Danke, danke, danke! Sabine und Walter Höll können es nicht oft genug sagen. Der Dank gilt dem Team um Sabines Mutter, das in den vergangenen Tagen den Betrieb im Spielberghaus geschupft hat. Die Abwesenheit der Wirtsleut’ im auf 1311 Meter Seehöhe ob Saalbach gelegenen Almgasthof hatte einen guten Grund. Sabine und Walter Höll waren zur Mountainbike-WM nach Les Gets bei Morzine gereist. Und dieser Trip in die französischen Alpen, das lässt sich im Nachhinein locker sagen, hat sich voll ausgezahlt. Schließlich waren die Hölls am Samstag erste Reihe fußfrei und jubelnd dabei, als ihre Tochter Valentina zum, wenn schon nicht sensationellen, so doch überraschenden WM-Titel im Downhill-Bewerb brauste.

So glänzt Gold, so strahlt die Weltmeisterin.
Foto: APA/AFP/OLIVIER CHASSIGNOLE

Valentina (20), genannt Vali, hatte sich nach einer mäßigen Leistung in der Qualifikation selbst als "Underdog" gesehen, hatte sich mit der WM-Strecke auch in der Trainingswoche geplagt, nicht zuletzt ein Sturz bereitete Schmerzen und ließ sie zweifeln. "Erst im Starthaus, in den letzten zehn Sekunden vor dem Start, war ich voll fokussiert." Dann sei sie "sauber gefahren" und deshalb "jetzt mit 20 Weltmeisterin". Bei den Juniorinnen hatte sie gewonnen, was es zu gewinnen gab, auch zwei WM-Titel. In der allgemeinen Klasse wurde sie flott Gesamtweltcupsiegerin, doch bei Weltmeisterschaften ging zunächst gar nichts. Bei der Heim-WM 2020 in Saalfelden-Leogang verletzte sie sich im Training und konnte nicht starten, bei der WM 2021 in Val di Sole, Italien, kam sie nach mehreren Stürzen als Zwölfte an.

Früheste Kindheit

Doch in Les Gets war alles anders, war es so, wie sich das vielleicht schon in Hölls frühester Kindheit abgezeichnet hatte. "Vali wollte möglichst nicht zu Fuß gehen", sagt Sabine Höll. "Sie war als Dreijährige schon mit dem Laufrad unterwegs. Es war uneben, da haben wir die Stützradln gleich weggetan", ergänzt Walter. "Und nach einer halben Stunde hat es schon funktioniert. Vor allem bergab." Auch die Eltern sind echte Mountainbike-Aficionados, sie haben der Tochter jedenfalls nichts in den Weg gelegt.

GoPro Bike

"Vali hat immer alles von allein getan, wir haben sie zu nichts bewegen müssen", sagt Sabine. "Wir haben sie halt mitgenommen", sagt Walter. Als Achtjährige fuhr Valentina Höll ihre ersten Rennen, die Bewerbe waren gemischt. "Und da hat sie gleich auch alle Buben herbrennt", erinnert sich Walter. Beim Buben-Herbrennen blieb es dann noch einige Jahre, auch als Vali in den schon international angehauchten IXS-Rookie-Cup einstieg. "Sie hat auch da", sagt Sabine Höll, "auf Anhieb gewonnen."

Es gibt nicht wenige Sportarten und auch Mountainbike-Disziplinen mit deutlich geringerem Risiko. Mama Höll gibt schon zu, dass sie um die Tochter bangt. "Im Fernsehen und auf den Fotos sieht man ja gar nicht, wie krass die Strecken sind und mit welchem Tempo da alle daherkommen. Für mich ist es am wichtigsten, dass die Vali heil runterkommt. Alles andere ist mir fast wurscht." Laut Papa Höll ist das Risiko meistens gut kalkulierbar. "Die da am WM-Start stehen, sind super durchtrainiert. Die halten viel mehr aus als wir alle."

Valentina Höll auf dem Weg zum größten Erfolg.
Foto: Armin Küstenbrück/ÖRV

Dabei kann man getrost davon ausgehen, dass schon Walter und Sabine Höll nicht wenig aushalten. Er hat das Spielberghaus 1992 von den Eltern übernommen, 1998 wurde es an die Ortskanalisation angeschlossen. Mittlerweile gibt es Chalet-Zimmer, eine Lounge, eine Panoramasauna. Und es gibt nicht nur einen Bike-Verleih und eine Radwerkstatt, sondern auch ein zu hundert Prozent biologisch abbaubares Bike-Waschmittel.

Geerdetes Umfeld

Es ist ein geerdetes Umfeld, in dem Valentina Höll aufgewachsen ist und in dem ihr um elf Jahre jüngerer Bruder Jonathan aufwächst. Für ihn ist Vali "die beste Schwester der Welt", weniger ob ihrer Erfolge, sondern weil sie ihn manchmal von der Schule abholt, mit ihm Lego baut und ihn heimlich fernsehen lässt. Das Umfeld hat der Mountainbikerin geholfen, die dank Sponsoren und Ausrüstern wie Red Bull, Go Pro, Maxxis, Oakley, Saalbach, Trek, Troy Lee Designs, Rock Shox oder SRAM als Profi zu gelten hat. Nun kommt auch etwas zurück. Dem Spielberghaus und speziell den MTB-Aktivitäten schaden die Erfolge natürlich nicht.

Valentina Höll (links) mit ihren Eltern.
Foto: Höll Privat

Eine Vergrößerung der Sammlung an Pokalen, Medaillen und Urkunden ist angedacht. Im Downhill-Weltcup ist Höll mit ihrem zweiten Saisonsieg der Schweizerin Camille Balanche zuletzt auf 119 Punkte nahegerückt, der Gesamtsieg ist nicht ausgeschlossen. Im Fall eines Höll-Siegs beim Finale am Wochenende in Val di Sole dürfte Blanche freilich maximal Fünfte werden.

Ob auch einmal olympische Meriten dazukommen, ist fraglich. In Paris 2024 wird wie in Tokio nur der Cross-Country-Bewerb geboten. Ein Umstieg der Downhillerin ist ausgeschlossen, schließlich mutiert auch keine Riesentorläuferin zur Skilangläuferin. Die Eltern Höll wünschen sich Lobbying des Weltverbands UCI – und mehr Engagement des heimischen Verbands ÖRV. "Österreich ist ein Land mit tollen Mountainbike-Erfolgen", sagt Walter Höll. "Aber Österreich ist noch keine Mountainbike-Nation." Und da geht es den Hölls nicht um Valentina, die den Durchbruch ja schon geschafft hat, sondern um nachhaltige Nachwuchsarbeit. Bitte, bitte, bitte! (Fritz Neumann, 30.8.2022)