Ich bin ein klassischer Uhrmacher mit Schwerpunkt Reparatur und Restauration, erste Generation, niemand hat das in meiner Familie vor mir gemacht. Oba i hob mir dos hold ois Bua einbüdt. Mein Onkel hat Armbanduhren gehabt aus den 50er-Jahren, dieses Vintage, das Analoge, die Räderwerke, die Getriebe, wie funktioniert was – das hat mich als Kind schon fasziniert. Alles, was irgendwie mechanisch war, hab ich zerlegt – Standuhren, aber auch Plattenspieler oder die Sprechpuppe meiner Schwester.

In Klagenfurt habe ich mich dann mit 14 gefragt: Was mach ich? Die eine Möglichkeit war die HTL für Elektrotechnik, weil mich Computer auch schon immer interessiert haben, ich hab einen Commodore C64 gehabt, das war ein Wahnsinn, was der mich damals gekostet hat, ich hab den ganzen Sommer dafür gearbeitet. Ich hab aber damals schon einen Weitblick gehabt und mir nicht vorstellen können, dass man Computer in Zukunft repariert.

Was man einmal anfängt ...

Uhrmacher Hans Mikl repariert in seiner Werkstätte mechanische Uhren, manchmal sind sogar Raritäten wie eine Taschenuhr aus den 1920er-Jahren dabei. Die Fortschritte seiner Arbeit dokumentiert er für die Kunden auf Social Media.

Foto: Christian Fischer

Also zweite Möglichkeit die Uhrenfachschule in Karlstein im Waldviertel. Damals hat es kein Google Maps gegeben, ich hab mir das im Atlas angeschaut und gesehen, dass das in der Nähe von Wien ist, na ja, fast in der Nähe. Ich habe angerufen und meinem Vater davon erzählt, und der hat gesagt: "Was? Uhrmacher willst werden? Ich hab noch nie in der Zeitung gelesen, dass jemand einen Uhrmacher sucht!" Aber ich war immer stur, hab ihn also gebeten, dass er mich da hinaufführt zur Aufnahmeprüfung, um Viere oder so sind wir weggefahren. Bis Wien ist es eh gegangen, große Stadt, toll. Dann Richtung Stockerau, na ja. Und dann ist die Gegend immer spärlicher worden. Hab ich also zum Papa gesagt: Keine Chance, bring mich wieder heim. Aber mein Vater war wiederum einer, der Angefangenes fertig gemacht hat, also hab ich die Prüfung geschafft – Mathematik, Physik, räumliches Denken, recht anspruchsvoll.

Die ersten zwei Jahre im Internat war es sehr hart, bis ich die karge Gegend da oben schätzen lernte. Ich bin dreimal im Jahr nach Hause, mit dem Bus von Karlstein nach Göpfritz, von dort mit dem Zug zum Franz-Josefs-Bahnhof, von dort zum Südbahnhof, von dort nach Klagenfurt, und von dort mit dem Bus nach Dahaam. Nach der Gesellenprüfung hab ich einen Meister gefunden in Kärnten, der hat mir alle Tricks und Kniffe beigebracht. Sie müssen sich einen Uhrenrestaurator wie einen Autorestaurator vorstellen, der einen Porsche 356 restauriert, da brauchen Sie auch jemanden, der das kann, keinen, der nur in die Lade greift und ein Ersatzteil herausholt, sondern einen, der tüftelt: Wie schaut die Übersetzung vom ersten Rad zum Großbodenrad zum Kleinbodenrad zum Minutenrad zum Sekundenrad zum Gangrad usw. aus, das hat mich fasziniert. Nach der Meisterprüfung bin ich aber trotzdem angestanden. Was tun?

