlicher kurz nach, um bei Bedarf die Polizei rufen zu können.

In einem Innenhof versuchte er den 17-Jährigen erst durch Zureden noch zu beruhigen, erzählt er als Zeuge. Als er die Exekutive verständigen wollte, muss plötzlich der Vater von hinten dazugekommen sein – und versetzte dem 33-Jährigen einen wuchtigen Schlag mit einer ein Meter langen Eisenstange auf den Kopf. "Ich ging zu Boden, mir wurde Schwarz vor Augen, aber ich war nicht bewusstlos. Ich habe mitbekommen, wie auf mich eingetreten wurde, dann habe ich es geschafft, ein Baustellengitter auf mich draufzulegen", erinnert der 33-Jährige sich.

Schädelbruch und Einblutung im Gehirn

Die beiden ließen vom Passanten ab und flüchteten, er konnte sich in Sicherheit bringen – mit einem Schädelbruch und einer oberflächlichen Einblutung ins Gehirn. Obwohl der medizinische Sachverständige Wolfgang Denk in seinem Gutachten klarstellt, dass mit so einem "sehr heftigen" Schlag durchaus Lebensgefahr für das Opfer verbunden ist, hat die Staatsanwaltschaft den Vater nicht wegen versuchten Mordes, sondern lediglich wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung angeklagt. Dem Sohn, der auf den Verletzten noch einmal hintrat, ehe er davonlief, wie die Videoaufnahme einer Anrainerin verrät, wird "Imstichlassen eines Verletzten" vorgeworfen. Der Vater erkennt zumindest einen Teil der Schmerzengeldforderung des 33-Jährigen an und entschuldigt sich auch bei ihm.

Am Ende geht Vorsitzender Krasa noch einmal die Akten durch. Wie sich herausstellt, ist der Sohn in der Untersuchungshaft bereits dreimal wegen ungebührlichen Verhaltens aufgefallen. Die Jugendgerichtserhebungen ergaben, dass er selbst von Aggressionsproblemen berichtete, Gewalterfahrungen in der Kindheit schilderte und die Jugendgerichtshilfe das Verhältnis mit dem Vater, der die Obsorge hat, "problematisch" sieht, da die "Generationendistanz verschwimmt".

"Es lässt sich nichts beschönigen"

In ihren Schlussworten betont die Vertreterin der Anklagebehörde nochmals den "immens hohen sozialen Störwert" der Taten. Selbst Verteidiger Nițu gibt zu: "Es lässt sich an dieser Geschichte nichts beschönigen." Da beide unbescholten sind, bittet er dennoch um eine milde Strafe.

Die der Senat nicht wirklich ausspricht: Der Sohn, dem maximal fünf Jahre Gefängnis drohen, erhält rechtskräftig zwei, der Vater ebenso rechtskräftig sechseinhalb Jahre unbedingte Haft. Angesichts der beiden Medienvertreterinnen und des Medienvertreters macht Krasa in seiner Urteilsbegründung auch klar, warum für den Senat keine teilbedingte Haft infrage kommt. "Es sollen auch alle 17-Jährigen verstehen: Man kann nicht auf Frauen einfach zugreifen, das ist kein Selbstbedienungsladen!" Dabei sei es egal, ob Drogen konsumiert werden oder die Frau davor mit anderen Zärtlichkeiten austauscht. Beim Vater komme angesichts des Eisenstangenangriffs noch dazu: "Sie sind nicht nur für Frauen gefährlich, sondern für jede zufällige Person!" (Michael Möseneder, 29.8.2022)