Von Helmut Zilk bis Heidi Horten

Einen Uhrenrestaurator müsse man sich wie einen Autorestaurator vorstellen, der einen Porsche 356 restauriert, sagt Hans Mikl. Es braucht jemanden, der das kann, keinen, der nur in die Lade greift und ein Ersatzteil herausholt.
Foto: Christian Fischer

Ich hab "old fashion" aus dem Wiener Telefonbuch Adressen herausgesucht von Uhrmachern und Bewerbungen verschickt, und dann hatte ich das große Glück, dass ich beim Uhrmachermeister Hofer im ersten Bezirk untergekommen bin, der hat genau gemacht, was mich interessiert hat: Taschenuhren, Pendeluhren, antike Uhren, kein Schmuck, kein Juwelier, von der Heidi Horten bis zum Helmut Zilk sind alle zu ihm gekommen. Nach der Zeit beim Hofer, ich war 24, wurde mir ein Geschäft auf der Alser Straße 65 angeboten. Ich hatte aber kein Geld, also bin ich zur Bank Austria und hab gesagt, ich hab zwei Hände als Sicherheit, und die haben mir Geld gegeben, damals war das noch möglich. Dort hab ich mich also ab 1994 der Reparatur und Restauration von Uhren verschrieben, hab teils hundert Jahre alte Bücher gelesen, in denen chemische Verbindungen beschrieben sind, die man braucht, um bei einer Zifferblattreinigung diesen oder jenen Effekt zu erzielen, solche Sachen. Dort ist mir auch meine zweite Affinität zugutegekommen, der Computer. Als erster Uhrmacher hab ich eine Homepage sowie eine digitale Reparaturverwaltung gehabt.

Das macht ja keiner mehr

Von 8 bis 14 Uhr steh ich seither immer in der Werkstatt, dort kann ich tüfteln, denken, tun. Ausgebildete Fachkräfte sind das größte Problem. Insgesamt stimmt die Vorstellung der Leute, was ein Uhrmacher macht, nicht mehr. Mir werden eher ruhige Leute angeboten, dabei soll ein Uhrmacher aber extrovertiert sein, wissbegierig! Ich habe fast nur Mitarbeiter ab 55 Jahren aufwärts, weil die halt noch Interesse an der Arbeit haben.

Es gibt Schmutzräume, wo geschweißt und geschliffen wird, und saubere Räume, wo wir die Feinarbeit erledigen. Ich krieg zum Beispiel eine Taschenuhr aus den 1920er-Jahren in einem schlimmen Zustand, Zifferblattl hin, Zeiger hin, Goldgehäuse ausgeschlagen usw. Ich tausche Werk, Zeiger, Gehäuse, schadhafte Teile aus, poliere, putze. Manchmal mach ich eine Uhr zwei- oder dreimal auf, zerlege sie und bau sie wieder zusammen, so lange, bis alles passt. Für den Kunden dokumentiere ich den Fortschritt der Arbeit auf Social Media, so habe ich auch über Österreich hinaus viele Kunden, die uns ihre Uhren schicken.

Zurück zur Mechanik

Manche Uhren werden zwei- bis dreimal geöffnet, zerlegt und wieder zusammengebaut, so lange, bis wirklich jedes Teil gereinigt und repariert ist.

Foto: Christian Fischer

Im Verkauf haben wir natürlich auch ausschließlich mechanische Uhren, Nomos Glashütte, Junghans, Mühle-Glashütte, Meistersinger, Patek Philippe, eher in diese Richtung, nichts Protziges. Rolex verkaufen wir hier nicht, das ist eine qualitativ sehr gute Uhr, aber was mach ich, wenn mir einer sagt: "Schau her, ich hab eine Rolex!"? Das ist so eine Art Ersatzwährung geworden.

Wir begleiten unsere Kunden mit ihren Uhren, nach acht oder zehn Jahren braucht jede einen Service, da wird sie zerlegt, gereinigt, werden schadhafte Teile ersetzt. Ein Anwalt zum Beispiel weiß natürlich, was eine Nomos kostet, weil er die Homepage von denen kennt. Der will sie aber trotzdem bei mir kaufen, weil er keine Brösel will. Wenn es irgendwann ein Problem gibt, steht er bei mir und sagt: "Hier, bitte!" Und ich schau’s mir an. Außerdem weiß ich, was zu welchem Typ passt. Sie sind beispielsweise ein typischer Max Bill/Nomos-Träger, eine Orion 38 mm.

Der Trend geht jedenfalls wieder zu mechanischen Uhren, weil ich dadurch weniger abgelenkt bin. Wenn ich wegen der Uhrzeit aufs Handy schaue, dann schaue ich auch, wie viele Schritte ich gemacht habe, was auf Instagram los ist, wer mir geschrieben hat. Dieses Zurücksacken, weg von der ständigen Erreichbarkeit, das ist absolut spürbar. (Manfred Rebhandl, 29.8.2022)